Proteste im IranMehr als 1200 Demonstrierende verhaftet – junge Aktivistin getötet
Iranerinnen und Iraner protestieren gegen das Regime. Dabei soll die Polizei keine Nachsicht zeigen, Menschenrechtler sprechen von mindestens 57 Toten.
Seit Beginn der Proteste im Iran sind nach Behördenangaben mehr als 1200 Menschen festgenommen worden. «Bei den Unruhen in den vergangenen Tagen wurden in Masandaran 450 Randalierer festgenommen», erklärte Mohammad Karimi, Generalstaatsanwalt der nordiranischen Provinz, heute gemäss der staatlichen Nachrichtenagentur Irna. Am Samstag hatten iranische Behörden bereits 739 Festnahmen gemeldet, darunter 60 Frauen in Gilan, der Nachbarprovinz von Masandaran.
In Masandaran hätten «Randalierer» «Regierungsgebäude angegriffen und öffentliches Eigentum beschädigt», sagte Karimi. Örtlichen Medienberichten zufolge skandierten die Demonstrierenden regierungsfeindliche Parolen. Auch in der südlichen Provinz Hormosgan wurden 88 Menschen festgenommen, wie die Nachrichtenagentur Fars berichtete. Zudem gab es dutzende Festnahmen in den Städten Sandschan im Nordwesten, Kerman im Südosten und Karadsch westlich von Teheran.
«Vorgehen ohne Nachsicht»
Einer nicht näher erläuterten offiziellen Bilanz iranischer Behörden zufolge sind seit Beginn der Proteste 41 Menschen getötet worden, darunter Demonstrierende und Sicherheitskräfte. Die in Oslo ansässige NGO Iran Human Rights (IHR) berichtete von mindestens 57 getöteten Demonstrierenden. Eine der verstorbenen Demonstrantinnen ist Hadis Najafi. Die junge Iranerin ging am Sonntag mit einem Video viral, in welchem sie sich vor bewaffnete Polizisten stellte und für eine Demonstration bereit machte. Gemäss Natalie Amiri, ARD-Korrespondentin, starb Najafi durch sechs Kugeln. Die deutsch-iranische Journalistin hat zuvor in einem Interview mit dieser Zeitung über die derzeitige Situation im Iran gesprochen.
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Der Leiter der iranischen Justizbehörde, Gholamhossein Mohseni Edschei, hatte am Sonntag ein «entschlossenes Vorgehen ohne Nachsicht» gegen die Protestierenden gefordert. Die Nachrichtenagentur Tasnim veröffentlichte am Montag rund 20 Fotos von Demonstrierenden in der für Schiiten heiligen Stadt Ghom 150 Kilometer südlich von Teheran. Das Militär hatte die Einwohnerinnen und Einwohner aufgefordert, die «Anführer der Unruhen» auf Bildern zu identifizieren und «die Behörden zu informieren».
Die iranische Justizbehörde plant zudem Sondergerichte für Demonstrierende, die bei den landesweiten Protesten festgenommen worden sind. Das gab der Justizchef der Hauptstadt Teheran, Ali Alghassimehr, am Montag bekannt. Auf «Anführer der vom Ausland angeheuerten Unruhestifter» solle keinerlei Rücksicht genommen werden. «Die Justizbeamten sollen mit ihnen genauso wie mit Vergewaltigern und Schwerverbrechern umgehen», so der Teheraner Justizchef laut Nachrichtenagentur Tasnim.
Da Regierung und Justiz alle Demonstrierenden als vom Ausland engagierte Söldner bezeichnet, rechnen Beobachter mit langen Haftstrafen. Zu den Sondergerichten soll auch das Revolutionsgericht gehören, das für Verstösse gegen die nationale Sicherheit zuständig und für seine harten Urteile berüchtigt ist.
Tod einer jungen Iranerin als Auslöser
Die landesweiten Proteste halten bereits seit zehn Tagen an. Auslöser war der Tod von Mahsa Amini in Gewahrsam der Sittenpolizei. Amini war am 13. September wegen des Vorwurfs festgenommen worden, das islamische Kopftuch nicht den strikten Vorschriften entsprechend getragen zu haben. Sie brach nach ihrer Festnahme unter ungeklärten Umständen auf der Polizeiwache zusammen und wurde drei Tage später im Spital für tot erklärt.
avo/AFP/SDA
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