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Erstes TV-Duell zur Johnson-Nachfolge
Der eigentliche Sieger ist gar nicht im Studio

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Wer wird Nachfolgerin oder Nachfolger von Boris Johnson?
Diskutierten die Steuerpolitik, den Umgang mit China und Brexit: Der frühere Finanzminister Rishi Sunak und Aussenministerin Liz Truss während des TV-Duells. (25. Juli 2022)
Sunak und Truss schenken sich währen der Fernsehdebatte nichts.
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Nach etwa 40 Minuten wurde tatsächlich über Ohrringe gesprochen. Tagsüber war es in der britischen Mischblase aus Twitter und Daily Mail ein Thema gewesen, dass Liz Truss Ohrringe für vier Pfund fünfzig trägt, während Rishi Sunak Hunderte Pfund für ein Paar Schuhe und Tausende für einen Anzug ausgibt.

Nadine Dorries, Truss-Unterstützerin und als Kulturministerin Mitglied der britischen Regierung, war es nicht zu dumm, den Boulevardkram zu posten und auf Da-schau-her-Art zu kommentieren, als seien Ohrringe für vierfünfzig der Beweis, wer der bessere Regierungschef dieses G-7-Staates sei. Die BBC trieb den Irrsinn am späten Montagabend noch auf die Spitze.

In der ersten live übertragenen Fernsehdebatte der beiden Bewerber um Boris Johnsons Nachfolge fragte die Moderatorin Sophie Raworth, unterstützt vom sehr fachkundigen, aber oft eine Spur zu aufgeregten BBC-Politikchef Chris Mason, wie es sein könne, dass in diesem Wahlkampf selbst Ohrringe und Kleidung zum Thema würden. Raworth und Mason zeigten sich empört, wollten aber von den beiden Kandidaten wissen: «Ist das wichtig?» Was dazu führte, dass Truss und Sunak ganze sieben Minuten lang darüber sprachen, dass derlei nicht wichtig sei.

Danach waren noch weniger als 15 Minuten übrig in dieser TV-Debatte. Über Klimapolitik war knapp zwei Minuten gesprochen worden, über das marode Gesundheitssystem noch weniger, und über das Nordirland-Protokoll und die kaputte Beziehung zur EU überhaupt nicht.

Sechs Wochen noch, dann steht fest, ob Liz Truss oder Rishi Sunak Boris Johnson in 10 Downing Street beerben. Sechs Wochen, in denen zwölf sogenannte «hustings» stattfinden, Fragerunden der Kandidaten mit den Parteimitgliedern, die abstimmen, wer ihr neuer Chef und damit auch der Chef des Landes wird. Dazu sind bislang drei TV-Debatten eingeplant. Als die Kandidaten noch zu fünft waren, hatte es bereits zwei solcher Runden gegeben, nun sind nur noch Truss und Sunak übrig, die Aussenministerin und der ehemalige Finanzminister.

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Die Konservativen liefern der Opposition Futter

Die ersten beiden TV-Debatten zu fünft waren oft befremdlich in Tonfall und Inhalt, vor allem aus Sicht eines bei diesem Duell nicht wahlberechtigten Zuschauers – als Ausländer also oder als einer von ungefähr 67,1 Millionen Briten, die nicht Mitglieder der Konservativen sind. Am Montagabend war es fast noch schlimmer.

Die Debatte fand statt in einem Theater in Stoke-on-Trent, los ging es mit einem Zoom auf die still stehenden und eingefroren lächelnden Truss und Sunak, ewige Sekunden lang, während die Moderatorin weitersprach. Plötzlich ein Blinzeln in Sunaks Gesicht, Kameraschnitt, willkommen, erste Frage. Der in den Umfragen weit zurückliegende Sunak redete sogleich los, als wollte er Worte in Prozentpunkte umwandeln, er redete und redete, Truss sagte ein paar Mal «excuse me», ihre Mimik changierte zwischen ratlos und pikiert. Sophia Raworth, die Moderatorin, resignierte früh.

Sunak hielt Truss immer wieder Zitate aus ihrer Vergangenheit vor, Truss wiederum beschuldigte Sunak, die Wirtschaft als Finanzminister in die schlechte Lage gebracht zu haben, in der sie nun ist. Seit dieser Wahlkampf begonnen hat, geht das schon so, die Kandidaten reden in einer Art und Weise über den Zustand des Landes, als seien sie persönlich nicht die vergangenen drei Jahre und ihre Partei nicht die vergangenen zwölf Jahre in der Regierung gewesen. Keir Starmer, Labour-Chef und Oppositionsführer, las neulich folgerichtig im Parlament Zitate der Tories über die Tories aus den ersten TV-Debatten vor.

Wie hältst du es mit Johnson?

Hauptthema dieses Abends waren die Steuern, die grösste Bruchlinie zwischen den beiden. Truss will sofortige Steuersenkungen, Sunak hält das für gefährlich. Beide sprachen nahezu permanent darüber, so leidenschaftlich, wie man womöglich noch nie Menschen über Steuern hat reden hören. Und dann kam auch Boris Johnson noch zur Sprache.

Ob die beiden sich vorstellen könnten, ihn in ihre Regierung aufzunehmen, wollte die Moderatorin wissen, was eine derart absurde Frage ist, dass man Truss am liebsten zur Hilfe gekommen wäre, als sie minutenlang um diese Frage herumtänzelte. Ja, gewiss, Boris Johnson habe so viele Dinge richtig gemacht, aber ja, andererseits, diese Frage sei doch recht unrealistisch. Nach einer Weile war es Sunak, der das Thema beendete, indem er Truss (natürlich) ins Wort fiel und sagte: «Die Antwort ist simpel: nein. Wir müssen nach vorne schauen, Boris Johnson wird nicht Teil meiner Regierung sein.»

Sunak setzt den Schlusspunkt

Das Format der TV-Debatte gibt es im Vereinigten Königreich seit 2010, in Studien ist untersucht worden, welchen Einfluss diese Formate auf das Wählerverhalten haben, und zwar einen grossen, kaum überraschend. Die Frage am Ende ist daher immer: Wer hat gewonnen?

Sunak erzielte den finalen Punkt, als die beiden sich gegenseitig sagen sollten, was der jeweils andere besser machen könnte, wie in einer Paarberatung. Truss sagte: «Rishi, ich finde, du könntest manchmal mutiger sein». Sunak sagte: «Ich mache das nicht, ich schätze Liz sehr, und wenn der Leadership Contest vorbei ist, werden wir hervorragend zusammenarbeiten.» Danach gab es den lautesten Applaus des Abends.

Der eigentliche Gewinner aber heisst weder Rishi Sunak noch Liz Truss. Sondern Labour-Chef Keir Starmer.