Manfred Krugs MemoirenMan wusste, woran man mit ihm war
Der 2016 verstorbene Künstler überzeugte nicht nur als Schauspieler und Sänger. Wie seine posthum aufgetauchten Tagebücher bestätigen, konnte der Mann auch schreiben.
Als er beinahe starb mit sechzig Jahren, brachte er zwei Familien zusammen. Und beide waren seine. Der Schauspieler hatte einen Schlaganfall erlitten, der Krankenwagen fuhr ihn mit Blaulicht in die Berliner Charité, Manfred Krug lag auf dem Schragen, konnte sich nicht mehr bewegen und auch nicht reden und dachte, jetzt sei es vorbei mit ihm. Stattdessen überlebte er und bekam Besuch. Von seiner Frau Ottilie und den drei Kindern. Und von seiner Geliebten Petra mit der kleinen Tochter, die er mit ihr hatte. So lernten sich alle kennen.
Der Ehemann, Geliebte und vierfache Vater überbringt die Anekdote mit der ihm eigenen Selbstironie. Sie steht in seinen Tagebüchern, die jetzt unter dem Titel «Ich sammle mein Leben zusammen» erscheinen. Die Memoiren hat Krug zwar schon in den Jahren 1996-1997 geschrieben. Die Kinder fanden sie aber erst nach seinem Tod vor sechs Jahren. Jetzt werden die damaligen Texte des ostdeutschen Schauspielers, Sängers und Autors veröffentlicht, der mit seinen Auftritten in der Serie «Liebling Kreuzberg» und als «Tatort»-Kommissar zu den beliebtesten Schauspielern Deutschlands gehörte.
Stilsicher, unsentimental
Bei ihm wusste man immer, woran man war. Das merkte auch die Einheitspartei der DDR, als sich Manfred Krug öffentlich zum ausgewiesenen Liedermacher Wolf Biermann bekannte. Und sich damit nicht nur in Gefahr brachte, sondern um jede Berufschance. Krug, der in der DDR ausgesprochen populär war und sich in Filmen wie dem drei Tage nach der Premiere verbotenen, immer noch grossartigen «Spur der Steine» schon früh mit dem Regime angelegt hatte, erhielt ein radikales Berufsverbot, weshalb er 1977 ausreisen musste. «Abgehauen», die Erinnerung an seine Heimat und die Umstände seiner Verfemung, wird bis heute als beklemmende Niederschrift zum Thema gelobt und erreichte in Ost und West ein Millionenpublikum.
«Trostlosigkeit, so weit das Auge reicht.»
Mehrmals kommt er in den neuen Memoiren auf das Buch und die Reaktionen darauf zurück. Auch die DDR hat ihn nicht losgelassen. Und was immer er über sie schreibt, er tut es stilsicher und unsentimental: «Trostlosigkeit, so weit das Auge reicht», beschreibt er eine damalige Fahrt durchs Land, «die Landschaft noch völlig winterlich braun und tot, Staus ohne Ende auf der breiten Chaussee, die von ruhenden Baggern und Kränen verstellt ist.» Ruhende Bagger: so präzis, so boshaft.
Ebenso klar teilt er uns seine Meinungen zu Kollegen, Filmen, Drehbüchern, Prominenten, Werbern und Politikern mit. Er schreibt Drehbücher um, selbst jene seines Jugendfreundes Jurek Becker («Jakob der Lügner»), und obwohl er sich immer wieder für Werbespots hergibt, redet er auch dort den Sponsoren in allem drein. Besonders regt ihn auf, wenn Bekannte von ihm Sätze sagen wie «Ah, typisch Manfred Krug». Er bittet sie, sofort damit aufzuhören. Den ganzen Tag habe er Mühe damit, schreibt er, seine sogenannte Prominenz zu neutralisieren. «Ehe ich mit einem Menschen zu einem Gespräch komme, muss ich ihn erst auf die Tatsache konditionieren, dass ich ein Mitmensch bin, der sich nach Unbefangenheit sehnt.»
Der Drehbuchautor seiner selbst
Aber das war bei ihm nicht möglich, wie diese Aufzeichnungen belegen, gerade weil seine direkte Art so ungewöhnlich war und so gut zu ihm passte. Dazu gehört, dass er im Tagebuch ungeniert über seine Einschaltquoten und andere Erfolge prahlt. Bei jedem anderen klänge das peinlich, bei ihm wirkt es nur sonnig und zufrieden. Dazu kommt, dass Krug ebenso uneingeschränkt über Alter, Sterben und Tod schreiben kann. Wer ihn aus seinen Filmen und Serien kennt, wird ihn in diesen Aufzeichnungen lesen wie den Drehbuchautor seiner selbst.
Manfred Krug: Ich sammle mein Leben zusammen. Tagebücher 1996-1997. Kanon-Verlag, Berlin 2022. 208 S., ca. 34 Fr.
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