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Olivier Jornot kandidiert als Bundesanwalt
Manchmal wird er wild

Olivier Jornot ist furchtlos und wird im direkten Gespräch auch mal ziemlich direkt. Nun bewirbt sich der 51-jährige Genfer Generalstaatsanwalt für das Amt als Bundesanwalt. 
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Er ist furchtlos und emotional, er denkt schnell und liebt die Macht. In gewissen Momenten kumuliert sich alles und bricht aus ihm heraus. «Es gibt nur etwas Schlimmeres als ein Franzose: ein Deutschschweizer», entfuhr es dem Genfer Generalstaatsanwalt Olivier Jornot bei einer Diskussion im Innenhof des Justizpalastes. Im lockeren Gespräch kann er schon mal direkt werden und seinen derben Humor zeigen.

Nun will Olivier Jornot in ebendiese Deutschschweiz dislozieren, ins Zentrum der Macht, nach Bundesbern. Der 51-jährige Genfer ist bislang der einzige Kandidat, der seine Bewerbung als Bundesanwalt öffentlich gemacht hat. Insgesamt sechs Kandidaturen sollen bei der Gerichtskommission der Eidgenössischen Räte eingegangen sein. Das berichtete die Redaktion CH Media am Donnerstag.

Jornot informierte seine 43 Staatsanwälte am Wochenende über seine Pläne. Sie erstaunten niemanden. Sein Interesse am Posten war bekannt. Aus der Staatsanwaltschaft heisst es, seine Arbeitskraft und sein Organisationstalent seien beeindruckend. Doch Jornot hat ein anderes Problem: Zwar pflegt er zu kantonalen Staatsanwälten gute Beziehungen, aber im Bundeshaus kennen ihn nur wenige. Parlamentarier fragen sich: Wer ist der Mann? Über seine Kandidatur wolle er derzeit nicht öffentlich reden, teilt Jornot auf Anfrage mit.

«Ich war 15 Jahre alt und mochte klare Ideen.»

Olivier Jornot, Genfer Generalstaatsanwalt

Kaum eine Genfer Persönlichkeit ist so bekannt – und wegen seiner Machtfülle so umstritten – wie der Generalstaatsanwalt. Die Biografie des 51-jährigen Olivier Jornot erinnert an einen Hochbegabten auf der Suche nach seiner wahren Berufung. Als junger Mann studierte er an der Universität Genf gleichzeitig Geisteswissenschaften, Theologie und Rechtswissenschaften und schloss sämtliche Fächer mit dem Lizenziat ab. Doch da ist nicht nur ein wacher, neugieriger Geist: Politisch engagierte sich Jornot bei den «Vigilants», einer rechtsnationalen, ausländerfeindlichen Gruppierung. Über diese Episode sagte Jornot später: «Ich war 15 Jahre alt, minderjährig, und ich mochte klare Ideen.» Einmal volljährig, sei er dann der Liberalen Partei beigetreten. Er stieg auf bis zum Parteipräsidenten, bevor die Partei mit den Radikalen fusionierte und in der FDP aufging. Für die Liberalen sass Jornot im Genfer Grossrat, nebenbei arbeitete er als Anwalt und beendete seine Militärkarriere im Rang des Obersten.

2012 wählte ihn das Volk als Generalstaatsanwalt. Seine politische Karriere war damit zu Ende. In seinem Auftreten und seinen Aktionen ist Olivier Jornot gleichwohl Politiker geblieben. Welcher andere Staatsanwalt wäre mit einem Communiqué in eine Kantonsratssitzung geplatzt und hätte ein Strafverfahren gegen einen Regierungsrat angekündigt, wie Jornot es im Fall Pierre Maudet tat?

Delikate Deals

Seine Behörde trimmte er in den letzten Jahren auf Effizienz und willigte in breit kritisierte Deals ein. 2015 beschlagnahmte Jornots Behörde beim Genfer Ableger der Grossbank HSBC kistenweise Material zu problematischen Kundenkonten, über die Journalisten wegen des Datenlecks «Swissleaks» weltweit berichtet hatten. Vier Monate später anerkannte die Bank «frühere organisatorische Defizite» und bezahlte 40 Millionen Franken Wiedergutmachung in die Genfer Staatskasse.

Für die Staatsanwaltschaft war der Fall damit abgeschlossen. Doch der Deal irritierte Bundesparlamentarier wie Daniel Jositsch (SP, ZH). «Heute können sich bei komplizierten Wirtschaftsfällen die Verdächtigen in manchen Fällen freikaufen, vor allem, wenn es um viel Geld geht», sagte Jositsch. «Aus rechtsstaatlicher Sicht ist das sehr fragwürdig.»

Ein ebenfalls 2015 geschlossener Deal erzürnte Genfer NGOs. Olivier Jornot einigte sich mit seinem Parteikollegen, Anwalt und Nationalrat Christian Lüscher darauf, von weiteren Gerichtsverfahren gegen Lüschers nigerianischen Klienten Abba Abacha abzusehen. Bis dahin hatte Jornots Behörde dem Sohn des 1998 verstorbenen nigerianischen Potentaten Sani Abacha «Beteiligung an einer kriminellen Organisation» vorgeworfen und gar Verurteilungen erreicht. Nun liess Jornot aber von Abacha ab und erlaubte, dass 370 Millionen Dollar eingefrorener Abacha-Gelder nach Nigeria flossen. Am Deal verdiente Lüschers Kanzlei kräftig mit.

Jornots Verhandlungsbereitschaft beschränkte sich vor allem auf den Umgang mit Wirtschaftskriminellen. Druck machte er hingegen auf Strassendealer und Migranten. Unter ihm steckte die Genfer Staatsanwaltschaft selbst Leute ins Gefängnis, nur weil ihnen eine Aufenthaltsbewilligung fehlte. Auch darum nahm die Überbelegung im Untersuchungsgefängnis Champ-Dollon ein gefährliches Ausmass an. Die Situation hat sich nicht entspannt.

Wilder Tanz in der Garçonnière

2016 geriet der 51-Jährige wegen seines Privatlebens in die Schlagzeilen. Nach einem offiziellen Essen mit seinen Staatsanwälten zog Jornot mit einer Gruppe weiter für eine After-Hour-Party im Nachtclub Garçonnière. An der Party tanzte Jornot lasziv und zügellos und machte einer jungen Kollegin Avancen. Das Problem war: Jornots offizielle Freundin, ihrerseits Staatsanwältin, hatte sich vor dem Gang in die Garçonnière verabschiedet und war nach Hause gegangen.

Jornot hatte nun doppelten Ärger. Die Aufsicht über die Staatsanwaltschaft prüfte, ob eine Liebesbeziehung zwischen Staatsanwälten gegenüber geltendem Recht standhielt und ob er sich gegenüber der jungen Kollegin ungebührlich benommen hatte. Jornot kam ohne Sanktion davon.

Den SVP-Nationalrat und Genfer Anwalt Yves Nidegger beschäftigt der Fall noch heute. Er hatte Jornots Liebesbeziehung der Aufsichtsbehörde gemeldet. Gegen Jornot reichte er später eine Strafanzeige ein, weil dieser ihm via eine gemeinsame Bekannte gedroht haben soll, er werde ihn von den Genfer Gerichten ausschliessen.

«Er lernt aus Fehlern, er ist wandelbar.»

Carlo Sommaruga, Genfer SP-Nationalrat

Vor wenigen Monaten bezeichnete Nidegger Jornot als «Borderline-Persönlichkeit». Doch aktuell will er weder über den Vorfall noch über Jornot sprechen. Jornot wiederum betont, die junge Frau, die er im Nachtclub Garçonnière antanzte, sei heute seine Ehefrau. Der Genfer SP-Nationalrat Carlo Sommaruga sagt: «Er lernt aus Fehlern. Er ist wandelbar.»

Mit seinem Interesse am Amt des Bundesanwalts macht Jornot deutlich: Er hat genügend Selbstvertrauen, die krisengeschüttelte Bundesanwaltschaft zu übernehmen und wieder aufzurichten. Wie in Genf würde er wohl die Anklage in prominenten Strafprozessen persönlich übernehmen. Er tat stets alles, um seine Prozesse zu gewinnen. Bei seinem Ehrgeiz konnte es im Innenhof des Genfer Justizpalastes beim Austausch mit Journalisten schon mal hitzig werden. Als eine SRF-Journalistin Jornot in einem Mordprozess um eine Einschätzung bat, fauchte er sie an, ihr Kameramann solle seine Kamera ausschalten, «sonst poliere ich ihm die Fresse». Einige Sekunden später stand er wieder da und bat voller Reue um Entschuldigung.

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