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Zero-Covid-Strategie
Lockert China bald?

Ein Soldat mit Maske bewacht den Marathon in Peking: Nach zwei Jahren Pause konnte der Anlass wieder durchgeführt werden – und nährte Hoffnungen auf mehr Lockerungen.

Am Wochenende setzte der Marathon in Peking mit 30’000 Teilnehmenden ein Zeichen, das die Menschen auf eine Lockerung der strengen Corona-Richtlinien hoffen liess. Zwar gab es Vorschriften, es waren beispielsweise negative Tests erforderlich, und ausser den Profis durften keine Auswärtigen mitmachen. Nachdem die Ausführungen der letzten beiden Jahre aber abgesagt wurden, galt allein die Durchführung schon als Hoffnungsschimmer.

Schon letzte Woche gab es verstärkte Hinweise, dass die Regierung die Zero-Covid-Politik bald lockern könnte. Die Börsen reagierten euphorisch, denn die teils drastischen Massnahmen setzen der zweitgrössten Volkswirtschaft im Land zu. Die Exporte sanken im Oktober erstmals seit zwei Jahren, da es immer wieder zu Lockdowns und Engpässen kommt. Derzeit sind beispielsweise die neusten iPhones 14 und 14 Pro Max von Lieferschwierigkeiten betroffen, nachdem Mitarbeitende aufgrund der Corona-Massnahmen im Foxconn-Werk in Zhengzhou eingesperrt wurden und daraufhin die Flucht ergriffen.

Die strenge Zero-Covid-Politik sorgt auch in der Bevölkerung für immer mehr Unruhe. Schon aufgrund eines einzelnen Corona-Falls kann ein ganzes Wohngebäude oder sogar Quartier in den Lockdown geschickt werden, meistens sind die Menschen dann tagelang eingesperrt. Dabei kam es in den letzten Tagen zu tragischen Todesfällen, welche ganz China aufwühlten.

Todesfälle empören die Bevölkerung

Ein dreijähriges Kind starb nach einem Gasleck, weil im abgesperrten Komplex keine medizinische Hilfe organisiert werden konnte. Der Vater fuhr mit seinem Sohn schliesslich mit einem Taxi ins Spital, dort konnten die Ärzte das Kind aber nicht mehr wiederbeleben. In einem anderen Fall sprang eine verzweifelte Frau aus dem zwölften Stock in den Tod, nachdem ihr Wohnhaus abgeriegelt wurde. In sozialen Medien verbreiteten sich dramatische Videos ihrer Tochter, die versuchte, in das Gebäude zu gelangen. Ihre an einer Angststörung leidende Mutter lebte bei ihr in der Wohnung, nachdem das Hochhaus aber ohne Vorankündigung mit Gittern abgesperrt wurde, konnte die Tochter nicht mehr zurück zu ihr. Ein weiteres Video zeigte die junge Frau neben dem leblosen Körper ihrer Mutter. Der Vorfall sorgte für grosse Empörung in der Bevölkerung.

Die lokalen Behörden sind zwar angehalten, keine solch extremen Massnahmen zu treffen und davon abzusehen, ganze Wohnkomplexe wegen einzelner Fälle tagelang abzuriegeln. Andererseits müssen sie harte Strafen fürchten, wenn ihnen die Kontrolle über die Lage in ihrer Stadt entgleitet. So tendieren sie eher zu Überreaktionen auf positive Corona-Tests. Dies war letzte Woche beispielsweise auch im Disneyland Shanghai der Fall. Nachdem die Stadt zehn Fälle vermeldet hatte, schlossen die Betreiber die Ein- und Ausgänge während des Tages ohne Vorankündigung kurzerhand. Wer aus dem Park rauswollte, musste einen negativen Test vorweisen können. Nach Angaben der Behörden war allerdings niemand positiv.

Riesenstau in Nanjing: Vor dem Hafen kam es Ende Oktober zum Verkehrskollaps, die Lastwagen mit den Schiffscontainern konnten aufgrund von Corona-Massnahmen nicht mehr abgefertigt werden.

Immer öfter kommt es bei solch plötzlichen Lockdowns zu Fluchtversuchen. Im August kam es zu einem Gerangel bei den Ausgängen einer Ikea-Filiale in Shanghai, welche die Behörden unter Quarantäne stellen wollten. Einige Kundinnen und Kunden versuchten noch zu entkommen, bevor alles verriegelt wurden. Auch aktuell halten sich manche Menschen offenbar nicht mehr an die Lockdown-Vorschriften, wie die Behörden am Wochenende sagten. Sie gaben einzelnen Personen die Schuld, zur Verbreitung des Virus beizutragen. So seien auch Gitter und andere Barrieren entfernt worden, welche die Menschen in ihren Häusern einsperren sollten.

Noch grosse Impflücken bei den Ältesten

Neben den extremen Abschottungsmassnahmen ärgern sich immer mehr Menschen aber auch über die täglichen Einschränkungen. Wer ins Büro oder einkaufen gehen will, muss sich regelmässig testen lassen. Vom ständigen Zwang zum Stäbchen im Rachen haben manche langsam genug, und sie hoffen auf baldige Erleichterungen. Die Regierung hat nun immerhin die PCR-Testpflicht für Zugreisen und Inlandflüge aufgehoben. 

Für die Chinesinnen und Chinesen ist das zur Routine geworden: Wer sich im öffentlichen Raum bewegen will, muss sich regelmässig testen lassen.

Das gab Hoffnung auf weitere Lockerungen, es sollte gar ein Gremium einberufen werden, um das Ende der Zero-Covid-Politik zu planen, hiess es letzte Woche gerüchteweise. Ebenfalls wurde berichtet, dass die Quarantänezeit für jene Reisenden, die überhaupt ins Land gelassen werden, von zehn auf sieben oder acht Tage verkürzt werden könnte. Der Chef-Epidemiologe des chinesischen CDC stellte zudem die Öffnung der Grenzen zwischen Hongkong und dem Festland für das erste Halbjahr 2023 in Aussicht.

Diese Ankündigungen und Gerüchte liessen die Börsen jubeln, man erhofft sich von weniger Massnahmen wieder zuverlässigere Lieferketten und eine Rückkehr zu mehr Wachstum. Die Regierung dementierte die Berichte aber und verkündete, dass sie an den strengen Regelungen festhalten wolle, was die Kurse wieder absacken liess. Mittlerweile sind die Fallzahlen auch so hoch wie seit sechs Monaten nicht mehr, was die Hoffnungen auf ein Ende der Massnahmen ebenfalls zerschlägt. Viele ältere und vulnerable Menschen sind weiterhin nicht immunisiert, und die verfügbaren einheimischen Impfstoffe gelten als weniger wirksam als die in Europa eingesetzten.

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Man bleibe deshalb dem bisherigen Ansatz treu, die Menschenleben an erste Stelle zu setzen, betonte eine Mitarbeiterin der nationalen Gesundheitsbehörde deshalb am Wochenende. Die Strategie sei wirtschaftlich und gesundheitlich effektiv, und man verhindere Einschleppungen aus dem Ausland oder grössere Wellen im Land. Gerade Letzteres wird im Winter schwieriger, was ein Ende von Zero Covid in den nächsten Monaten unwahrscheinlicher werden lässt.

Etwas Normalität kehrt zurück: Nach den Absagen 2020 und 2021 konnte der Peking-Marathon durchgeführt werden, allerdings durften nur lokale und negativ getestete Menschen teilnehmen.

Trotzdem bleiben Analysten zuversichtlich, selbst wenn es noch einige Monate dauern dürfte, bis sich China wirklich von Zero Covid löst. Optimistische Experten schätzen, dass Peking die Strategie «nicht vor März 2023» ändern werde. Andere erwarten gemäss der Nachrichtenagentur AFP einen «langen Prozess», mit einer deutlichen Änderung frühestens im Laufe des nächsten Jahres. Die derzeit schlechten Exportzahlen könnten helfen, «den Hebel umzulegen», sagt beispielsweise ein Analyst der japanischen Mizuho-Bank.

Zuversichtlich stimmen aber auch neue mRNA-Impfstoffe und Fortschritte in der Medikamentenforschung. In Shanghai werden zwei Fabriken gebaut, welche pro Jahr zwei Milliarden mRNA-Vakzine herstellen können. Während die westlichen Produkte von Moderna und Pfizer im Reich der Mitte verboten sind, holt China bei der Entwicklung eigener Impfstoffe mit der mRNA-Technologie langsam auf. Drei Mittel werden noch getestet, ein chinesischer mRNA-Impfstoff hat in Indonesien die Notfallzulassung erhalten, wird in China aber noch nicht eingesetzt.

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Nachdem die bisher eingesetzten herkömmlichen Vakzine von Teilen der Bevölkerung abgehlehnt wurden, soll die neue Technologie nun dazu führen, dass sich dereinst auch die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt von den strengen Lockdowns verabschieden kann.