Clubboss von Lazio RomAls Politiker schläft der Fussballpräsident gerne mal ein
Claudio Lotito führt die S.S. Lazio seit 20 Jahren. Gerade ist sie in unsteter Verfassung Achte. Doch die Champions League bringt Glanz und Glamour in die Provinz.
Wenn man sich die Machthierarchie des italienischen Fussballs ein bisschen pauschal anschaut, steht Lazio Rom nicht sehr weit oben. Von den «sechs Schwestern» der Serie A, wie man die grössten Vereine im Land nennt, ist die S.S. Lazio eine eher kleine, wenn auch eine alte: geboren 1900, zunächst als Laufverein. 27 Jahre vor den ewigen Rivalen in der Stadt, der etwas höher kotierten und vor allem populäreren AS Roma. Und aus diesem Umstand beziehen die Laziali dann auch einen schönen Teil ihres Stolzes. «Nati prima», sagt man in Rom, «früher geboren.» Immerhin das.
Schaut man aber etwas genauer hin, hat Lazio ihren Machtfaktor zumindest politisch deutlich ausgebaut. Claudio Lotito, der Vereinsbesitzer und Reinigungsunternehmer, eine Figur wie aus der Commedia dell’Arte, sitzt seit 2022 für die bürgerliche Partei Forza Italia im Senat, der kleineren Kammer des italienischen Parlaments. Gewählt wurde er in der Region Molise, wohl gemerkt, nachdem er allen mitgeteilt hatte, dass er in seinem ganzen Leben noch nie da war.
Im Senat interessiert er sich vor allem für die Geschäfte mit dem Fussball, eigentlich nur dafür. Es kam schon vor, dass sie ihn im Saal wecken mussten, als man zur Abstimmung schritt. Wird er von Parlamentsmedien befragt, dann nur zum Fussball.
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Neulich, als es um die Verabschiedung des Haushaltsgesetzes für 2024 ging, versuchte Lotito mit einem abenteuerlichen Manöver, einen Passus unterzubringen: Die Fussballstars sollten fiskalisch gleich behandelt werden wie rückkehrwillige Italienerinnen und Italiener, die verzweifelt ins Ausland gezogen waren, um dort einen Job zu finden, weil sie daheim keinen fanden. Lotito fiel damit durch, das war dann doch zu frivol. Aber sonst: Er hält Hof.
Lotito ist natürlich kein Silvio Berlusconi und schon gar kein Gianni Agnelli, die ihre grossen Vereine, Milan und Juve, zu ihrer Zeit mit einer gewissen Majestät verkörperten. Aber Lotito passt mit seinem römischen Slang nun mal gut zum Provinzialismus von Lazio. Und wenn er zuweilen auch angefeindet wird wegen seiner Preispolitik bei den Eintrittskarten, ist er seit seiner Vereinsübernahme vor zwanzig Jahren eben doch recht erfolgreich.
Erfolgreicher jedenfalls, als es die relativ dürftigen Mittel vermuten liessen, die er dem Club zuführt. Oft auch erfolgreicher als die Roma. Mit Simone Inzaghi als Trainer war man sogar nahe dran, den Meistertitel wieder mal zu gewinnen, der bisher letzte liegt eine Generation zurück. Inzaghi verliess Lazio vor eineinhalb Jahren und brach Lotito das Herz. Offenbar war man sich einig gewesen, dann wechselte Inzaghi zu Inter Mailand, rauf in die oberste Hierarchiestufe des Calcio, zu einer wirklich grossen Schwester. Für Lotito war er wie ein Sohn.
Mit Maurizio Sarri, dem aktuellen Trainer, ist es mit der Harmonie nicht so weit her, was mindestens genauso stark am eigensinnigen, gern auch mal undiplomatischen Toskaner liegt.
Und nun also den «Sarrismus»
Treccani, die italienische Enzyklopädie, führt dessen Fussballphilosophie unter dem Eintrag «Sarrismo», also Sarrismus. Man versteht darunter in Italien einen offensiven, schnellen Fussball, 4-3-3: viel Ballbesitz, mit möglichst wenig horizontalem Geschiebe. Er verzückte damit Neapel, das war der «Sarrismo» nahe an der Symphonie, auch wenn es dann nicht zum Titel reichte. Mit Chelsea und mit Juventus Turin war es etwas weniger glorreich.
So kam er zu Lazio. Zum «Sarrismo» gehört auch die knorrige Sturheit des perfektionistischen Protagonisten. Nie denkt man mal beim Zuschauen: Jetzt freut er sich, jetzt gefällt ihm die Leistung. Sarri, der ein Dreiviertelleben lang in unteren Ligen gecoacht hatte, steht unrasiert am Spielfeldrand, im Trainingsanzug, mit einem Zigarettenfilter im Mund, rauchen soll er ja nicht, und schaut kritisch auf den Platz.
Sein Spiel braucht einen Regisseur, der den Rhythmus bestimmt, die Tempi moderiert, beschleunigt und bremst, je nach Bedarf. Der Spanier Luis Alberto wäre dieser Spieler, der aufregendste Akteur im Team. Doch in dieser Saison ist er das Abbild der Mannschaft: sehr unstet, launisch auch im Auftritt. Lazio ist nur Achte der Serie A, weit unter den Ambitionen von Sarri und Lotito. Wäre da nicht die Champions League, müsste man vielleicht schon mal reden. Seit dem Weggang des langjährigen Sportdirektors Igli Tare kümmert sich Lotito auch um die Transfers. Und auch da ist er nicht immer ganz wach. Oder reut ihn das Geld? Man weiss es nicht genau.
Zur neuen Saison hat er unter anderem den Japaner Daichi Kamada von der Eintracht geholt, der in Frankfurt ja eine Leuchte war. Bei Lazio spielt er fast nie von Beginn weg. Damit Ciro Immobile zu alter Effektivität zurückfindet, holte Lotito Taty Castellanos, für etwas Konkurrenz auf der Neun. Und erzählte den Fans, die noch nie von diesem Argentinier gehört hatten, der sei eine «wahre Erscheinung».
Nun, zwei Tore gelangen dem «fenomeno» bisher bei insgesamt 25 Einsätzen, Meisterschaft und Champions League. Und Ciro Immobile? Hat gerade sein 200. Tor in der Serie A erzielt. Er ist jetzt schon eine Legende der Laziali, mag er anderswo auch belächelt worden sein, der grosse Bruder der kleinen Schwester.
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