Max Küng schreibt im SBB-SchüttelzugHier im FV-Dosto … gopferdammi …
Unser Autor möchte gerne eine schöne Kolumne für Sie verfassen. Doch es schüttelt und rüttelt ganz gehörig.
Es ist einer der Vorzüge des Schreibens, dass man diese Arbeit verrichten kann, wo immer man möchte, nicht nur im Homeoffice, sondern auch im Migrosrestaurant bei einem Stück Schwarzwäldertorte oder im Zoo bei den Faultieren. Gut, es gibt sicherlich gewisse Einschränkungen, im Dampfbad habe ich noch nie geschrieben, weder am Computer noch von Hand, auch beim Autofahren könnte es kompliziert werden, vor allem auf kurvigen Bergstrecken.
Aber ich nutze gerne den Zug als Büro, denn die vorbeiflitzende Landschaft animiert, das Tempo inspruiert und … hoppla … Entschuldigung … jetzt hab ich mich grad vertippt … weill: Das rüttelt und schüttelt ganz gehörig hier … eben erst sind wir abgefahren, pünktlich wie die Eisenbahn … also … ups … der Zug schlenkert, als käme er frühmorgens vollgetankt vom Ausgang nach Hause … Mein Büro ist heute also der IC 1 nach Bern, in Zürich sind wir unten im dunklen Loch losgefahren, Gleis 32, bald schon aber zeigte sich der Himmel, wunderbar das Licht, wie von einem flämischen Meister gemalt, die Wolken tief, der Herbst wird gerade herangeschoben, hatte der Mann heute Morgen im Radio gesagt, von Westen her … ei, ei, ei … das ist gar nicht so einfach, kann ich Ihnen sagen, hier einen Text zu tipppen … gopferdeckel … es zittert und wackelt und schaukelt und … da verschwimmen einem die Buchstaben vor den Augen, die richtigen Tasten zu treffen wird zum Glücksspiel.
Ich möchte gerne eine schöne Kolumne für Sie schreiben, liebe Leserin, lieber Leser … es soll um Verkehrsstaus gehen, aber … autsch, jetzt hab ich mir auch noch am Tischlein das Knie gestossen, als ich den Kugelschreiber aufheben wollte, der runtergefallen war … tut höllisch weh … verdammt! ... so ein Knie ist wirklich ein Schwachpunkt der menschlichen Konstruktion … gleich nach dem Surribei … Es soll in diesem Text also um den Stau auf den Strassen gehen – auch ein Grund, weshalb man klugerweise im Zug sitz … aber der klappert und schüttert und schlottert … hoppla, jetzt ist das Rivellafläschchen vom Tischlein geflogen und kullert geräuschvoll durch den Wagen … ’tschuldigung, das muss ich schnell holen … So, die Flasche hab ich wieder … auch wenn ich der Frau im Abteil gegenüber erklären musste, weshalb ich auf allen Vieren unter die Sitzbank kroch … und dann ging wieder so ein Schüttelschauer durch den Zug, als habe er einen Krampf … und die Frau schimpfte, meinte, dieser Zug sei wirklich schrecklich, dieser Fernverkehr-Doppelstockwagen.
Hier arbeiten? Im FV-Dosto nur unter erschwerten Bedingungen möglich.
Aber immerhin kommt man von A nach B. Und in B steige ich dann um nach Z. Genauer Zweisimmen, wo mich eine wunderbar zerhügelte Landschaft erwartet, aber zuerst einmal auch die schicken und wohligen Sitze der BLS und ein paar Haltestellen auf Verlangen mit Namen wie Lattigen bei Spiez, Eifeld oder Enge im Simmental. Der BLS-Zug hat zwar auch einen komischen Namen (man nennt ihn MIKA, ein Akronym für «moderner, innovativer, kompakter Allroundzug»), aber er wird ruhig fahren, wie auf Schienen quasi.
Hier im FV-Dosto … gopferdammi … jetzt erzittert wieder alles, der Boden, die Sitze, auch die Passagiere zittern … ist Schaffen unmöglich … und mir ist etwas schlecht, wohl wegen der durch die Wankkompensation des Zuges verstärkten Querbeschleunigung. Ich schaue besser ein bisschen aus dem Fenster in die vorüberfliegende Landschaft. Diese Kolumne also wird erst im sanften, sänftenartigen MIKA geschrieben werden können. Wir bitten um Verständnis.
Max Küng ist Reporter bei «Das Magazin».
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