Interview mit Weltmeister Odermatt«Man muss nicht der Netteste sein, sondern der Schnellste»
Der Nidwaldner ist zum zweiten Mal Weltmeister. Er sagt, warum die Gefühle nicht die gleichen sind wie beim ersten Mal – und wo er sich noch selbst überrascht.
Ein aufregendes Rennen, die zweite Goldmedaille. Was ist Ihr Fazit?
Es war ein weiterer grossartiger Tag für mich. Es war definitiv ein harter Lauf. Der Berg war schwierig, der Schnee, das Licht, die Kurssetzung, vor allem im ersten Lauf. Man musste immer arbeiten und pushen, das machte es nicht einfach heute.
Vor Ihrem zweiten Lauf wurde es immer dunkler. Haben Sie noch genug gesehen?
Es war ein Blindflug, das habe ich noch nicht oft erlebt. Ich weiss nicht, ob es bei allen so war oder meine Augen nicht auf scharf gestellt haben. Ich startete und hatte gleich Mühe, klar zu sehen.
Hatten Sie Gold nach den ersten Zwischenzeiten von Marco Schwarz schon abgeschrieben?
Ja, ehrlich gesagt schon. Ich war zufrieden, in Führung zu sein und eine Medaille auf sicher zu haben, dann auch noch mit Loïc zusammen. Ich glaubte aber keine Sekunde daran, dass es reicht. Ich wachte am Morgen auf und dachte mir: Wäre schön, noch einmal zu gewinnen. Aber ich wäre auch mit einer anderen Medaille zufrieden gewesen, weil ich das grosse Ziel, die Goldmedaille, bereits erreicht habe.
Staunen Sie zum Teil selbst über Ihre mentale Stärke?
Irgendwie schon, ja. Auch darüber, dass es halt immer aufgeht. Dann macht Marco Schwarz doch noch die zwei Fehlerchen und es reicht ihm nicht. Das überrascht manchmal schon etwas. Ich war immer einer, der angriff, und es hat auch schon nicht funktioniert, zum Glück wird das Risiko aber meistens belohnt.
Wie war Ihr Mindset vor dem Start?
Gleich wie immer. Ich musste pushen, ich schaffe das fast jedes Mal und bin deswegen nicht mehr so nervös. Aber man weiss ja nie, was der Fahrer vor und nach dir macht. Darum muss man immer attackieren.
Am Sonntag nach Abfahrtsgold waren Sie sehr emotional, nun machen Sie einen gefassten Eindruck.
Ja, die zwei Erfolge kann man auf emotionaler Ebene fast nicht miteinander vergleichen. Was ich bei der Abfahrt erlebte, hatte ich so noch nie erlebt, die Emotionen explodierten. Heute ist das anders.
Wie erging es Ihnen in den Tagen dazwischen?
Es wurde immer etwas ruhiger. Ich machte nach der Abfahrt zwei Tage Pause, die brauchte ich auch für den Körper und den Kopf. Dann trainierte ich noch einige Läufe Riesenslalom, die okay waren, aber nicht gerade «wow». Darum bin ich schon sehr zufrieden, dass es jetzt geklappt hat.
Wie ist es, das Podest mit Loïc Meillard zu teilen?
Für das Team ist es immer besser, zwei auf dem Podest zu haben statt nur einen. Wir arbeiten so hart jeden Tag und in jedem Training, wir pushen einander. Unser Trainer steckte den Kurs für den zweiten Lauf und wir lieferten. Das ist unglaublich.
In der Abfahrt kämpften Sie gegen Ihren grossen Gegner Aleksander Kilde, nun gegen Teamkollege Loïc Meillard. Was war schwieriger?
Am Ende steht man alleine im Starthaus und will so gut wie möglich Ski fahren. Da spielt es nicht so eine grosse Rolle, gegen wen man fährt. Aber klar, die letzten zwei Jahre kämpfte ich mehr gegen Aleksander, wir waren, glaube ich, schon fast 20-mal zusammen auf einem Podest. Mit Loïc vielleicht drei- oder viermal. Es macht auf jeden Fall mehr Spass, das Podest mit einem Teamkollegen zu teilen.
Wie ist Ihre Beziehung abseits der Piste?
Wir sind nun seit ungefähr sieben Jahren Teamkollegen, teilen mehr oder weniger das gleiche Leben. Wir reisen oft zusammen, spielen Karten oder Tennis, verbringen gerne Zeit miteinander.
Henrik Kristoffersen sagte, Sie seien zweifellos der Schnellste, aber es gebe manche Fahrer, die technisch besser seien. Was sagen Sie dazu?
Ich hatte heute nicht die beste Technik, ich bin mehr der Fighter. So ist das Skirennfahren aber, man muss nicht der Netteste sein, sondern der Schnellste.
Im Weltcup geht es nun weiter nach Nordamerika. Wie erholen Sie sich?
Jetzt können wir ein paar Tage nach Hause, aber am Dienstag fliegen wir schon wieder. Ich freue mich auch, man ist da immer etwas ab vom Schuss. Ich bin auch Anfang Saison gerne dort, es gibt keine Medien, sonst nicht viel zu tun, zu Hause schlafen alle. Das ist immer relativ entspannt.
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