Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Erzwungene Ryanair-Landung
Lukaschenko: Hinweis auf Sprengsatz kam aus der Schweiz – EDA dementiert

Hat der Öffentlichkeit erklärt, wie es zu dem Vorfall gekommen ist – und weitere Zweifel gesät: Alexander Lukaschenko.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Nach nahezu einhelliger internationaler Kritik an der erzwungenen Landung eines Passagierflugzeugs in Weissrussland hat Machthaber Alexander Lukaschenko die Aktion verteidigt.

«Ich habe rechtmässig gehandelt, indem ich die Menschen geschützt habe – nach allen internationalen Regeln», sagte Lukaschenko am Mittwoch im Parlament in Minsk, wie das Staatsfernsehen berichtete. Die Behörden hatten die Landung am Sonntag genutzt, um den Regierungskritiker Roman Protassewitsch am Flughafen verhaften zu lassen.

Keine Meldung aus der Schweiz

Lukaschenko sagte zunächst ohne nähere Erläuterung, Weissrussland habe aus der Schweiz die Information bekommen, dass sich ein Sprengsatz an Bord des Flugzeugs befinde. Deshalb sei das Flugzeug, das auf dem Weg nach Litauen war, mit Unterstützung eines Kampfjets nach Minsk umgeleitet worden.

Die Schweizer Behörden haben allerdings keine Kenntnisse von einer Bombendrohung auf dem Ryanair-Flug. Das teilte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Mittwoch mit. «Dementsprechend gab es auch keine Meldung der Schweiz an die belarussischen Behörden», erklärte EDA-Sprecher Pierre-Alain Eltschinger in einer kurzen Stellungnahme. Weitere Angaben machte er nicht.

«Eine absolute Lüge»

Kritiker werfen Lukaschenko einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr vor. Die EU hat wegen der Aktion neue Sanktionen gegen den Machtapparat in Weissrussland auf den Weg gebracht. Dazu gehört auch ein Flugverbot für Fluggesellschaften der Ex-Sowjetrepublik.

«Dass die Maschine mit einem Kampfjet vom Typ MiG-29 zur Landung gezwungen wurde, ist eine absolute Lüge!», sagte Lukaschenko. Weissrussland habe aus Sicherheitsgründen gehandelt, weil das Flugzeug über das Atomkraftwerk des Landes geflogen sei.

Weissrussland hatte am Sonntag eine Ryanair-Maschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius unter dem Vorwand einer Bombendrohung und mit einem Kampfjet zur Zwischenlandung in Minsk gezwungen. Dort wurden der im Exil lebende Protassewitsch und seine aus Russland stammende Freundin Sofia Sapega, die sich an Bord der Maschine befanden, festgenommen. (Lesen Sie dazu: Empörung über Weissrussland – Darum ist Roman Protassewitsch Staatsfeind Nummer 1).

Geisel des Regimes: Roman Protassewitsch meldet sich aus der Untersuchungshaft.

Angesichts der engen Beziehungen zwischen Minsk und Moskau mehren sich die Spekulationen über eine russische Beteiligung an dem Vorgang. «Dass es ein enges Verhältnis zwischen Weissrussland und Russland gibt, das ist bekannt», sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.

Will die Opposition einschüchtern: Diktator Alexander Lukaschenko.

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten bei ihrem Gipfel am Montag die Sperrung des Luftraums für Flugzeuge aus Weissrussland sowie ein Landeverbot auf EU-Flughäfen vereinbart. Sie riefen Airlines aus der EU auf, Weissrussland nicht mehr zu überfliegen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) warnte vor möglichen ungewollten Folgen der Flugbeschränkungen, etwa für Journalisten und Angehörige der Zivilgesellschaft.

Nachdem der kanadische Präsident Justin Trudeau die weissrussische Regierung kritisiert und die Festnahme von Protassewitsch als «unverschämtes, illegales und völlig inakzeptables» Verhalten bezeichnet hatte, gab Weissrussland am Dienstag bekannt, seine Botschaft in Kanada zu schliessen. Die Entscheidung sei nach Angaben eines Botschaftsmitarbeiters allerdings bereits am Samstag von Ministerpräsident Roman Golowtschenko unterzeichnet worden.

Russland findet Ausschluss vom Flugverkehr «bedauerlich»

Mit der erzwungenen Flugzeuglandung befasst sich nach Diplomatenangaben am Mittwoch auch der UNO-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung. Russland, das zu den Vetomächten in dem wichtigsten UNO-Gremium gehört, bezeichnete die Pläne der EU, Weissrussland vom europäischen Flugverkehr abzuschneiden, als «bedauerlich». Mit einer gemeinsamen Erklärung ist laut einem UNO-Diplomaten nicht zu rechnen.

Ein vom weissrussischen Staatsfernsehen verbreitetes angebliches Geständnis Protassewitschs, auf dem der Journalist mit blauen Flecken im Gesicht zu sehen war, rief derweil Sorgen um dessen Gesundheitszustand hervor. Der Sprecher des UNO-Menschenrechtskommissariats, Rupert Colville, sagte, es sei davon auszugehen, dass Protassewitschs angebliches Geständnis «erzwungen» gewesen sei.

Blogger drohen bis zu 15 Jahre Haft

Protassewitsch war früher Chefredaktor des Telegram-Nachrichtenkanals Nexta. Über Nexta waren nach der von Betrugsvorwürfen begleiteten weissrussischen Präsidentschaftswahl im vergangenen August hunderttausende Demonstranten mobilisiert worden. Protassewitsch wird vorgeworfen, Massenproteste ausgelöst zu haben, worauf in Weissrussland bis zu 15 Jahre Haft stehen.

Der Nexta-Gründer und und Mitstreiter des festgenommenen Protassewitsch, Stepan Swetlow, forderte den Westen zu einer vollständigen Isolation der weissrussischen Führung und einer Einstufung des weissrussischen «Regimes» als «terroristisch» auf.

In den vergangenen Monaten waren gegen dutzende Aktivisten und Journalisten in Weissrussland Haftstrafen verhängt worden. Am Dienstag wurden sieben weitere Angeklagte im Zusammenhang mit den Massenprotesten zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt.

afp/sda