Max Küng über SUVsWeshalb dulden wir eigentlich solche Autos?
Unser Kolumnist trifft in seinem Quartier auf ein Monstrum von einem Wagen – und stellt die Verbotsfrage.
Erst dachte ich, die Atomkraftwerke würden Ende Jahr abgestellt, doch ich hatte mich verhört. Die Frau im Radio sagte nicht AKW, sondern UKW. Man stelle um auf modern und digital, also DAB+. Dies bedeutet, dass ich beim Autofahren bald nicht mehr Radio hören kann, ausser, ich rüste meine alte Karre um, was kostspielig und mühsam ist. Also dachte ich: Warum nicht gleich einfach ein neues Auto kaufen? Dann wäre das Radioproblem gelöst.
Es gehört zu meinen Freizeitleidenschaften, von denen ich nie jemandem erzähle, denen ich aber gern spätnachts im Geheimen fröne: über Autos nachdenken und sie auf dem Computer in den Konfiguratoren der Hersteller zusammenstellen.
Meine intime Beziehung zum Auto ist ein Überbleibsel aus meiner Kindheit, wo ich mich in die automobilen Traumwelten zurückziehen konnte, wenn mir die Realität nicht mehr gefiel. Ich steckte meine Nase in Heftli wie «Auto Motor und Sport» und «Rallye Racing» oder in die vom Autosalon in Genf sackweise mitgebrachten Prospekte. Damals waren Autos noch allgemeingültig legitime Fantasien – sie waren schön und begehrenswert. Heute ist dem leider nicht mehr so. Heute sind die Autos einfach nur langweilig; oder hässlich; oder fahrende Albträume. So enden meine stillen Nächte beim Konfigurieren nicht selten in Ernüchterung.
Auch der Blick auf die Strassen stimmt mich zuweilen traurig. Kürzlich etwa sah ich einen Wagen im Quartier parkiert, gross und dunkel. Erst dachte ich, das Militär sei vor Ort oder es handle sich um ein Kommandofahrzeug einer Anti-Terror-Einsatztruppe. Doch es war ein ziviles Fahrzeug. Genauer war es ein SUV namens XM der Marke BMW, was Bayerische Motorenwerke heisst. Aber der XM wird nicht im Freistaat Bayern gebaut, sondern in den USA, im Werk Spartanburg, einem Ort in South Carolina, der nach einer schlachterprobten Miliz des Unabhängigkeitskriegs benannt wurde (und wo Trump mehr als doppelt so viele Stimmen holte wie Harris).
In der Top-Konfiguration «Label Red» kostet ein XM eine glatte Viertelmillion – dafür bekommt man 748 PS Stärke, 5,11 Meter Länge und 2,795 Tonnen Leergewicht. Ein Irrsinn. Die krasseste Minderwertigkeitskomplexkompensationsmaschine, die ich bis dato gesehen hatte, eine rollende Dystopie mit belüfteten Ledersitzen mit Massagefunktion. Ein Auto, so abweisend und hässlich und brutal und maximal entmenscht, wie ein Auto nur sein kann. Und dies jedoch ganz bewusst, denn dieser BMW ist ein marketingkalkulierter Stinkefinger, der nichts anderes sagt als: «Alle aus dem Weg, sonst mach ich euch platt, denn: Hier komme ich!, ich!, ich!»
Als ich ungläubig um das Vehikel herumging, einmal, zweimal, mir das Monstrum besah, dachte ich: Weshalb dulden wir eigentlich solche Autos? Warum werden sie nicht einfach verboten?
Ich bin kein Freund von Verboten, aber hin und wieder helfen sie uns. Denn die Strassen unseres Landes gehören schliesslich uns allen, sie sind öffentlicher Raum. Und wenn diese Strassen für alle da sind, dann dürfen wir ja auch darüber bestimmen, wer teilhaben darf – und wer nicht. Man könnte zum Beispiel per Volksentscheid über jedes neue Automodell abstimmen, welches auf den Markt kommt. Oder eine Kommission einsetzen. Eine «Kommission zur ästhetischen Befriedung unserer Strassen und des öffentlichen Raums». Auf dass unsere Welt wieder ein bisschen humaner und schöner wird. Dies wäre doch nichts anderes als ein gelebtes Beispiel für unsere gute alte Demokratie, oder? Nutzen wir sie doch – solange es sie noch gibt.
Max Küng ist Reporter bei «Das Magazin».
Fehler gefunden?Jetzt melden.