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Unterschiede bei den Löhnen
Wieso die Lohngleichheit eine Blackbox ist

Der zur Migros gehörende Gesundheitsdienstleister Medbase hat seine Belegschaft bislang nicht wie gesetzlich vorgeschrieben über das Ergebnis der Lohnanalyse informiert.

Wissen Sie, ob bei Ihrem Arbeitgeber Lohngleichheit herrscht? Die Chancen sind gross, dass Sie nach den entsprechenden Informationen erst im Geschäftsbericht oder dem Intranet suchen müssen. Dabei steht seit 1981 in der Bundesverfassung, dass Frauen und Männer bei gleicher Arbeit Anspruch auf den gleichen Lohn haben.

Doch ob die Firmen dies auch tatsächlich umsetzen, weiss niemand so genau. Grössere Unternehmen müssen seit 2020 sogenannte Lohngleichheitsanalysen durchführen. Das sieht das angepasste Gleichstellungsgesetz vor. Doch dessen Nutzen ist umstritten. Kritiker sprechen von einer verpassten Chance und einem Gesetz, das zahlreiche Schlupflöcher aufweist.

Mit der Lohnanalyse soll festgestellt werden, ob es in einer Firma unerklärte Unterschiede bei der Entlöhnung von Frauen und Männern gibt. Männer verdienten gemäss Bundesamt für Statistik 2022 rund 9,5 Prozent mehr als Frauen. Dieser Unterschied lässt sich zumindest teilweise mit dem Alter, dem Bildungsniveau oder der Verantwortung erklären, welche die jeweilige Person am Arbeitsplatz hat.

So weit die Theorie. Doch in der Praxis kontrolliert niemand, ob sich die Unternehmen tatsächlich an das Gleichstellungsgesetz halten und die vorgeschriebenen Lohnanalysen durchführen. Auch werden Firmen, die gegen das Gesetz verstossen, nicht sanktioniert. Entsprechende Vorstösse wurden im Parlament abgelehnt. «Ein Gesetz zu verabschieden, dessen Einhaltung nicht kontrolliert wird, ist unglaubwürdig», sagt Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik beim Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse.

Das Gesetz macht den Firmen nur rudimentäre Vorgaben

Für Travailsuisse ist das Gesetz ungenügend. Zum Beispiel müssen nur Firmen mit mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Lohn ihrer Angestellten überhaupt analysieren. Im Gesetz steht dazu einzig, dass die Lohnanalysen nach einer Methode durchgeführt werden müssen, die «wissenschaftlich und rechtskonform ist». Anschliessend müssen diese von einer unabhängigen Revisionsstelle überprüft und die Belegschaft schriftlich über die Ergebnisse informiert werden. Bis Juni 2023 hätte dies zum ersten Mal geschehen sollen.

Zudem müssen die Firmen die Löhne ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsätzlich nur einmal analysieren. Unternehmen, welche die Lohngleichheit einhalten, sind laut dem Gleichstellungsgesetz von der Pflicht zu weiteren Analysen befreit. Nur wenn sie diese nicht einhalten, müssen sie die Analyse nach vier Jahren wiederholen, wie das Bundesamt für Justiz auf Anfrage schreibt.

Unklar ist ebenfalls, wann in einem Betrieb überhaupt Lohngleichheit herrscht. Im Gesetz fehlt eine Definition. Ausgegangen wird bei der Analyse von einem Grenzwert von fünf Prozent. Das können in der Praxis schon mal mehrere Hundert Franken pro Monat sein, die sich nicht erklären lassen.

Für Bauer ist deshalb klar: «Viele Unternehmen werden trotz festgestellter Lohndiskriminierung die Analyse nicht wiederholen. Deshalb besteht die Gefahr, dass selbst kleine Fortschritte, die durch die Lohnanalysen erzielt wurden, verloren gehen, wenn die Firmen sie nur einmal machen müssen.»

Wie viele Analysen durchgeführt wurden, weiss niemand

«Stand heute ist die Umsetzung der Lohngleichheit immer noch eine Blackbox», sagt die ehemalige Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Das Gleichstellungsgesetz wurde vor mittlerweile rund sechs Jahren verabschiedet. Doch nach wie vor ist es unklar, wie viele Analysen überhaupt durchgeführt wurden und wie verlässlich diese überhaupt sind.

Nach ihrem Rücktritt als Bundesrätin ist Sommaruga heute Präsidentin der Stiftung Equal-Salary. Diese zertifiziert Unternehmen, welche nachweisen, dass sie die Lohngleichheit sowie die Chancengleichheit einhalten.

Die Revision des Gleichstellungsgesetzes brachte sie als Justizministerin ins Parlament. Dieses hatte einen schweren Stand. «In seiner heutigen Form ist es der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich damals einigen konnte», erinnert sie sich.

Für Sommaruga ist es deshalb zentral, dass der Bundesrat nun untersucht, ob die Firmen sich an das Gesetz halten, und allenfalls Konsequenzen daraus zieht. Noch bis Juni läuft eine Evaluation des Bundes. 6000 Unternehmen wurden dafür befragt, mit einem Zwischenbericht wird laut dem Bundesamt für Justiz 2025 gerechnet.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden nicht informiert

Druck auf die Firmen verspricht sich der Gewerkschaftsdachverband von einer schwarzen Liste, auf welcher seit rund einem Jahr Unternehmen aufgeschaltet werden, die gegen das Gesetz verstossen. Haben Angestellte den Verdacht, dass ihr Arbeitgeber dieses nicht einhält, können sie sich anonym bei Travailsuisse melden, worauf der Verband den Sachverhalt abklärt.

Die Liste gibt laut Bauer keine Auskunft darüber, ob in einem Betrieb tatsächlich Lohndiskriminierung herrscht oder nicht. Ausschlaggebend ist einzig, ob das Gleichstellungsgesetz eingehalten wurde oder nicht – also ob die Lohnanalyse korrekt durchgeführt, von einer unabhängigen Stelle überprüft und die Belegschaft schriftlich über das Ergebnis informiert wurde.

Aktuell sind 19 Unternehmen in Abklärung. Neu auf der Liste führt Travailsuisse etwa den Gesundheitsdienstleister Medbase und den Möbelhändler Conforama.

Le logo Conforama photographie sur le batiment du siege Suisse ce lundi 5 juin 2023 a Ecublens. Suspendu en decembre dernier, le proces de Conforama Suisse a repri lundi matin a Lausanne. La chaine de magasins, basee a Ecublens (VD), est accusee d'avoir gruge ses clients en affichant des rabais trompeurs. (KEYSTONE/Laurent Gillieron)

Medbase, das zum Migros-Genossenschafts-Bund gehört, hat zwar die Analysen durchgeführt. Die Information der Mitarbeitenden über die Resultate steht aber noch aus. Der Gesundheitsdienstleister habe die Lohnanalysen nach Geschäftsbereichen gestaffelt durchgeführt, schreibt Medbase.

Im April 2024 hat das Unternehmen das Ergebnis der vollständigen Analyse erhalten. Dieses zeige, dass in sämtlichen Geschäftsfeldern die gesetzlichen Voraussetzungen für Lohngleichheit erfüllt seien, schreibt Medbase weiter. Der Eintrag in die Schwarze Liste sei «nicht nachvollziehbar». Travailsuisse habe Kenntnis von den positiven Resultaten der Lohngleichheitsanalyse.

Conforama teilt mit, dass die Lohngleichheitsanalyse fristgerecht durchgeführt worden sei. Aufgrund eines Besitzerwechsels 2022 wurde versäumt, die Mitarbeitenden zu informieren. Der Möbelhändler verspricht: «Wir werden das in den nächsten Tagen unverzüglich nachholen.»

Die Resultate der Analyse würden jedoch zeigen, dass die Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern bei Conforama sichergestellt sei und Differenzen nicht auf das Geschlecht zurückzuführen seien.

Geht es um Lohngleichheit, ist es für Simonetta Sommaruga wichtig, den Unternehmen keine Vorwürfe zu machen. «Niemand diskriminiert Frauen absichtlich, wenn es um den Lohn geht.»

Sie stellt das auch in der Praxis fest. Firmenchefs waren überzeugt, dass sie die Lohngleichheit einhalten, und trotzdem zeigte das Ergebnis der Lohnanalyse Ungleichheiten. Denn zwischen etwas behaupten und belegen liegen häufig Welten.