Matthias Hüppi und Alain SutterDiese Entlassung kracht mitten in die heile Welt
Der FC St. Gallen trennt sich von seinem Sportchef. Obwohl der Präsident und der frühere Fussballstar langjährige Weggefährten sind.

Das Bild sagt mehr als all die Worte, die an diesem Mittwoch fallen. An der Medienkonferenz ist soeben das Ende der Zeit von Alain Sutter als Sportchef des FC St. Gallen verkündet worden. Drei Verwaltungsräte sind auf dem Podium, sie lächeln – womöglich erleichtert, haben sie die Aufgabe hinter sich gebracht. Neben ihnen, ganz aussen, sitzt Matthias Hüppi, der Präsident und die zentrale Figur im Verein. Er ist berührt, starrt in die Weite des Raums, wirkt nachdenklich. Er lacht nicht.
Die Entlassung Sutters, der trotz Vertrag bis 2025 per sofort durch Roger Stilz ersetzt wird, geht Hüppi nahe. Das wird bei der Medienkonferenz mehrmals deutlich. Auch wenn der 65-Jährige nach Jahrzehnten als Sportkommentator und -moderator bei SRF über eine riesige Auftrittskompetenz verfügt, die es ihm ermöglichen würde, Gefühle zu überspielen. Er tut das Gegenteil. Er ist nahbar. Genau so hat er den Club schon aus dem Mittelmass zum Aushängeschild der Region gemacht.
Ob Sieg oder Niederlage – Hüppi ist das Resultat stets anzumerken. Das schafft Identifikation. Diese Authentizität ist eine Stärke von ihm und dem Club, den er führt. Sie wird auch an diesem Mittwoch augenfällig. Einmal sagt Hüppi: «Ich kenne Alain seit über zwanzig Jahren, bin ihm herzlich verbunden.» Und dann: «Ich hoffe, das bleibt so.»
Schon bei SRF ein Duo
Hüppi wechselt Anfang 2018 von SRF direkt ins Präsidentenamt. Er installiert Sutter als Sportchef, ihn kennt er aus seiner Tätigkeit fürs Fernsehen. Jahrelang begleiteten sie gemeinsam das Fussball-Nationalteam, Hüppi als Moderator, Sutter als Experte. Als Sportchef verfügt der damals knapp 50-jährige Sutter jedoch über keinerlei Erfahrung. Zwei Freunde, die auch zwei Neulinge sind, das birgt Absturzgefahr. Die Ernennungen geben zu reden.
Aber sie lohnen sich. Hüppi ist der Repräsentant und die Identifikationsfigur, Sutter hält sich im Hintergrund, gibt kaum Interviews. Gemeinsam mit Trainer Peter Zeidler, der im Frühling 2018 dazustösst, führen sie so den Club in Höhen, die für die Ostschweizer als kaum erreichbar gegolten haben. Sie bedrängen YB 2020 im Kampf um den Meistertitel, erreichen 2021 und 2022 den Cupfinal. Knapp 18’000 Zuschauer kommen im Schnitt zu den Heimspielen, längst ist der Verein ein Vorbild für andere Clubs dieser Grössenordnung.
In St. Gallen, so schien es jahrelang, herrschte heile Welt. Sutter bezeichnete Hüppi einmal als Lottosechser, von der «SonntagsZeitung» darauf angesprochen, antwortete der Präsident im Herbst 2018: «Das muss er ja sagen, sonst entlasse ich ihn.» Er lachte da noch laut.
Die Entlassung Sutters kommt völlig überraschend. Doch sie spricht für die Ambitionen des Clubs, weiter zu wachsen. Hüppi erklärt bei der Medienkonferenz, man habe in der Vorrunde jedes Heimspiel gewonnen, überwintere auf Rang 2. «Wir hätten es uns über die Festtage gemütlich machen können.»
Aber in ihm sei seit dem Sommer die Überzeugung gereift, dass der Club derart gewachsen sei, dass er in der sportlichen Führung breiter aufgestellt sein sollte. Dass Sutter Unterstützung brauche. Dies habe immer wieder zu intensiven Diskussionen mit Sutter geführt, sagt Hüppi. Die Verbindung zu seinem Spezi hielt ihn nicht davon ab, den Entscheid für die Trennung zu fällen.
Sutter ist keiner für den Mainstream
Dass Sutter keine Unterstützung wollte und so seine Entlassung in Kauf nahm, zeigt, wie er funktioniert. «Ich tue mich furchtbar schwer damit, mich zu verstellen», sagte er bei seinem Antritt als Sportchef in St. Gallen.
Er hatte sich schon als Spieler nicht verstellt. Egal, ob er treibende Kraft war, als die Nationalspieler 1995 während der Nationalhymne gegen französische Atomtests protestierten («Stop it, Chirac!»), oder ob er sich beim FC Bayern München den Lederhosen verweigerte und (erfolglos) verlangte, vor Heimspielen nicht mehr ins Hotel zu müssen.
In München tat sich Sutter schwer, ein Esoteriker und Vegetarier sei er, hiess es. «Der Alain Sutter muss nur mal ab und zu auf sein Müsli verzichten und sich einen ordentlichen Schweinebraten einverleiben», polterte Uli Hoeness, damals Bayern-Manager. Die Replik Sutters: «Wie man aussieht, wenn man zu viel Schweinebraten isst, sieht man ja an Herrn Hoeness.»
Sutter stand nie im Verdacht, dem Mainstream zu folgen. Vor seinem Amtsantritt als Sportchef in St. Gallen war er als Antistress-Coach tätig. Er schrieb Bücher, befasste sich mit chinesischer Medizin und Herzratenvariabilität. Sutter sei womöglich etwas gar weich für den Posten des Sportchefs, lautete in der NZZ eine Vermutung beim Amtsantritt.
Doch diesen Eindruck entkräftete Sutter rasch. Er ging während der sechs Jahre auch in dieser Funktion seine eigenen Wege. In einer Ausbildungsliga, wie die Super League sie ist, sprach er davon, dass Transfererlöse nur ein Bonus seien. «Unser Business sind die Zuschauerinnen und Zuschauer», sagte er dem «St. Galler Tagblatt». Aussergewöhnlich ist auch die Treue zum Trainer Zeidler. Gleich zweimal wurde dessen Vertrag frühzeitig und langfristig verlängert, letztmals vor einem Jahr bis 2027.
Ohne Sutter wird der Club an Eigenwilligkeit verlieren. Hüppi sagt, der Entscheid sei wohl der schwierigste gewesen, den er als Präsident des FC St. Gallen je habe fällen müssen.
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