Schweizer Triumph in der LauberhornabfahrtVon Allmen und Odermatt würgen sich gegenseitig – das ganz spezielle Wengener Skifest
Marco Odermatt schliesst mit seinem Triumph zu zwei Ski-Legenden auf. Sein junger Kollege verblüfft die Abfahrtswelt. Und die Schweizer schaffen, was noch nie jemandem gelang.
Es sind martialische Szenen, die sich abspielen im Zielraum von Wengen. Da würgt erst Franjo von Allmen seinen Kollegen Marco Odermatt, dieser streckt dabei mit leidendem Blick die Zunge heraus. Dann geschieht dasselbe in umgekehrten Rollen.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Später schlägt Odermatt mit einem Pickel mit voller Wucht gegen einen Eisblock, minutenlang, als müsste er seine Wut irgendwo loswerden.
Die Bilder passen eigentlich so gar nicht zu dem, was gerade passiert ist an diesem wunderbaren Schweizer Skitag. Odermatt vor von Allmen, so lautet das Ergebnis nach der 95. Lauberhornabfahrt. Die beiden sind danach so gut gelaunt, dass sie miteinander herumblödeln für ein Bild, das die Medienverantwortliche von Swiss-Ski schiesst. Die Stimmung zwischen den beiden ist nicht angespannt, sie ist fantastisch.
Das Gepickle wiederum hat den Hintergrund, dass sie im Berner Oberland in diesem Jahr den schnellsten Athleten auch nach seiner Fahrt noch arbeiten lassen wollen. Die Siegestrophäe haben sie eingefroren, Odermatt muss sie erst aus der dicken Schicht befreien, ehe er sie in die Höhe stemmen kann. Dass er dabei ein paar Löcher in die Zinnkanne schlägt, die ihm dann am Abend bei der Siegerehrung überreicht wird, mag der Nidwaldner verschmerzen.
Nach seinen zwei Triumphen im Vorjahr gewinnt er das Heimrennen zum dritten Mal und schliesst mit seinen 27 Jahren bereits zu Franz Klammer und Beat Feuz auf, den Rekordsiegern in der Wengener Weltcupgeschichte. Ihm würden solche Bestwerte nicht allzu viel bedeuten, sagte Odermatt noch in dieser Woche, wichtiger wäre es ihm, erneut einen Punkterekord aufzustellen.
Im Zielraum von Wengen sagt er nun: «Dreimal gewonnen zu haben, ist sehr schön und speziell – das ist auch die Geschichte mit Beat. Ich habe so viel gelernt von ihm, er hat mir den Abfahrtssport gezeigt. Und nun bin bereits ich es, der sein Know-how an die Jungen weitergibt, das ist toll.» Es ist diese Haltung, die so viel sagt über dieses Schweizer Abfahrtsteam, das gerade von Erfolg zu Erfolg eilt, das gewinnt, was es zu gewinnen gibt.
Von Allmen schwebt traumwandlerisch über die Pisten
Von Allmen, das ist einer dieser Jungen, von denen Odermatt geredet hat. 23 ist der Berner im vergangenen Sommer geworden. Er fährt, als wäre er zehn Jahre älter. Immer heisst es, wie wichtig die Erfahrung in den Speeddisziplinen sei, erst mit der Reife sollen Erfolge möglich sein. Von Allmen zerlegt die gängige Meinung gerade auf eindrückliche Art. Zweiter in den Abfahrten von Gröden und Bormio, Sieger im Super-G am Freitag, Zweiter in der Abfahrt am Samstag. Geradezu traumwandlerisch schwebt er über die Weltcuppisten, die ihm doch eigentlich noch gar nicht so vertraut sind.
Am Fusse von Eiger, Mönch und Jungfrau macht er vor der Rekordkulisse von 40’000 Zuschauern und Zuschauerinnen den Schweizer Jubeltag perfekt. Die verrückte Bilanz in diesem Winter lautet so: vierter Schweizer Doppelsieg in einer Abfahrt in Serie. Das gab es noch gar nie in der 58-jährigen Geschichte des Weltcups. Bei keiner Nation. «Ich denke jedes Jahr, dass es nicht noch besser geht – aber offenbar ist das möglich», sagt Walter Reusser, CEO Sport bei Swiss-Ski, während ihm im Ziel die Sonne ins Gesicht scheint.
Justin Murisier wird auch noch Siebter und Lars Rösti Achter, mit der Startnummer 37, als solche Zeiten eigentlich gar nicht mehr möglich scheinen: Es sind weitere schöne Geschichten für den Schweizer Verband, der in den letzten Jahren alles daran setzte, die Breite in den Kadern zu erhöhen. Nirgends sind die Auswirkungen so eindrücklich zu sehen wie in diesem Speed-Team, in dem der Zusammenhalt nicht gespielt ist, sondern gelebt wird. Teamleader Odermatt hat einen entscheidenden Anteil daran. Reusser sagt es so: «Die anderen können sich nicht nur an ihm orientieren, er hilft ihnen auch und lässt die Jungen nicht ins Messer laufen.»
Odermatt enteilt selbst Pirmin Zurbriggen
Diese Kultur habe mit Feuz begonnen, der vor zwei Jahren in Wengen seinen Rücktritt gab und sein Wissen mit Odermatt teilte. Es hat dermassen gewirkt, dass der Nidwaldner schon im Vorjahr nicht nur in Riesenslalom und Super-G der Beste war, sondern auch bei den Tempobolzern. Er führt in diesem Winter erneut in allen drei Disziplinen und dürfte auch im Gesamtweltcup kaum einen Gegner haben, wenn er gesund bleibt. 292 Punkte liegt er schon vor dem ersten Verfolger Henrik Kristoffersen. Mit seinem 43. Weltcupsieg enteilt Odermatt auch Pirmin Zurbriggen immer mehr, der noch vor dieser Saison mit 40 Siegen den nationalen Rekord innehatte.
Der Triumph in Wengen ist ein besonders emotionaler für Odermatt, es ist gleich nach seiner Fahrt zu sehen, im Ziel, wo er die Fäuste ballt und mehrmals in den klaren Himmel schreit. Und als er seine Ski vor der Brust kreuzt, schreit er in die Kamera: «This is my house!»
Er zeigt eine eindrückliche Reaktion auf den für ihn enttäuschenden 7. Rang am Vortag im Super-G. Das Gute daran war: Die Top 6 eines Rennens müssen das Programm absolvieren, an dessen Ende um 19 Uhr die Siegerehrung im Weltcupdörfli von Wengen steht. Odermatt hatte für einmal Zeit zur Erholung und dafür, anderes Material zu wählen. «Am Freitag haben wir uns vergriffen», sagt der dreifache Gesamtweltcupsieger, der daraus mit seinem Team einmal mehr die richtigen Schlüsse zog.
Von Allmen dagegen durchlief das kräftezehrende Prozedere am Freitag erstmals. Er steckte es weg – natürlich – als wäre er ein Routinier. Er habe versucht, die Energie aufzusaugen, sagt er nach seinem nächsten Streich. Reusser sagt: «Ich fragte ihn, ob er überhaupt habe schlafen können.» Von Allmens Antwort: «Tipptopp!»
Das Wort steht sinnbildlich dafür, wie locker derzeit alles von der Hand geht: bei von Allmen; bei Odermatt; beim ganzen Schweizer Abfahrtsteam, das in Wengen für ein nächstes riesiges Skifest sorgt.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
18 – Blaise Giezendanner
Vor drei Jahren in Kitzbühel fuhr der Franzose völlig überraschend auf Rang 3. Wengen aber bringt ihm kein Glück: Er kriegt einen Schlag aufs Knie und muss die Fahrt abbrechen – offenbar hat er sich gröber verletzt. Giezendanner liegt im Schnee und muss gepflegt werden.
17 – Maxence Muzaton
Der Franzose legt rasant los und ist bei der ersten Zwischenzeit 28 Hundertsteln vorne. Dann aber verliert er kontinuierlich Zeit, am Ende sind es 2,10 Sekunden. Das Resultat: Zwischenrang 13.
16 – James Crawford
Der Super-G-Weltmeister aus Kanada geriet letztes Jahr nach den Wengen in eine Resultatkrise, davon hat er sich etwas erholt. Rang 8 im Klassiker ist ein solides Ergebnis, entsprechend jubelt er auch.
Zuschauerrekord am Lauberhorn
40’000 Zuschauerinnen und Zuschauer haben sich bei Prachtswetter hoch nach Wengen begeben. Das ist ein neuer Rekord in der Geschichte des Lauberhornrennens.
15 – Mattia Casse
Der Italiener holte im Super-G von Gröden seinen ersten Weltcup-Sieg überhaupt. Aber zu einem Triumph am Lauberhorn kommt es nicht. Casse verliert 1,73 Sekunden auf Odermatt, es resultiert Zwischenrang 11.
14 – Bryce Bennett
Ganz oben ist der Zweimeter-Mann der Schnellste, in den technischen Passagen aber tut sich der Amerikaner schwerer. Dennoch: Es ist eine sehr starke Fahrt von Bennett, es reicht für Rang 6.
13 – Marco Odermatt
Was für ein Sprung am Hundschopf und was für eine Linie im Kernen-S! Odermatt zeigt nach seinem 7. Platz im Super-G vom Freitag keinerlei Schwächen. Das ist schlicht und ergreifend überragend. 37 Hundertstel Vorsprung für den Nidwaldner, und das Publikum in Wengen dreht durch.
12 – Franjo von Allmen
Was für eine Fahrt des Berners! Im oberen Teil fährt er perfekt, auch im Kernen-S glänzt er. Den Vorsprung rettet er ins Ziel, mit 20 Hundertstel Reserve übernimmt er die Führung. Die Fans im Ziel toben – von Allmen jubelt frenetisch.
11 – Ryan Cochran-Siegle
Auch der Amerikaner stand in diesem Winter schon auf dem Podest, beim Doppelsieg von Marco Odermatt und Franjo von Allmen in Gröden wurde er Dritter. Aber heute wird das nichts mit dem Podium für Cochran-Siegle, er verliert fast neun Zehntel – Zwischenrang 6.
10 – Nils Allègre
Auf dem Abfahrtspodest ist er noch nie gestanden, dennoch kann der Franzose in der Topgruppe starten – es ist die Folge vieler Verletzter und einiger Rücktritte. Glänzen kann er nicht, mit 1,84 Sekunden Rückstand fährt er auf Zwischenrang 8.
9 – Justin Murisier
Zum Auftakt sorgte er mit seinem Sieg in Beaver Creek gleich für einen Paukenschlag. Nun musste der Walliser aber wegen des Sturz von Kriechmayr lange warten. Wie er damit umgeht? Nun, das ist eine durchaus solide Fahrt. Aber Murisier verliert sechs Zehntel auf Hrobat, eingehandelt hat er sich die primär im oberen Streckenteil.
Es geht weiter
Justin Murisier steht im Starthaus und kann in 30 Sekunden losfahren.
Kriechmayr muss gestützt werden
Der Österreicher ist nun im Ziel angekommen, er humpelt und muss gestützt werden. Seine Nase blutet.
Stefan Rogentin im Interview
Dritter wurde der Bündner im Super-G gestern – und das nachdem er im ersten Training hier gestürzt war. Auch heute zeigt er mit Zwischenrang 5 eine ansprechende Leistung. «Ich habe gemerkt, dass nicht mehr so viel Power im System ist, die letzten Tage haben Energie gekostet», hält Rogentin gegenüber SRF fest. «Gestern war das ein super Resultat. Und ich kann von Glück reden, auch heute am Start zu stehen. Es wäre mehr möglich gewesen, aber mit der Vorgeschichte ging einfach nicht mehr. Deshalb hiess es: Kopf einschalten und nicht über das Limit pushen.»
Rennunterbruch
Kriechmayr steht neben der Piste, er scheint Schmerzen am Bein zu haben, einige Helfer sind bei ihm. Das Rennen ist nach wie vor unterbrochen.
8 – Vincent Kriechmayr
Kriechmayr und Wengen, es ist eine Liebesbeziehung. Der Österreicher gewann hier 2019 und 2022, er galt als Mitfavorit. Aber: Von oben bis unten büsst er viel Zeit ein, und zu allem Übel drischt er im Ziel-S ins Sicherheitsnetz. Kriechmayr ist vom heftigen Aufprall gezeichnet, aber kann zumindest aufstehen.
7 – Cameron Alexander
Das erste Training in Wengen absolvierte der Kanadier in dieser Woche als Schnellster. Der Dritte von Bormio war auch im Super-G schnell unterwegs, bis ihm ein Fehler unterlief. Und er ist das auch heute: Zwischenrang 3 für Alexander, mit 14 Hundertsteln Rückstand auf Hrobat.
6 – Dominik Paris
Der 100-Kilo-Brocken glänzte gestern mit Rang 5 im Super-G, «nicht schlecht für ein altes Eisen», sagte er danach grinsend. Im hohen Skifahreralter scheint ihm das Lauberhorn immer besser zu liegen: Letzte Saison wurde er in Wengen Fünfter und Dritter, nun reiht er sich knapp hinter Hrobat auf Platz 2 ein. Dank einem starken zweiten Streckenteil büsst er nur 12 Hundertstel ein.
Otmar Striedinger
Zweiter wurde der Österreicher im ersten Training. Allerdings stand der 33-Jährige letztmals im Dezember auf einem Weltcup-Podest. Und nun?
Auf das Podest jedenfalls wird das nicht gehen, auch Striedinger verliert 1,82 Sekunden auf Hrobat – Zwischenrang 4.
4 – Stefan Babinsky
Der Österreicher legt vor dem Kernen-S einen Gegenschwung ein, auszahlen tut es sich definitiv nicht. Babinsky, der in Österreich schon als ewiges Talent bezeichnet wird, reiht sich mit über zwei Sekunden Rückstand zuhinterst im Klassement ein. Ach ja: Österreich wartet noch immer auf den ersten Abfahrtspodestplatz in dieser Saison.
Fehler gefunden?Jetzt melden.