Olympia-Super-G in PekingMarco Odermatt, oder: ein Häufchen Elend im Ziel
Angetreten mit Mission Gold, scheidet der Nidwaldner aus. Seine letzte Hoffnung: der Riesenslalom am Sonntag. Matthias Mayer steigt derweil auf in einen exklusiven Kreis.
Was hat er nicht gestrahlt in den letzten Wochen und Monaten. Alles flog ihm zu, diesem Marco Odermatt, die Erfolge, die Herzen, er lebte sie wie kein anderer im Skizirkus, die Leichtigkeit des Seins.
Dienstag in Yanqing. Super-G an den Olympischen Spielen. Ein junger Mann hängt über der Absperrung im Zielraum. Der lachende, die Fäuste ballende, jubelnde Marco Odermatt? Zusammengesackt zu einem Häufchen Elend. Teamkollegen kommen vorbei, klopfen ihm aufmunternd auf die Schultern. Es dürfte nicht allzu viel helfen.
Als einer der grossen Favoriten ist der Nidwaldner angetreten zu diesem Rennen, das erst noch der Schweizer Speed-Trainer Reto Nydegger ausgeflaggt hat. Technisch anspruchsvoll, mit einigen Tücken, wie es dem Gesamtweltcupführenden doch so liegt. Es wird ihm zum Verhängnis. Er ist ziemlich rasant unterwegs, doch plötzlich drückt es ihn hinten auf die Ski, er rutscht weg und verpasst ein Tor. Es ist ihm schon am Vortag passiert, bei der Abfahrt, da ging es glimpflich aus. Nun kostet es ihn das Rennen. Und wohl eine Olympiamedaille, ist er doch bei der dritten und letzten Zwischenzeit Drittschnellster gewesen.
«Ich kann mir nichts vorwerfen, ich habe alles probiert, voll riskiert, wäre dabei gewesen. Schade.»
Als der 24-Jährige nach einer Weile der inneren Sammlung vor die Fernsehkamera tritt, sagt er: «Ich kann mir nichts vorwerfen, ich habe alles probiert, voll riskiert, wäre dabei gewesen. Schade.» Aber, sagt er auch noch, hätte er nur ein Prozent weniger riskiert, hätte er es ohnehin vergessen können mit einer Medaille.
Nach Rang 7 in der Abfahrt bleibt Odermatt jetzt noch der Riesenslalom am Sonntag, um aus Peking 2022 doch noch gute Spiele zu machen für ihn, den Überflieger dieses Winters. Eine Medaille im Super-G hätte helfen können, die nächsten Tage ruhiger anzugehen. Nun dürfte die Anspannung bei Odermatt eher wachsen Richtung Wochenende. Dass er auch mit solchen Situationen umgehen kann, hat er in diesem Winter schon bewiesen.
Die Grossanlässe sind noch nicht seins
Das mit den Grossanlässen bei den Grossen will bislang noch nicht so recht klappen bei dem Mann, der an der Junioren-WM 2018 richtig abräumte, Gold in Abfahrt, Super-G, Riesenslalom, in der Kombination und auch noch mit dem Team gewann. In Cortina d’Ampezzo verpasste er im letzten Jahr als Vierter der Abfahrt knapp eine WM-Medaille, schied im Riesenslalom aus und sprach vom «schwärzesten Tag meiner Karriere». Ganz so weit geht er an diesem Dienstag nicht, die Enttäuschung sitzt gleichwohl tief.
Etwas entspannter sieht es da Beat Feuz, auch wenn er ebenfalls ein Tor verpasst hat. Gold in der Abfahrt ist mehr als Trost genug für den Emmentaler. «Es ging mir etwas zu schnell», sagt der 34-Jährige, «ich fuhr bei diesem Tor zu gerade drauflos, es ging nicht auf. Es war wohl der falsche Schnee für mich, der war richtig zügig, es wäre für mich besser gewesen, wäre es gemütlicher dahingegangen.» Das wird es für ihn dafür in den nächsten Tagen. Für Feuz ist Olympia schon wieder vorbei, er reist zurück nach Oberperfuss bei Innsbruck, wo die Freundin und die beiden kleinen Töchter warten. Auf ihn. Und die Goldmedaille.
Auf einer Ebene mit Tomba und Killy
Eine solche wird auch Matthias Mayer präsentieren können in der Heimat. Der 31-Jährige ist eine Art Olympiaphänomen. Am Vortag gewann der Österreicher in der Abfahrt Bronze, machte den ganzen Marathon mit Siegerzeremonie und Medienkonferenzen mit, erst um 18 Uhr kam er ins Hotel. Und ist dann doch wieder bereit, wenn es zählt. Obwohl: So ganz bereit scheint er erst nicht. Schon oben, noch im Starthäuschen, hat er seinen Schreckmoment. Als er die Stöcke in die Aluminiumkonstruktion im Schnee stecken will, bleibt er hängen, rutscht nach vorn, öffnet mit seinen Beinen beinahe das Törchen für die Zeitmessung, schiebt sich aber rechtzeitig zurück und stösst sich ab. Zur Goldfahrt.
2014, 2018, 2022, jedes Mal hat Mayer Gold gewonnen, zweimal im Super-G, 2014 in der Abfahrt. Bei elf Weltcupsiegen ist das eine ordentliche Quote. Er zieht damit gleich mit Alberto Tomba, Jean-Claude Killy und Toni Sailer, Grössen, wenn nicht Riesen des Skisports. Einzig Kjetil André Aamodt hat noch einmal mehr gewonnen bei Olympia. «Ich habe mich intensiv auf diese Rennen vorbereitet, die Verhältnisse waren super, windstill, die Piste perfekt, ich wollte nur noch runter und alles geben», sagt Mayer. Es ging auf. Sein Geheimrezept? Am Abend zuvor habe er noch «ein Bierchen» geöffnet mit seinen Teamkollegen und Betreuern.
Das dürfte am Dienstagabend auch Ryan Cochran-Siegle tun. Der 29-jährige Amerikaner, im Weltcup erst zweimal auf dem Podest, gewinnt überraschend Silber. Nur vier Hundertstel fehlen ihm zum noch grösseren Coup – und das ein Jahr, nachdem er auf der Streif von Kitzbühel mit einem heftigen Sturz für einen grossen Schrecken sorgte. Tags darauf sass er mit Halskrause im Zielraum und verfolgte die zweite Abfahrt – gänzlich unerschrocken. So fuhr auch Aleksander Kilde, es reicht zu Bronze. Der Norweger war einer der meistgenannten Favoriten. Neben Odermatt. Der von den Gegnern für einmal statt Bewunderung nur eines bekommt: Trost.
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