Abbau der Corona-SchuldenMaurer blitzt im Bundesrat ab
Der Finanzminister beantragte, Nationalbankgewinne für den Schuldenabbau zu reservieren. Er drang damit nicht durch. Mit raschem Schuldenabbau könnten nämlich ungebundene Ausgaben unter Druck geraten.
Die Medienkonferenz war bereits eingeplant. Finanzminister Ueli Maurer (SVP) hätte am Mittwoch vor die Kameras treten und dem Land seine Lösung für ein verzwicktes Problem erläutern wollen: wie der Bund die Dutzenden Milliarden Franken wieder hereinholt, die er nun ausgibt, um die Folgen von Corona und Lockdown zu mildern.
Maurers Plan sah einen vergleichsweise zügigen Abbau der Corona-Schulden innert rund 15 Jahren vor. Hierzu wollte der SVP-Bundesrat unter anderem das Geld fix reservieren, das der Bund alljährlich als Gewinnanteil von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) erhält – ein Betrag, der sich zwischen 300 Millionen und 1,3 Milliarden Franken bewegt.
Damit wären die SNB-Gelder dem allgemeinen Haushalt entzogen worden, was automatisch zu Spardruck in anderen Bereichen geführt hätte. Über diesen Vorschlag, den Maurer am Mittwoch dem Bundesratskollegium unterbreitete, berichtete am Donnerstag auch die NZZ. Zusätzlich stand ein generelles Moratorium für neue Ausgaben auf der Wunschliste des Finanzministers.
Gebundene und ungebundene Ausgaben
Wie Recherchen nun aber zeigen, gelang es Maurer nicht, eine Mehrheit des Bundesrats hinter sein Vorhaben zu scharen. Kritische Einwände brachten unter anderem Simonetta Sommaruga (SP) und Viola Amherd (CVP) in internen Mitberichten vor.
Die Skepsis von Verteidigungsministerin Amherd ist insofern folgerichtig, als mit einem raschen Schuldenabbau zwangsläufig das Armeebudget unter Druck geriete. Das Geld für die Armee gehört nämlich zu den sogenannten ungebundenen Ausgaben. Das bedeutet, Bundesrat und Parlament haben hier freie Hand für Budgetkürzungen – anders als zum Beispiel bei den Sozialwerken, deren Kosten sich aus gesetzlichen Pflichten ergeben. Zu den ungebundenen Ausgaben gehören ausserdem jene für Landwirtschaft und Bildung. Das erklärt, warum sich auch bürgerliche Bundesräte gegen zu viel finanzpolitische Strenge stellen.
In den Departementen ist zudem der Vorwurf zu hören, Maurers Pläne beruhten auf sehr wackligen Prognosen.
Die Linke wiederum lehnt forcierte Sparanstrengungen ganz grundsätzlich ab. Hier fürchtet man eine schwere Rezession, falls staatliche Investitionen abgeklemmt würden. In den Departementen ist zudem der Vorwurf zu hören, Maurers Pläne beruhten auf sehr wackligen Prognosen. Das tatsächliche finanzielle Ausmass der Krise sei derzeit noch überhaupt nicht abschätzbar.
Zweckbindung macht «keinen Sinn»
Maurers Niederlage ist festgehalten in der Antwort auf eine Interpellation von FDP-Nationalrat Olivier Feller, die der Bundesrat gleichentags verabschiedete. Feller regte – ganz in Maurers Sinn – an, die Hälfte des letztjährigen SNB-Gewinnanteils für den Abbau der Corona-Schulden zu verwenden. Die Landesregierung erteilt dem Ansinnen eine klare Absage: Die vorgeschlagene Zweckbindung mache «keinen Sinn». Man investiere zur Corona-Bewältigung 60 Milliarden Franken; und angesichts eines solchen Betrags seien die 666 Millionen aus dem SNB-Gewinn, die Feller in den Schuldenabbau stecken möchte, «vernachlässigbar».
Der Bundesrat will nun erst Ende Juni wieder über das Thema diskutieren. Theoretisch ist zwar denkbar, dass Maurer dann noch eine Mehrheit überzeugt. Einfach wird dies indes nicht: Auch die wissenschaftliche Taskforce, die den Bund zu Covid-19 berät, sprach sich über Auffahrt gegen einen schnellen Schuldenabbau aus. Die Wissenschaftler schlagen vor, die Corona-Verpflichtungen über einen Zeitraum von etwa 30 Jahren abzutragen – also etwa halb so schnell, wie es Maurer vorschwebt. «Es besteht kein Anlass zu Alarmismus wegen Covid-Staatsverschuldung», so fasste Ökonom Marius Brülhart auf Twitter die Stellungnahme zusammen.
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