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Urteil des Bundesgerichts
Mann kämpft mit DNA-Beweis um Auflösung der Vaterschaft – vergeblich

Ein Vater kuemmert sich um seine Tochter in Kilchberg am 21. September 2017.
(KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Über 20’000 Männer unterschreiben in der Schweiz jährlich eine Vaterschaftsanerkennung. Sind die Eltern eines Kindes nicht verheiratet, kann ein Vater damit die Verbindung zum Kind offiziell eintragen lassen. Die meisten tun das bereits vor der Geburt.

Nur: Was, wenn der Vater feststellt, dass das Kind doch nicht von ihm stammt?

Mit dieser Frage befasste sich kürzlich das Bundesgericht. Es hat über einen Fall entschieden, der viele Fragen aufwirft. Die Westschweizer Zeitung «Tribune de Genève» hat zuerst darüber berichtet.

Im Zentrum steht ein Mann aus Genf. 2013 hat er kurzzeitig eine Beziehung mit einer Frau aus dem Kanton Bern, die während dieser Zeit schwanger wird. Sie bringt Anfang 2014 einen Jungen zur Welt, daraufhin unterzeichnet der Mann die Vaterschaftsanerkennung. Er verpflichtet sich dazu, der Mutter des Kindes Unterhaltskosten von 250 Franken pro Monat zu bezahlen.

Dann erfährt er: Das Kind hat eine Erbkrankheit. Eine sogenannte Sichelzellenanämie, eine Erkrankung der roten Blutkörperchen. Sie kann nur vererbt werden, wenn beide Eltern das Gen in sich tragen. Der Mann geht davon aus, dass auch er Träger des Gens sein muss.

Gericht beharrt auf Jahresfrist

Als er sich neu verliebt, führt er mehrmals Gentests durch. Beim ersten Test 2019 stellt sich heraus, dass er nicht Träger des Gens ist. Ein Jahr später macht er einen zweiten Test mit demselben Ergebnis.

Im Frühling 2021 schliesslich will es der Mann genau wissen. Er macht unter Einwilligung der Mutter des Kindes einen DNA-Test. Das Resultat: Er ist nicht der biologische Vater.

Der Genfer will die Vaterschaftsanerkennung rückgängig machen lassen und den Eintrag im Zivilstandsregister entsprechend ändern. Dafür muss er eine Anfechtungsklage einreichen, was er drei Monate nach dem DNA-Test tut.

Doch das zuständige Kantonsgericht in Genf weist die Klage ab. Sie sei verjährt, so die Begründung. Weil der Mann spätestens seit den zweiten Untersuchungen Anfang 2020 «erhebliche Zweifel» an seiner Vaterschaft gehabt haben müsse. Mit der Klage wartete er über ein Jahr – und das ist gemäss Rechtsprechung zu lange.

Das Zivilgesetzbuch schreibt nämlich vor, dass der Mann die Klage innerhalb eines Jahres, «seitdem er den Irrtum entdeckte», hätte erheben müssen.

Zwar kann diese Frist gemäss Gesetz unbegrenzt verlängert werden. Dafür müsste der Mann aber «berechtigte Gründe» haben. Diese gab es auch gemäss Bundesgericht nicht, das nun die Beschwerde des Mannes abgeschmettert hat. Formal bleibt der Mann also Vater des heute neunjährigen Kindes. Auch wenn er den Beweis hat, dass er nicht der biologische Vater ist.

Mutter war einverstanden – das Gericht nicht

«Das Urteil ist enttäuschend, weil es zeigt, wie übertrieben formell die Richter vorgehen», sagt der Anwalt des Mannes, Andrea von Flüe. Dies umso mehr, als sogar die Mutter des Kindes dem Gericht schriftlich mitgeteilt habe, dass sie mit der Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung einverstanden sei.

«Für meinen Mandanten war es ein Schock, zu erfahren, dass er nicht der Vater ist», sagt von Flüe. Die Richter würden nicht verstehen, dass eine solche Entscheidung Zeit benötige. Vor dem Bundesgericht rechtfertigte sich der Mann zudem damit, dass er keine medizinische Ausbildung habe und daher nicht sicher gewesen sei, ob das fehlende Gen zwangsläufig bedeute, dass er nicht Vater des Kindes sein könne. Als er die klare Antwort durch den DNA-Test erhielt, habe er umgehend gehandelt, so seine Erklärung.

Es ist gemäss dem Kläger nicht zuletzt im Interesse des Kindes, «seinen wahren Vater zu kennen». Zumal er den Jungen heute nicht mehr sehe, auch die Mutter nicht.

Bundesrat berät über längere Fristen

Das Thema liegt zurzeit auch auf dem Tisch des Bundesrats. Im Frühling des vergangenen Jahres hat der Nationalrat einen Vorstoss an die Regierung überwiesen, der ein zeitgemässes Abstammungsrecht verlangt. Schon Ende 2021 befand der Bundesrat, dass das geltende Recht der gesellschaftlichen Realität nicht mehr gerecht werde.

Er hatte eine externe Expertengruppe damit beauftragt, den Reformbedarf zu prüfen. Diese hat zahlreiche Empfehlungen ausgearbeitet, unter anderem zu den Anfechtungsfristen bei unverheirateten Paaren.

Die Mehrheit der Expertinnen und Experten war der Ansicht, dass eine absolute Frist zum Anfechten der Vaterschaftsanerkennung eine «willkürliche Schranke» darstelle. «Eine blosse Zeitschranke lässt das Kindeswohl ausser Acht», heisst es im Bericht. Die Gruppe schlug deshalb vor, dass die Frist flexibler gestaltet wird. Der Bundesrat muss nun bis spätestens Frühling 2024 eine Reform vorlegen.