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Hassbeziehung mit der Formel 1
Und der Amerikaner? Hinterlässt ein Wrack und einen Scherbenhaufen

Williams driver Logan Sargeant of the US walks away from his car after he crashed during the third free practice ahead of the Formula One Dutch Grand Prix race at the Zandvoort racetrack, Netherlands, Saturday, Aug. 24, 2024. (AP Photo/Peter Dejong)
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Irgendwann hatten sie auch bei Williams genug von Logan Sargeant.

Mit einiger Zuversicht waren die Briten nach Zandvoort an die niederländische Nordseeküste gereist, hatten ihre Autos mit ein paar neuen Teilen versehen, um sich weiter vom Tabellenletzten Sauber absetzen zu können. Dann ist Training Nummer 3 am Samstagvormittag, letzter Test vor dem Qualifying. Der Amerikaner rast die Steilkurve 3 hoch, gerät rechts auf die Wiese, schleudert links in die Leitplanke, schlittert auf die Strecke zurück, der demolierte Rennwagen fängt Feuer. Sargeant rettet sich mit einem Hüpfer aus seinem Cockpit – seine Position bei Williams aber ist nicht mehr zu retten, die Geduld der Teambesitzer aufgebraucht.

Das Qualifying verpasst Sargeant, im Rennen wird er 16. Es bleibt seine letzte Fahrt für Williams, vielleicht überhaupt in der Formel 1. Das Team hatte sich wohl einiges erhofft von der Verpflichtung des Amerikaners, vorab Aufmerksamkeit in dessen Heimat – für den Rennstall und die Formel 1. Zurück bleiben ein Wrack und ein Scherbenhaufen.

Am Dienstag wurde der 23-Jährige entlassen und durch den Argentinier Franco Colapinto ersetzt, an diesem Wochenende in Monza sitzt der Williams-eigene Nachwuchspilot bereits hinter dem Steuer.

Vor drei Jahren war auch Sargeant hoffnungsvolles Talent in der Racing Driver Academy der Briten, stieg rasch auf, in der Formel 1 aber kam er nie richtig an. 2023 war er der teuerste Pilot des ganzen Feldes – was Schäden am Auto betraf. Viel besser wurde es 2024 nicht. Jetzt also endet das nächste amerikanische Gastspiel abrupt? Es passt in die Geschichte.

Keine Punkte – seit über 30 Jahren

Sargeant war der erste US-Fahrer in der Formel 1 seit Alexander Rossi, der 2015 beim Hinterherfahrteam Marussia zu fünf Einsätzen kam. Und der erste Stammfahrer seit Scott Speed, der 2006 und 2007 28 Grands Prix für Toro Rosso bestritt. Scott Speed! Was für ein Name! Punkte holten beide nie.

Als letzter Amerikaner tat das Michael Andretti vor über 30 Jahren, 1993 in Monza. Sein Vater Mario Andretti war in seinem Weltmeisterjahr 1978 der letzte Sieger aus den USA. Er gewann in Zandvoort, ausgerechnet.

Einziger US-Weltmeister bis heute: Mario Andretti, Formel-1-Champion 1978.

Die Beziehung zwischen den USA und der Formel 1 ist belastet. Es gibt nur wenige Fahrer aus dem autoverrückten Land, die bleibende Spuren hinterlassen haben. 1961 wurde Phil Hill Weltmeister. Ebenfalls in den 60er-Jahren fuhr Dan Gurney zu vier Siegen. Dann gab es die Andrettis. Das wars. Dass in der Statistik der Formel 1 sagenhafte 157 Piloten aus den USA auftauchen, hat vor allem damit zu tun, dass das US-Spektakel Indy 500 zwischen 1950 und 1960 zur Automobil-Weltmeisterschaft zählte. Fällt das weg, bleiben nur wenige Glanzpunkte.

Das änderte sich auch in jüngerer Vergangenheit nicht, obwohl die Formel 1 unter amerikanischer Führung ist. 2016 übernahm Mediengigant Liberty Media von Bernie Ecclestone. Ein erklärtes Ziel der neuen Besitzer war und ist, den lukrativen US-Markt zu erobern. Dafür müssen sie das zwiespältige Verhältnis, das der amerikanische Motorsportfan zur europäisch geprägten Formel 1 hat, aufbrechen. Sie müssen den beschädigten Ruf reparieren, der sich durch das Skandal-Rennen 2005 festigte, als wegen Problemen mit den Michelin-Reifen nur sechs Autos zum GP der USA starteten – und von den Rängen gellende Pfiffe hallten.

Es hat sich seit 2016 schon einiges getan. Mittlerweile stehen mit Austin, Miami und dem Show-Event in Las Vegas gleich drei US-Grands-Prix im Kalender. Die Rennwochenenden sind vielmehr Party denn lediglich Sportveranstaltungen, ganz nach dem Gusto des örtlichen Publikums. Die Netflix-Serie «Drive to Survive» hat zudem dabei geholfen, den Amerikanern die Fahrer und Teams näherzubringen, die ihnen einst so fern waren.

Der Spagat des Teams Haas

Dass einer der heimlichen Stars der Serie der Südtiroler Günther Steiner ist, bis im Januar Teamchef des US-Rennstalls Haas, dürfte zur Popularität beigetragen haben. Seit 2016 ist das Team des umtriebigen Unternehmers Gene Haas in der Formel 1. Es hat seinen Hauptsitz in North Carolina. Motor, Getriebe und Aufhängung stammen jedoch von Ferrari, gewartet werden die Autos im eigenen Werk im englischen Banbury. Haas steht damit exemplarisch für den Spagat, der nötig ist, um mehr USA in die Formel 1 zu bringen. Das ist bei den Piloten nicht anders.

Meist wachsen diese in den heimischen Kart-Meisterschaften auf, durchlaufen die Formel-Serien in den USA, fahren in der Indy NXT, der Nachwuchsmeisterschaft der Indy-Car-Serie. Oder sie entscheiden sich für eine Karriere als Tourenwagenpilot in den verschiedenen Nascar-Serien. Der Weg in Richtung Formel 1 und Europa ist enorm weit und risikoreich, auch ist die (Motorsport-)Kultur eine ganz andere.

Sargeant wagte es, zog mit 12 von Florida nach Europa, weil er dort die härteste Konkurrenz vermutete. Er lebte in der Schweiz, später in London, wo er die kalten und düsteren Winter hasste. Er fuhr in der britischen Formel 4, der Formel 3, der Formel 2 – und schaffte es mit Williams’ Hilfe tatsächlich nach ganz oben.

Sargeant ist ein Einzelfall. Müsste es aber nicht sein, zumindest wenn es nach Vater und Sohn Andretti geht, die noch immer mit verschiedenen Teams aktiv sind im Motorsport. Doch ihre Pläne für einen Formel-1-Einstieg wurden zuletzt torpediert. Ausgerechnet von Liberty Media, dem kommerziellen Rechteinhaber aus Colorado. Das Team Andretti, das vom Weltverband FIA als einziges grünes Licht bekam für eine Bewerbung bei der Formel 1, bringe der Serie zu wenig Mehrwert. Andretti würde mehr von der Formel 1 profitieren als umgekehrt. Und überhaupt: Konkurrenzfähig wäre der Rennstall auch nicht.

Die Andrettis – vorab der Senior – zeigten sich erbost. Sie lassen sich aber nicht abwimmeln. In England haben sie eine Zweigniederlassung mit Fokus Formel 1 errichtet. Zudem lassen sie prüfen, ob das Vorgehen der Formel 1 gegen das US-Kartellrecht verstösst. Die Posse verdeutlicht vor allem eines: Der Weg von den USA in die Formel 1 war schon immer ein steiniger – und ist es noch immer. Für Teams und Fahrer gleichermassen.