TV-Kritik zu «Helvetica»Mais im Bundeshaus – und zu viel Berndeutsch
Die Westschweizer Serie «Helvetica» gibts jetzt auch auf Schweizerdeutsch. Bloss: Die Synchronisierung zerstört den Plot.
Die Bundespräsidentin hat Dreck am Stecken. Um als Befreierin einer Schweizer Geisel im besten Licht dazustehen, verkauft sie einem Terroristen Streubomben, die eigentlich in der Schweiz vernichtet werden sollten. Und als eine Mitarbeiterin den Deal aufzudecken droht, sagt sie nur ein Wort: «Eliminieren!» Schon rennt ein Bundesweibel mit der Pistole los.
Die Bündner Schauspielerin Ursina Lardi spielt diese Politikerin, die Wert darauf legt, als «Frau Bundespräsidentin» angeredet zu werden, mit Genuss. Macht macht einsam, scheint sie bei jedem Auftreten auszudrücken. Zum Ausgleich unterhält sie eine Beziehung zu einer Mitarbeiterin, lässt es sich im Hamam gut gehen und bestellt ab und zu einen Boy nach Hause in die Berner Altstadt. Am nächsten Tag warten wieder die diplomatischen Verstrickungen. Und die Terroristen.
Putzen und spionieren
Aber das ist noch lange nicht alles in der Westschweizer Serie «Helvetica», mit der das SRF dieses Wochenende das Deutschschweizer Publikum bombardiert (mit drei Folgen am Samstag zur besten Sendezeit, drei Folgen am Sonntag). In die Ränkespiele sind weitere Hauptpersonen involviert: ein Bundespolizist (Roland Vouilloz), der das Rampenlicht scheut, sowie die Reinigungsfachfrau Tina (Flonja Kodheli), die im Bundeshaus putzt und spioniert. Mit dieser allerdings macht die Bundespräsidentin bereits bei der ersten Begegnung Duzis.
Es ist tatsächlich eine ziemliche Bombe, welche die Genfer Produktionsgesellschaft Rita – von ihr stammt der Schweizer Oscarfilm «La vie de Courgette» – und das Westschweizer Fernsehen RTS mit «Helvetica» produziert haben. Die Ereignisse überschlagen sich, die kosovarische Familie der Putzfrau ist ebenfalls in die explosiven Geschäfte verwickelt, es gibt eine 16-jährige Tochter, die vergewaltigt wird, und zahlreiche Nebenschauplätze. Dazu immer wieder Bundesbern im schönsten Licht, gern auch mit Drohnenaufnahmen (im echten Bundeshaus durfte allerdings nicht gedreht werden, als Ersatz diente das Universitätsgebäude).
Im Original, das im letzten November Westschweizer TV-Premiere hatte, wurde hauptsächlich Französisch gesprochen, aber die Serie überzeugte durch Sprachvielfalt: Albanisch, Arabisch, und die Bundespräsidentin liess auch ein paar Brocken Schweizerdeutsch einfliessen. Für die Ausstrahlung in der Deutschschweiz liess die SRG nun erstmals für eine Serie aus der Romandie eine Mundartfassung herstellen. Komischerweise bringt das breite Berndeutsch, in dem viele Menschen nun parlieren, uns diese nicht näher. Im Gegenteil.
Dialekt wie ein verhüllender Teppich
Der Dialekt legt so etwas wie einen grossen Teppich über das Geschehen, besonders, wenn die Synchronisation unsorgfältig ist und die Protagonisten neben den Mundbewegungen vorbeireden. Störend ist auch, dass einige in der Deutschschweiz doch einigermassen bekannte Stimmen eingesetzt werden und jetzt Gesichtern zugeordnet sind, die fremd wirken. Verwirrt und etwas rausgeschmissen, beginnt man sich deshalb auch Fragen zum Inhalt zu stellen: Wieso geht die Putzfrau nicht zur Polizei? Würde ein Bundespolizist wirklich so handeln? Wer bleibt noch übrig als Oberbösewicht, wenn fast alle wichtigen Personen schon aufgebraucht sind?
Das ist der Tod für jeden Thriller, man sieht nur noch Klischees und Unglaubwürdigkeiten. Dabei gäbe es durchaus gute Ansätze. Einer der besten Dialoge kommt gleich in der ersten Folge. Die Präsidentin wird von einem Bundesratskollegen mit folgenden Worten angegriffen: «Du bist doch nur da, weil du eine Frau bist.» Sie gibt lächelnd zurück: «Und du nur, weil du ein Tessiner bist.»
«Helvetica»: Wer die Serie verpasst hat, kann sie 30 Tage lang auf SRF Play nachholen. Dort gibts auch die französische Fassung.
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