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Streit in Europa
Ruf aus dem enttäuschten Süden

Das Trio vom Mittelmeer: Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Spaniens Premier Pedro Sánchez.
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Aus dem Süden Europas ertönt ein verzweifelter Ruf, gerichtet an alle Partner in der Europäischen Union: Jetzt oder nie. Angestimmt wird er von drei Ländern, die von der Pandemie besonders stark getroffen sind: Italien, Spanien und Frankreich. In Italien spricht man bereits vom «Fronte mediterraneo», der Front des Mittelmeers. Auch das Wort «Achse» zwischen Rom, Paris und Madrid wird schon bemüht, obschon der Begriff normalerweise geografisch und historisch anders besetzt ist. Aber was ist schon normal gerade? Und wie gewiss ist das Mittun Frankreichs?

«Europa riskiert den Bruch.»

Pedro Sánchez, sozialistischer Premier Spaniens

Der Streit über die passende wirtschaftliche Antwort auf die Folgen der Corona-Krise geht in eine entscheidende Woche, eine potenziell dramatische. Noch stehen sich die Gegner einer Vergemeinschaftung von Schulden (insbesondere Deutschland, die Niederlande und Österreich) und die südlichen Fürsprecher einer Teilung der Last scheinbar unversöhnlich gegenüber. «Europa riskiert den Bruch», schreibt Spaniens Premier Pedro Sánchez in einem offenen Brief, den die römische Zeitung «La Repubblica» am Sonntag publizierte. Es ist ein flammendes Plädoyer geworden gegen «alte Dogmen» und für «grosses Denken». «Ohne Solidarität untereinander gibt es keinen Zusammenhalt, ohne Zusammenhalt entfremden wir uns, und das würde das europäische Projekt schwer beschädigen.»

Von der Leyen spricht von «Marshall-Plan»

Für Dienstag ist nun eine Videokonferenz der Wirtschafts- und Finanzminister der Eurogruppe geplant. Sie wird alle möglichen Lösungen prüfen, so jedenfalls steht es in der Aufgabenstellung. Am Donnerstag soll dann eine weitere Videositzung des Europäischen Rats mit den Staats- und Regierungschefs folgen – so die Südallianz die Verhandlungen nicht vorher abbricht. Gibt es nämlich keine Diskussionen über «Corona-Bonds» oder wie man eine Aufwendung auch nennen mag, die von allen 27 Ländern getragen würde, müsste der Europarat wohl auf die Zeit nach Ostern verschoben werden.

Es ist ja nicht so, dass man zum Beispiel in Rom fände, Europa sei untätig: Die Aussetzung des Stabilitätspakts, die Zulassung von Staatshilfen, das Kurzarbeitsprogramm «Sure» der EU-Kommission über 100 Milliarden Euro, der Fonds der Europäischen Investitionsbank für die Unternehmen über 200 Milliarden Euro, das Programm der Europäischen Zentralbank für den Aufkauf von Staatsanleihen – das alles nimmt man im Süden durchaus wahr. «Aber das reicht nicht», schreibt auch Sánchez. Die Herausforderung sei sehr viel grösser, als es die Mittel seien, die bisher versprochen worden seien.

In diesem Zusammenhang fällt nun oft ein anderer historisch vorbelasteter Begriff: «Marshall-Plan». Wie nach dem Krieg, als die USA für Westeuropa ein grosses Paket für den Wiederaufbau auflegten, sei nun wieder Zeit für eine Sonderanstrengung, diesmal Europa für Europa. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb in einem Gastbeitrag in der «Welt am Sonntag» von der Notwendigkeit eines «Marshall-Plans für Europa». Dafür müsse der EU-Haushalt angepasst werden.

Eine Billion Euro wären nötig

Entscheidend bleiben das Wie und das Wieviel. Bisher zeigten sich die Gegner gemeinsamer Staatsanleihen höchstens bereit, über einen etwas modifizierten Zugang zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu reden. Der ESM vergibt in der Regel nur Darlehen und knüpft sie an strenge Bedingungen. Italien und Spanien aber mögen in dieser Viruskrise, die sie selbst nicht verschuldet haben, keine Konditionen hinnehmen, als wäre das eine klassische Schuldenkrise.

Frankreich wiederum hat einen Vorschlag aufgebracht, der wie ein Kompromiss anmutet und seinen Präsidenten Emmanuel Macrons in die Rolle des «Züngleins an der Waage» bringt, wie es der «Corriere della Sera» anmerkt: Um die Falken zu beruhigen, die sich vor einer schleichenden Einführung von dauerhaften Eurobonds fürchten, soll der Fonds für die Überwindung der Rezession klar als einmalig deklariert und mit Fristen versehen werden. Die Italiener und die Spanier wären einverstanden. Die Frage ist dann aber, wie üppig der Fonds ausgestattet wäre: In Rom hält man eine Billion Euro für einen angemessenen Betrag.