Alternative zu TwitterMastodon hebt ab: Wie Sie mitfliegen
Die Plattform erlebt einen Höhenflug. Doch die Welt der alternativen sozialen Medien – das sogenannte Fediversum – hat noch viel mehr zu bieten.
Die Wachstumszahlen sind beeindruckend: Am 7. November konnte der Gründer des Twitter-Konkurrenten Mastodon, Eugen Roschko, vermelden, dass bei den monatlich aktiven Nutzerinnen und Nutzern die Millionengrenze überschritten sei. Zehn Tage später sind es schon 1,8 Millionen – das Chaos um Twitter beschert der Plattform einen Zulauf wie noch nie zuvor in den sechs Jahren ihrer Existenz.
In absoluten Zahlen sind die herkömmlichen Plattformen hundertfach überlegen. Die Techkonzerne müssen derzeit nicht um ihre Vorherrschaft fürchten. Doch Mastodon beweist, dass das Internet seine revolutionäre Kraft nicht verloren hat und die Idee des freien Netzes nicht tot ist. Denn hinter Mastodon steht kein gewinnorientiertes Unternehmen, sondern eine gemeinnützige Organisation. Mastodon basiert nicht auf einer von einem Techkonzern kontrollierten Software, sondern auf einem offenen Programmcode: Die Funktionsweise ist transparent. Und vor allem gibt es keine Algorithmen, die wie bei Facebook, Instagram, Twitter oder Tiktok bestimmen, was wir Nutzerinnen und Nutzer zu sehen bekommen: Die Zeitleiste wird, ganz altmodisch, rein chronologisch dargestellt.
Es gibt auch Alternativen zu Facebook, Youtube und Instagram
Der Erfolg von Mastodon wirft auch ein Schlaglicht auf das Fediversum. Denn Mastodon ist kein einsamer Rufer in der Wüste, sondern Teil eines Verbundes von Diensten, die über eine gemeinsame, offene Technologie interagieren. In diesem Fediversum gibt es Gegenstücke zu den meisten grossen Plattformen: Friendi.ca und Hubzilla.org sind Rivalen für Facebook, PeerTube (joinpeertube.org) für Youtube und Pixelfed.org stellt sich gegen Instagram.
Sich jetzt bei Mastodon anzumelden, ist ein netzpolitischer Akt: Er ist ein Signal an die Techkonzerne, die Bedürfnisse der Nutzerschaft ernst zu nehmen. Und die Gelegenheit ist günstig: Wer jetzt einsteigt, ist nicht der einzige Neuling. Und die Bereitschaft der erfahreneren Nutzer, Hilfestellung zu bieten, ist gross.
Den Einstieg wagen
Wenn Sie es wagen wollen, dann stehen Sie vor einem wichtigen Entscheid: Da Mastodon keinen zentralen Server, sondern eine verteilte Struktur hat, müssen Sie den Server wählen, bei dem Sie Ihr Konto unterbringen wollen. Viele Nutzerinnen und Nutzer treffen die Wahl nach geografischer Nähe und verwenden einen Server – der auch Instanz genannt wird – aus der Region. Es gibt auch Server zu bestimmten Interessen, bei denen Sie mit Gleichgesinnten zusammen sind. Eine Übersicht finden Sie bei Joinmastodon.org oder auch auf Instances.social.
Einmal angemeldet, nutzen Sie Mastodon über den Browser und die Adresse Ihrer Instanz, also zum Beispiel Swiss.social oder Mastodon.social. Wie bei anderen sozialen Netzwerken suchen Sie sich nun Leute, denen Sie folgen möchten. Falls Sie Twitter-Nutzer sind, verwenden Sie die Anwendung Debirdify: Da viele Twitter-Nutzer ihre Mastodon-ID in die Beschreibung ihres Accounts einfügen, kann diese App Ihnen eine Liste zusammenstellen, über die Sie diese Leute auch einfach auf Mastodon finden. Nebenbei zeigt Ihnen Debirdify auch auf, welche Instanzen bei Ihren Freundinnen und Freunden besonders beliebt sind.
Apps mit unterschiedlichen Talenten
Für die mobile Nutzung gibt es natürlich Apps: Es existiert eine offizielle App der Organisation, die auch die Entwicklung der Serversoftware koordiniert. Die heisst Mastodon und ist fürs iPhone und Android verfügbar. Es gibt jedoch eine Reihe von Alternativen mit teils spannenden Zusatzfunktionen. Die App «Tootle for Mastodon» beispielsweise (nur iPhone) erlaubt es Ihnen, die gesamten Aktivitäten auf Ihrem Server oder im ganzen Fediversum zu verfolgen, und Sie dürfen individuelle Ansichten einrichten, zum Beispiel zu bestimmten Themen, Nutzern oder Hashtags.
Einmal eingerichtet, legen Sie los. Sie können auf Nachrichten in Ihrer Zeitleiste antworten, sie mit Ihren Followern teilen, favorisieren oder mit einem Lesezeichen versehen. Es gibt die bekannten Hashtags, denen Sie ebenfalls folgen können, um alle entsprechenden Veröffentlichungen zu sehen. Umgekehrt haben Sie auch die Möglichkeit, Personen oder ganze Instanzen stummzuschalten. Sie können anderen Nutzerinnen und Nutzern Direktnachrichten schicken, wobei der Dienst warnt, dass die nicht verschlüsselt gesendet werden und dementsprechend nicht für sensible Inhalte verwendet werden sollten.
Mastodon fühlt sich nach Neuland an – wie das Internet um die Jahrtausendwende. Etwas ist allerdings gewöhnungsbedürftig, nämlich die Terminologie. Eine einzelne Nachricht wird «Toot» genannt und das Verb dazu ist «to toot». Also dann: fröhliches Tröten!
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