Libyen-Konferenz beschliesst Waffenstillstand
Die Teilnehmer der internationalen Konferenz in Berlin haben nach stundenlangen Verhandlungen einen gemeinsamen Nenner gefunden.
Die in den Bürgerkrieg in Libyen verwickelten Staaten haben sich auf einen Mechanismus zur Beilegung des Konfliktes geeinigt. Sie verpflichteten sich am Sonntag in Berlin zur Einhaltung eines UNO-Waffenembargos und zu einem Ende der militärischen Unterstützung der Konfliktparteien.
Zudem sollen internationale Anstrengungen zur Überwachung des Militär-Embargos verstärkt werden, heisst es in einer Erklärung von 16 Staaten und Organisationen. Gefordert wird eine umfassende Demobilisierung und Entwaffnung der Milizen. Verletzungen eines Waffenstillstandes sollen sanktioniert werden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, sie sei mit den Ergebnissen der Konferenz zufrieden. US-Aussenminister Mike Pompeo, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und dessen russischer Amtskollege Präsident Wladimir Putin verliessen die Berliner Libyen-Konferenz bereits wieder.
In Libyen brach nach Sturz und Tötung des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 ein Bürgerkrieg aus. Die Regierung von Ministerpräsident Fajis Al-Sarradsch ist international anerkannt, wird von der Türkei unterstützt, hält aber nur kleine Gebiete rund um die Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes.
Gegen Al-Sarradsch kämpft der General Chalifa Haftar mit seinen Verbündeten, die weite Teile des ölreichen Landes beherrschen und unter anderem aus Russland und Ägypten unterstützt werden.
Stärkung der staatlichen Institutionen
Das Berliner Papier formuliert einen neuen politischen Prozess, der eine Stärkung der zentralen Institutionen zum Ziel hat und auf eine Rückkehr zum politischen Prozess unter Führung der Vereinten Nationen abzielt. Eine Reform des Sicherheitssektors müsse das Gewaltmonopol des Staates wieder herstellen, heisst es darin.
Gefordert wird die Respektierung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte. Wer für Angriffe auf Zivilisten und bewohnte Gebiete, Entführungen, aussergerichtliche Tötungen und sexuelle Gewalt, Folter und Menschenschmuggel verantwortlich sei, müsse zur Verantwortung gezogen werden, heisst es. Die Konferenz fordert auch eine transparente und gerechte Verteilung der Öleinnahmen in dem Land.
Auch Grossbritannien, Frankreich, China, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Republik Kongo, Italien, Ägypten, Algerien sowie die Vereinten Nationen, die Europäische Union, die Afrikanische Union und die Arabische Liga waren bei dem Treffen vertreten. Die Polizei war mit einem Grossaufgebot im Einsatz. Strassen rund um Kanzleramt und Reichstag waren abgesperrt, Hotels und Botschaften schwer gesichert.
Teilung des Landes nach Gaddafi
Der Machtkampf in Libyen war nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ausgebrochen. Im Zuge einer Parlamentswahl im Jahr 2014 teilte sich das Land in zwei Regierungen: eine in der Hauptstadt Tripolis und eine Gegenregierung in Tobruk im Osten.
Hintergrund war, dass das von islamistischen Kräften und ehemaligen Rebellen beherrschte Bündnis Fadschr Libia («Libyens Morgenröte») seine Wahlniederlage nicht anerkennen wollte und die Macht in Tripolis an sich riss. Das neu gewählte Parlament zog dagegen in den Osten und beanspruchte ebenfalls die Macht.
Die derzeitige Regierung von Ministerpräsident Al-Sarradsch nahm 2016 in Tripolis ihre Arbeit auf. Sie entstand als Folge einer Vereinbarung über die Machtteilung in Libyen unter UNO-Vermittlung.
Al-Sarradsch gelang es mit seiner begrenzten Macht im Land aber nicht, politische Differenzen der beiden Regierungen wie erhofft zu überwinden. Das Parlament im Osten erkannte die Sarradsch-Regierung zudem nicht an und stützte dagegen die selbst ernannte Libysche Nationalarmee (LNA) des einflussreichen Generals Haftar.
Die wichtigsten Beschlüsse der Libyen-Konferenz:
1. Selbstverpflichtung der Konferenzteilnehmer auf Nicht-Einmischung in Libyen
Im ersten Teil der Abschlusserklärung heben die Konferenzteilnehmer hervor, dass es «keine militärische» Lösung zur Beilegung des Konflikts in Libyen geben könne und bekräftigen ihre Unterstützung für die Friedensbemühungen des UNO-Sondergesandten Ghassan Salamé. Betont wird zudem das Bekenntnis der Konferenzteilnehmer zur «Souveränität, Unabhängigkeit, territorialen Unversehrtheit und nationalen Einheit Libyens».
Zu den wichtigsten Punkten der Abschlusserklärung gehört die Selbstverpflichtung der Konferenzteilnehmer, sich «nicht in den bewaffneten Konflikt in Libyen und in die inneren Angelegenheiten» des Landes einzumischen sowie die Aufforderung an «alle internationalen Akteure», dies ebenfalls zu unterlassen.
2. Forderung nach dauerhaftem Waffenstillstand und Entwaffnung aller Milizen
Bei den Beschlüssen zum Waffenstillstand handelt es sich vor allem um Appelle. Die Konferenzteilnehmer fordern die «Einstellung aller militärischen Bewegungen seitens oder in direkter Unterstützung der Konfliktparteien» ab dem Beginn des Waffenstillstandsprozesses. Gefordert wird darüber hinaus die «Demobilisierung und Entwaffnung bewaffneter Gruppierungen und Milizen». Schwere Waffen sollen zurückgezogen werden, Kampfflugzeuge am Boden bleiben, Milizen auf beiden Seiten aufgelöst werden.
Gefordert wird zugleich die Einleitung eines von der UNO unterstützten Prozesses zu dem Waffenstillstand. Dabei soll es nach einer Entwaffnung von Milizen und bewaffneten Gruppen in Libyen um die «Eingliederung geeigneten Personals» in zivile, sicherheitsbezogene und militärische Institutionen des Staates gehen. Alle Konfliktparteien sollen sich von Gruppierungen, die von der UNO als «terroristisch» eingestuft werden – wie dem Islamischen Staat (IS) oder al-Qaida – distanzieren. Unter UNO-Vermittlung sollen Experten die Einhaltung des Waffenstillstands, die Auflösung bewaffneter Gruppen und den Aufbau vorläufiger Sicherheitsstrukturen überprüfen. Der UNO-Sicherheitsrat wird aufgefordert, «angemessene» Sanktionen gegen jene zu verhängen, die gegen die Waffenstillstandsvereinbarungen verstossen.
3. Verpflichtung zur Einhaltung des Waffenembargos
Die Konferenzteilnehmer verpflichten sich zur «unzweideutigen» und «vollständigen» Einhaltung des 2011 gegen Libyen verhängten Waffenembargos und fordern alle internationalen Akteure auf, dies ebenfalls zu tun. Die «Finanzierung militärischer Fähigkeiten und die Rekrutierung von Söldnern» wird ausdrücklich als Verstoss gegen das Waffenembargo bezeichnet.
Die Teilnehmerstaaten verpflichten sich, die UNO über alle Verstösse gegen das Waffenembargo zu informieren. «Alle Akteure» werden aufgerufen, ab sofort «die vom UNO-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen gegen diejenigen anzuwenden und durchzusetzen, die nachweislich gegen das Waffenembargo des UNO-Sicherheitsrates oder den Waffenstillstand verstossen».
4. Rückkehr zum politischen Prozess
Die Konferenz fordert die Einrichtung eines funktionsfähigen Präsidentschaftsrates und die Bildung einer «alle Seiten einbeziehenden und handlungsfähigen libyschen Einheitsregierung», die parlamentarisch anerkannt werden soll.
Die libyschen Konfliktparteien werden aufgefordert, den politischen Prozess unter Federführung der UNO wiederaufzunehmen. Damit soll der «Weg zur Beendigung der Übergangsperiode» durch freie und faire Parlaments- und Präsidentschaftswahlen unter Aufsicht der nationalen Wahlkommission geebnet werden. Die Konferenzteilnehmer verpflichten sich, die «Ergebnisse dieses innerlibyschen politischen Prozesses zu akzeptieren».
5. Die Reform des öffentlichen Sektors in Libyen und Einhaltung der Menschenrechte
Die Konferenzteilnehmer fordern die «Wiederherstellung des rechtmässigen Gewaltmonopols des Staates» sowie die Schaffung nationaler Sicherheitsorgane, darunter Polizei und Armee. Alle Seiten in Libyen werden zur Achtung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte aufgefordert. Zivilisten, Migranten und Flüchtlinge sollen – auch durch die Zusammenarbeit mit UNO-Stellen – geschützt werden. Auch ein Ende willkürlicher Inhaftierungen in Libyen wird gefordert. Haftlager für Flüchtlinge und Asylbewerber sollen schrittweise geschlossen werden.
SDA/nag
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