Erdrutschartiger SiegAuf diesen FPÖ-Mann schaut ganz Österreich
Mit Mario Kunasek stellt die rechtspopulistische Partei den ersten Landeshauptmann seit Jörg Haider. Er tritt seinen Job an, während er Beschuldigter in einem bizarren Skandal ist.
- Mario Kunasek ist neuer Landeshauptmann der Steiermark für die FPÖ.
- Das Regierungsprogramm fokussiert auf restriktive Asylpolitik und gesellschaftliche Themen.
- Kunasek nutzt lokale Unzufriedenheit über Spitalprojekte für politische Erfolge.
- Ermittlungen laufen gegen FPÖ-Politiker wegen finanzieller Unregelmässigkeiten und Verbindungen zu Extremismus.
Wenn es in Österreich so etwas wie ein Heartland gäbe, dann wäre das die Steiermark. Flächenmässig ein grosses Bundesland, geprägt von Wäldern, Bergen und einer wechselvollen Geschichte des Kohleabbaus, traditionsbewusst und strukturkonservativ. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass hier die rechte FPÖ inzwischen die stimmenstärkste Partei ist und nun auch den Landeshauptmann stellt, die österreichische Entsprechung des Ministerpräsidenten.
Mario Kunasek steht einer Regierung aus FPÖ und konservativer ÖVP vor, die sich innerhalb weniger Wochen auf eine Koalition geeinigt haben. Das Programm, das der neue Landeshauptmann im Heimatsaal des Grazer Volkskundemuseums präsentierte, enthält die klassischen Talking Points der FPÖ. Weniger Leistungen für Asylbewerber und eine Dokumentationsstelle, die den «politischen Islam» in den Blick nehmen soll, finden sich ebenso darin wie das Verbot von Kopftüchern an Schulen und von gendergerechter Sprache in der Verwaltung.
Angedacht sind auch Entschädigungen für Leute, die unter den Coronamassnahmen gelitten haben, sowie die Kürzung von Sozialhilfe für kinderreiche Familien, was vor allem Eltern mit Migrationshintergrund betreffen dürfte.
Er gilt als umgänglicher und weniger radikal
Und doch ist einiges ungewöhnlich an der Personalie. Zum einen bringt der 48 Jahre alte Kunasek Erfahrung mit der hohen Politik mit. Kunasek, der nach der Pflichtschule eine Ausbildung zum Unteroffizier durchlief, war von 2017 bis 2019 Verteidigungsminister der türkis-blauen Regierung unter Sebastian Kurz, ehe diese nach dem sogenannten Ibiza-Skandal auseinanderflog. Zum anderen ist Kunasek der erste Landeshauptmann seit Jörg Haider, der aus der FPÖ kommt.
Haider, der als eine Art Erfinder des europäischen Rechtspopulismus gilt, regierte das Bundesland Kärnten Ende der Neunziger-, Anfang der Nullerjahre. Nach seinem Unfalltod 2009 kam heraus, dass er tief in einen Bankenskandal verstrickt war und offenbar auch Geld von Saddam Hussein bekommen hatte. Danach hatte das Land erst mal genug von FPÖ-Regierungschefs.
Dass es nun Mario Kunasek gelungen ist, das stark von der ÖVP geprägte Heartland Steiermark fast erdrutschartig für sich zu gewinnen (bei der Landtagswahl im November erhielt die FPÖ 35 Prozent der Stimmen), liegt vor allem an seinen Themen. Wie viele rechtspopulistische Politiker konnte er Kapital aus der Unzufriedenheit mit lokalen Gegebenheiten schlagen.
In seinem Fall war dies der geplante und teure Neubau eines zentralen Spitals in der Obersteiermark, dem mehrere regionale Spitäler zum Opfer fallen würden. Bei einer Volksbefragung in der betroffenen Region hatte sich schon 2019 eine Mehrheit gegen das unbeliebte Spitalprojekt ausgesprochen, Kunasek machte den Protest dagegen nun zum zentralen Wahlkampfthema.
Dubiose Geldflüsse, eine Drogenküche und Nazi-Literatur
Zudem gilt Kunasek als umgänglicher Politiker und weniger radikal als FPÖ-Chef Herbert Kickl. Der hat zwar ebenfalls kürzlich eine Wahl gewonnen, die zum österreichischen Nationalrat im September nämlich, kommt für die anderen Parteien aber nicht als Koalitionspartner infrage. Weswegen sich ÖVP, SPÖ und Neos gerade in Wien abmühen, eine Dreierregierung zustande zu bringen.
Kunasek wird nun in der Steiermark zeigen müssen, ob die FPÖ ein Bundesland seriös regieren kann. Er sei sich bewusst, «dass ganz Österreich auf uns blickt», sagte er in seiner ersten Ansprache im neuen Amt. Er bringt ungünstige Voraussetzungen mit: eine dicke Finanzaffäre, in die die FPÖ der steirischen Landeshauptstadt Graz verwickelt ist. Es ist einer dieser sehr österreichischen Komplexe um dubiose Geldflüsse, bei denen man nicht genau weiss, wo ein Skandal aufhört und der nächste anfängt.
Grob gesagt geht es um die Frage, ob FPÖ-Politiker Steuergeld veruntreut haben; eine Drogenküche in der Wohnung eines FPÖ-Mannes und Dateien mit Nazi-Literatur spielen auch eine Rolle. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Jahren, inzwischen gegen 18 Beschuldigte – von denen einer Mario Kunasek heisst. Der sagte dem ORF, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen und rechne damit, dass die Ermittlungen gegen ihn eingestellt würden. Ansonsten tue er alles dafür, dass die Affäre sauber aufgeklärt und sich Ähnliches nicht wiederholen werde.
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