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Matcha, Gun Powder, Chai
Das neuste In-Getränk? Tee!

La Cucina mit Dorette Giger Vögeli am 19.01.2024 in Bern. Foto: Raphael Moser / Tamedia AG
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Heu, Zwieback, Erde – diese Gerüche steigen im Verlaufe des Abends in die Nase. Es geht hier im Restaurant Le Beizli am Berner Stadtrand nicht um Wein, sondern um ein anderes edles Getränk: Jedes Gericht wird von einem ausgewählten Tee von Länggass-Tee begleitet. Immer wieder beugt sich ein Gast über das Tässchen und nimmt einen tiefen Atemzug.

Der Tee hat nicht nur in Restaurantmenüs Einzug gehalten: Wohngemeinschaften zelebrieren Teerituale gemeinsam in ihren Küchen. Bei so manchem Sonntagsbrunch wird mehr Tee verkauft als Kaffee. Matcha-Kuchen sind in den Bäckereien nicht mehr erklärungsbedürftig. Junge Kundschaft stöbert in den Teeläden. Und Jugendliche lieben Eistee – Stichwort Bra –, Bubble-Teas und Mate.

La Cucina mit Dorette Giger Vögeli am 19.01.2024 in Bern. Foto: Raphael Moser / Tamedia AG

Ein Exkurs zur Tee-Terminologie: Streng genommen darf man Tee nur so nennen, wenn Blätter vom Teebaum Camellia sinensis stammen. So sind Kräutertees de facto kein Tee, sondern ein Aufguss. Bei den «echten» Sorten scheiden sich die Geister: Manche mögen unfermentierten Grüntee, andere fermentierten Schwarztee.

Das Vermächtnis von Starbucks

Viele Menschen trinken Tee auch aus gesundheitlichen Gründen. «Nicht alle vertragen Koffein, Teein ist bekömmlicher», erzählt der angehende Tee-Verkäufer Andreas Lehmann von Paper & Tea. Das Berliner Unternehmen hat in Zürich und Bern Läden eröffnet. Neben den Klassikern Grün- und Schwarztee steige auch der Konsum von ayurvedischen Tees, wie beispielsweise Ingwer-Kurkuma-Tee.

Bei Paper & Tea kämen auffallend viele junge Menschen vorbei, beobachtet Lehmann. Das ist sein Gefühl, eine Statistik wird nicht geführt. «Ab dem Studentenalter werden die Vorteile von Tee erkannt.» Er erklärt die Sorten – schwarz, grün, gelb, weiss, Pu Erh, Oolong –, erläutert die Herstellung – fermentiert, pulverisiert, oxidiert – und schwärmt von den Anbauregionen.

Tee mal anders: Kalt, mit Mineral aufgespritzt, in Weingläsern und als Essensbegleiter serviert.

Der Siegeszug des Grüntees hat ausgerechnet eine Kaffeekette vorangetrieben: Starbucks mit dem Matcha Latte. Getrunken mit Milch und Zucker wurde Grüntee einer breiteren Masse zugänglich.

Wundermittel in der Tasse?

Die grüne Farbe des Matchas vermittelt das Gefühl von Natürlichkeit und damit auch Gesundheit. Ob Tee auch eine heilende Wirkung hat, ist wissenschaftlich kaum erwiesen. Nachgewiesene Inhaltsstoffe sind Vitamine, Teein und Spurenelemente. Die Gerbstoffe des Grüntees unterstützen Magen und Darm, die Galle produziert mehr Saft und regt die Fettverbrennung an, ergo nimmt man ab. Der Inhaltsstoff EGCG (Epigallocatechingallat) soll Alzheimer und Parkinson vorbeugen, aber das wurde bisher nur an Tieren erforscht.

Bewiesen ist hingegen, dass das durchs Teetrinken aufgenommene Wasser gut für den Körper ist. Und dass das Herzinfarktrisiko sinkt. Ob dies am EGCG oder am Teein liegt, weiss man noch nicht. «Schon alleine das Ritual entspannt», erzählt Dorette Giger Vögeli vom Tee- und Gewürzladen La Cucina.

La Cucina mit Dorette Giger Vögeli am 19.01.2024 in Bern. Foto: Raphael Moser / Tamedia AG

Tee hat sein grossmütterlich-kränkelndes Image längst abgeworfen, meint Giger Vögeli. Das Unternehmen startete 1988 am Berner Wochenmarkt und eröffnete zuletzt in der Zürcher Europaallee eine Filiale. «Es gab schon früher junge Tee-Freaks, aber wir stellen einen deutlichen Anstieg an jungen Kunden fest», erzählt Giger Vögeli bei einer Tasse orthodoxen Grüntees.

100 Franken für 50 Gramm Grüntee

Orthodox bedeutet, dass der Tee nur aus puren Teeblättern und ohne weitere Aromen besteht. Nach fünf Minuten Ziehzeit klingelt der Wecker, alles hat seine Genauigkeit. 12 Gramm Tee auf einen Liter Wasser hat sie davor mit einer antiken Waage abgemessen. Über 150 Teesorten in waldgrünen Büchsen zieren die Wand im Laden.

Japan ist ihrer Meinung nach der Marktführer für Grüntees, weil die Produzierenden vom Feld bis zur Tasse sehr akkurat und aufwendig arbeiten. Das spiegelt sich im Preis wider: «Man bezahlt bis 100 Franken für 50 Gramm Tee», sagt Giger Vögeli.

Ein Grund, weshalb vermehrt junge Menschen zu Tee greifen, liege für Dorette Giger Vögeli auf der Hand: «Anders als meine Generation sind viele Jungen weit gereist und haben so Tees der verschiedenen Kulturen vor Ort entdeckt.» Schon lange vor dem Matcha-Trend hätte man zudem hierzulande Chai Latte getrunken.

Popcorn in der Tasse

Barkeeper bauen seit längerem Tees in ihre Cocktails ein, alkoholfreie Getränkebegleitungen beinhalten öfters Tee, und auch auf dem Teller spielt der Feinschmeckertee eine Rolle: Der Lausanner Teeanbieter Chanoyu führte mit Sterneköchen ein Feinschmeckermenü durch, um den Köchen Tee als Ingredienz näherzubringen. «Wir bekommen regelmässig die Zutatenliste der Köche und helfen ihnen, den passenden Tee zu finden», sagt Valérie Peyre, Tea Master bei Chanoyu.

Bei Einsteigern beliebt sei der klassische Grüntee Sencha aus Japan, der Gun Powder aus China oder Genmaicha, weil dieser japanische Grüntee wegen gepuffter Reiskörner eine Popcorn-Note mitbringe. «Oder fruchtige Eistees, bei dem alle sich wundern, wie gut Eistee mit echten Aromen und echten Früchten schmeckt.»

Pairing mit Kräuteraufguss und Baumnuss-Mohn-Ravioli mit Sherry, Rosinen, Zwiebeln und Salzzitronen.

Zurück zum teebegleiteten Abendessen: Flüchtig und subtil sind die Gerüche, was das Kombinieren schwierig gestaltet. Nicht alles funktioniert: Weniger gut passt der Pu Erh (ein fermentierter und gepresster Grüntee) zum Kartoffel­gratin mit Randen und Cranberry-Sauce.

Wunderbar passt der Tee aus Rosmarin, Oregano, Thymian und acht weiteren Kräutern zu den Baumnuss-Mohn-Ravioli. Hervorragend war auch der Oolong (eine Mischung zwischen Grün- und Schwarztee) zur Crème brûlée mit glasierten Marroni.

Jetzt muss man nur noch aufpassen, dass man einschlafen kann. Denn: Die Getränkebegleitung mag ohne Alkohol sein, sie ist aber nicht ohne Teein.