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Interview zu Lufttaxis
«Bei Olympia in Paris werden wir wohl Lufttaxis im Einsatz sehen»

So könnte es aussehen, wenn im Sommer Lufttaxis über Paris unterwegs sind.
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Frau Schuchardt, sind Lufttaxis eine Technikvision, die auf dem Friedhof gescheiterter Innovationen landen könnte?

Nein. Es wird definitiv einiges zu sehen geben, schon in naher Zukunft. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit, die EASA, hat schon Zulassungskriterien für neuartige Fluggeräte wie diese Lufttaxis geschaffen. Und es gibt Firmen, auch europäische, die dabei sind, solche Fluggeräte zuzulassen. Voraussichtlich werden wir dieses Jahr bei den Olympischen Sommerspielen in Paris Lufttaxis der Firma Volocopter im Einsatz sehen.

Das Vorhaben in Paris ist durchaus umstritten. Welchem Zweck soll es dienen?

Sofern das wie geplant genehmigt wird, sollen die Lufttaxis einige Verkehrsknotenpunkte miteinander verbinden. Es soll auch Rundflüge für Touristen geben. Auf den Verkehr in Paris wird das aber noch keinen Effekt haben, denn es sollen nur ein paar wenige Fluggeräte zum Einsatz kommen. Es geht um erste Erfahrungen, wie es ist, mit einem Lufttaxi zu fliegen.

Werden die Lufttaxis in Paris autonom unterwegs sein?

Nein, es wird noch ein Pilot oder eine Pilotin mit an Bord sein.

Gibt es in Europa einen grösseren Bedarf für Lufttaxis? 

In unserem Projekt Horizon UAM haben wir in einer Studie 1000 Städte mit mehr als 500’000 Einwohnerinnen und Einwohnern angeschaut. Unsere Prognose hat ergeben, dass weltweit 200 dieser Städte ein hohes Potenzial haben, Lufttaxis einzusetzen, darunter auch einige Städte und Regionen in Europa, neben Paris etwa in London, das Rhein-Ruhr-Gebiet in Deutschland und die Region Rotterdam-Den Haag in den Niederlanden.

Zürich liegt inmitten von Hügeln an einem See. Würden Lufttaxis in dieser komplexen Topografie Sinn ergeben?

Da dürften Lufttaxis sogar im Vorteil sein. Wenn Hügel, Seen oder Flüsse im Weg sind, müssten für eine neue S-Bahn-Linie erst aufwendig Tunnel oder Brücken gebaut werden. Ein Lufttaxi könnte problemlos von der Stadt über einen Hügel in die Agglomeration gelangen, mit minimaler Infrastruktur. Allerdings ist die Stadt Zürich selbst von der Fläche her eher zu klein für ein ausreichend grosses Netz an Start- und Landeplätzen, den sogenannten Vertiports.

Also keine Lufttaxis in Zürich oder sonst wo in der Schweiz?

Es gibt durchaus Argumente, die für Zürich und die Schweiz sprechen. Ein Lufttaxi-Angebot könnte für grosse Teile der Bevölkerung erschwinglich sein. Wenn man über Zürich hinausdenkt, könnte ein Lufttaxi-Shuttle von der Innenstadt zum Flughafen ein interessanter Ansatz sein. Auch liessen sich in der Schweiz einzelne Städte besser mit ihrem Umland und später – wenn die Reichweite ausreicht – mittels Lufttaxis untereinander verbinden, etwa Genf, Lausanne, Bern, Basel, Zürich und Winterthur.

Sie haben den Kostenfaktor angesprochen: Wie relevant ist dieser für den Erfolg der Lufttaxis?

Sehr relevant. Wenn Lufttaxis zu teuer sind, werden sie vielleicht zu einem neuen Statussymbol für Reiche, zu einer Art SUV der Lüfte.

Damit sie zur Lösung der Verkehrsprobleme beitragen können, müssen sie aber massentauglich sein. 

Genau. Das haben wir in unseren Studien zur Marktprognose auch gesehen. Bei einem Preis von rund vier Franken pro Kilometer ist eine Grenze: Liegt der Preis darüber, sind Lufttaxis ein sehr teures Verkehrsmittel, das nur wenige nutzen werden. Wenn der Preis aber unter vier Franken sinkt, könnte sich ein beträchtlicher Markt etablieren.

Sind vier Franken pro Kilometer realistisch?

Dazu haben wir erste Kalkulationen gemacht. Wenn man alles zusammennimmt, die Herstellung des Fluggeräts, dessen Betrieb und anfänglich noch die Pilotinnen und Piloten, dann kommt einiges an Kosten zusammen. Es wird sicherlich schwierig für Firmen, attraktive Angebote zu machen. Die grosse Hoffnung ist natürlich, dass die Preise mit zunehmender Marktreife sowie mit steigenden Verkaufs- und Passagierzahlen immer weiter fallen.

Welche Faktoren werden noch darüber entscheiden, ob Lufttaxis Erfolg haben?

Wichtig sind kurze Wege zu den Vertiports, es braucht also genug davon. Diese müssen auch gut mit anderen Verkehrsmitteln erschlossen sein. Viel geforscht wird auch an der Luftraumintegration: Wie lässt sich eine höhere Anzahl autonomer Fluggeräte sicher im Luftraum bewegen? Wenn man sich vorstellt, dass in der Nähe eines Flughafens noch Hunderte Lufttaxis gleichzeitig mit den anderen Flugzeugen fliegen sollen, dann stösst das aktuelle Luftraummanagement an seine Grenzen.

Für längere Flugstrecken sollen Systeme mit sogenanntem vektoriellem Schub zum Einsatz kommen, wie hier von der Firma Lilium.

In einem Übersichtsartikel haben Sie und weitere Kolleginnen und Kollegen geschrieben: Die soziale Akzeptanz der Lufttaxis ist der Schlüssel zu deren erfolgreicher Einführung.

Ja. Wir haben 1000 Personen in Deutschland zu kleineren Transportdrohnen und zu Lufttaxis befragt. Dabei haben wir festgestellt, dass viele Befragte zwar von den kleinen Drohnen, noch nie aber von Lufttaxis gehört hatten. Da die Befragung 2018 und erneut 2022 durchgeführt wurde, können wir sagen: Die Akzeptanz in der Bevölkerung hat zwar zugenommen. Aber immer noch lehnt rund die Hälfte der Bevölkerung Lufttaxis ab. 

Warum die Ablehnung?

Einige sehen den Bedarf nicht. Ich denke, das ist ähnlich wie beim Smartphone: Wer hat sich denn vor 20 Jahren vorstellen können, dass wir alle einmal ein intelligentes Telefon mit Bildschirm herumtragen werden? Damals hätte wahrscheinlich keiner gesagt: Ich brauche das! Geäussert wurden aber auch Bedenken hinsichtlich Sicherheit, Lärm und Privatsphäre. Diese Bedenken muss man definitiv ernst nehmen. Man kann ein neues Mobilitätssystem nicht gegen den Willen der Bevölkerung anbieten.

Wie könnte die Bevölkerung für Lufttaxis gewonnen werden?

Indem sie Lufttaxis ausprobieren und erfahren kann, so wie vielleicht bei den Olympischen Sommerspielen in Paris.

Es ist wohl auch eine Hürde, in ein autonomes Fluggerät einzusteigen.

Dazu haben wir eine Studie durchgeführt, und zwar in unserem Lufttaxi-Kabinensimulator, der virtuell ohne Pilot oder Pilotin fliegt. Die Fluggäste bekamen eine Virtual-Reality-Brille aufgesetzt. Das fühlt sich ziemlich echt an. Bei einigen simulierten Flügen war eine Flugbegleitung an Bord, bei anderen nicht. Da haben wir gemerkt, wie wichtig es ist, dass die Fluggäste gut informiert sind. Sie wollten wissen, warum der Flug umgeleitet wird, warum man jetzt doch einen anderen Vertiport ansteuert als geplant. War keine Flugbegleitung an Bord, um Fragen zu beantworten, haben sich die Fluggäste etwas unwohler gefühlt.

Lufttaxi-Kabinensimulator des DLR.

Sind Lufttaxis ein umweltfreundliches Verkehrsmittel?

Hier kommt es sehr darauf an, was man anschaut. Im Vergleich zu einem konventionellen Hubschrauber, der Kerosin verbrennt, sind Lufttaxis auf jeden Fall nachhaltiger. Somit sind Lufttaxis ein wichtiger Bestandteil in der Entwicklung des elektrischen Fliegens und werden langfristig zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs beitragen. Aber ganz generell braucht Fliegen viel Energie.

Wie lange braucht es, bis Lufttaxis als Verkehrsmittel in Europa Verbreitung finden?

Wenn es dieses Jahr noch mit der Zulassung durch die EASA klappt, dann werden wir in Europa erste Lufttaxis sehen, aber alles noch auf einer Ebene von Tests. Für die längerfristige Entwicklung haben wir in unserem Projekt Horizon UAM zwei Etappen angeschaut. Bis 2035 rechnen wir damit, dass es erste Anwendungsfälle für pilotierte Lufttaxis in einigen Städten geben wird. Bis 2050 dürfte sich gemäss unserem Zukunftsszenario ein solider Markt entwickelt haben, auch für autonome Lufttaxis in grösserer Stückzahl. 

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