Bankensoftware-Hersteller TemenosMachtkampf führt zu Rücktritt bei Schweizer Tech-Vorzeigefirma
1,2 Milliarden Menschen und 3000 Banken benutzen ihre Produkte jeden Tag. Doch nun knallts beim Topshot der Schweizer IT-Branche: Chef Max Chuard wirft das Handtuch.
Eigentlich sollte sich der Genfer Bankensoftware-Hersteller Temenos auf den Jahresabschluss und ein für den 20. Februar angekündigtes Strategie-Update konzentrieren. Doch ein Machtkampf zwischen einem neuen Investor und dem Management reisst Baustellen auf: Wie Temenos am Montagmorgen mitteilte, tritt Firmenchef Max Chuard auf eigenen Wunsch zurück.
Eine Nachfolgesuche sei eingeleitet, bis spätestens Ende 2023 soll der Posten neu besetzt werden. Interimistisch übernimmt Verwaltungsratspräsident Andreas Andreades die Aufgaben des Firmenchefs. Gleichzeitig werde Andreades an der nächsten Generalversammlung aus dem Verwaltungsrat ausscheiden. Sein Stellvertreter Thibault de Tersant soll neuer Präsident werden.
Chuard wie Andreades teilen mit, mit ihren Rücktritten den Weg frei für eine neue Generation von Führungskräften machen zu wollen.
3000 Banken nutzen die Software
Temenos gilt als eine der grössten Erfolgsgeschichten der Schweizer Techbranche. Die Software des Konzerns läuft bei vielen Bankhäusern weltweit im Hintergrund von Finanztransaktionen. Derzeit nutzen 3000 Banken in über 150 Ländern die Produkte von Temenos. Täglich wickeln somit über 1,2 Milliarden Personen ihre Bankgeschäfte über die Plattformen der Firma ab.
Eine entscheidende Rolle für den Aufstieg zu einer Börsenbewertung von teilweise mehr als 12 Milliarden Franken spielte Andreas Andreades, der das Unternehmen von 2003 bis 2011 als Firmenchef führte und als exekutiver Verwaltungsratspräsident weiter eine zentrale operative Rolle innehat.
Zurzeit beträgt die Marktkapitalisierung von Temenos knapp 4,1 Milliarden Franken. Seit Mitte 2019 ist der Aktienkurs der Firma um fast 70 Prozent eingebrochen. Bei den Anlegerinnen und Anlegern kommt der Wechsel an der Spitze des Unternehmens gut an: Bei Handelsbeginn am Vormittag legte der Titel um bis zu 6,6 Prozent zu.
Mit dem Engagement des britischen Investors Petrus Advisers im Herbst 2022 kam es zu Turbulenzen. Anfang Oktober 2022 hatte der Fonds eine Aktienposition von weniger als 3 Prozent bei Temenos öffentlich gemacht und mehrere offene Briefe an das Management geschrieben. Die Kritik drehte sich um den schwächelnden Aktienkurs und die Firmenkommunikation.
Die Kampagne des aktivistischen Fonds zielte vor allem gegen Verwaltungsratspräsident Andreades und Firmenchef Chuard. Mit beiden seien auch «nicht wenige Schweizer Investoren seit geraumer Zeit unzufrieden», schrieb die «Finanz und Wirtschaft» am Samstag.
Ob Martin Ebner auch dazugehört, ist unbekannt. Der Financier ist mit einem Anteil von 10 Prozent der grösste Einzelaktionär von Temenos. Ebner nahm bislang öffentlich keine Stellung zu den Vorgängen beim Softwarehersteller.
Investor verlangt Absetzung des Managements
Das Fass zum Überlaufen brachte eine Gewinnwarnung kurz vor dem dritten Quartal. Petrus forderte die Absetzung des Managements und bezeichnete Chuard und Andreades in einem offenen Brief als «Individuen, die ihre Chance hatten, fehlgezündet haben und nun gehen müssten».
Auf die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen den Rücktritten und den Aktionen von Petrus gibt, ging ein Temenos-Sprecher nicht direkt ein. Er sagte auf Anfrage, dass eine Nachfolgeregelung im Management und Verwaltungsrat «schon seit einiger Zeit im Gang» sei. Dieser Prozess habe sich jedoch wegen der Coronakrise und der «Notwendigkeit, das Unternehmen zu schützen», in die Länge gezogen.
Der baldige Wechsel könne deshalb mit Blick auf die lange Firmenzugehörigkeit des Präsidenten und Unternehmenschefs «den Markt nicht besonders überraschen», so der Temenos-Sprecher.
Im vierten Quartal 2022 ist derweil der Umsatz um 4 Prozent auf 277,9 Millionen US-Dollar zurückgegangen. Der Betriebsgewinn brach um 27 Prozent auf 93,9 Millionen ein. Die hohe Inflation habe sich erheblich auf die Kosten ausgewirkt, kommentierte Temenos. Das Reinergebnis sowie eine Prognose für 2023 will Temenos am 20. Februar kommunizieren.
Mit Material der «Finanz und Wirtschaft» und der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA).
Fehler gefunden?Jetzt melden.