Italien empört über EU: Keine Zeit für «Papierkram»
Das Ergebnis des EU-Krisengipfels zu den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie hat in Italien heftige Kritik ausgelöst.
«Das Wort Loyalität hat für uns grosses Gewicht. Wir erwarten, dass Europa seinen Teil dazu beiträgt», erklärte Aussenminister Luigi Di Maio am Freitag auf Facebook. Mit «schönen Worten» könne man nichts anfangen.
Italien setzt sich zusammen mit acht weiteren Staaten für die gemeinsame Aufnahme von Schulden ein. Erwogen werden dafür sogenannte Corona-Bonds, also gemeinsame Anleihen der Eurostaaten.
Allem voran Deutschland, die Niederlanden und Österreich lehnten diese am Donnerstag bei einer Video-Konferenz jedoch strikt ab. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte am Donnerstagabend auf dem Videogipfel, sie fände die Nutzung des Eurorettungsschirms ESM besser. Dessen Kredite wären mit Bedingungen verbunden.
Di Maio sagte dazu, die EU könne nicht nur dann bereit sein zu helfen, wenn «alte Instrumente» eingesetzt würden, «die einige Länder bereits vor zehn Jahren ohne grossen Erfolg eingesetzt haben». Italien ist besonders von der Covid-19-Krise betroffen und ist zudem sowieso schon hochverschuldet.
«Wir haben den anderen Mitgliedstaaten gesagt, dass Italien alles Geld ausgeben wird, um unseren Bürgern zu helfen, und jetzt ist nicht die Zeit, Parameter, Papierkram und Bürokratie zu berücksichtigen», sagte Di Maio. «Denn wenn man einen Krieg führt, muss man schnell handeln und das Land mit aller Kraft verteidigen.»
Portugal kritisiert die Niederlande
Auch Portugals Regierungschef Antonio Costa kritisierte nach dem EU-Gipfel die harte Haltung einiger Staaten – in erster Linie der Niederlande.
Dass die niederländische Regierung eine Untersuchung zur Haushaltspolitik einiger EU-Staaten verlangt habe, sei «widerwärtig» und «rücksichtslos», sagte Costa in der Nacht zum Freitag. Dies untergrabe «völlig den Geist der Europäischen Union» und sei «eine Bedrohung für die Zukunft» der EU.
Costa antwortete auf eine Frage nach einer Forderung des niederländischen Finanzministers Wopke Hoekstra. Dieser soll demnach die EU-Kommission aufgefordert haben eine Untersuchung zu der Frage einzuleiten, warum bestimmte Mitgliedstaaten über keine Haushaltsspielräume verfügen, um gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise vorzugehen.
Nach niederländischen Medienberichten hatte Hoekstra mehrfach kritisiert, dass einige Länder nicht genug gespart haben, um für unvorhersehbare Ereignisse gewappnet zu sein.
Auch Sassoli kritisiert EU-Chefs
EU-Parlamentspräsident David Sassoli warf seinerseits den EU-Mitgliedstaaten Verantwortungslosigkeit im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise vor.
«Ich hätte von den Staats- und Regierungschefs eine stärkere Übernahme von Verantwortung erwartet», erklärte Sassoli am Freitag. Einige Regierungen hätten bei der Debatte um Finanzhilfen für finanziell schwächere Länder «Kurzsichtigkeit» und «Egoismus» an den Tag gelegt.
«Die Länder müssen in der Lage sein, alles auszugeben, was sie ausgeben müssen», forderte der Italiener Sassoli. Dazu sei ein gemeinsames Schuldeninstrument nötig. «Wir haben jetzt zwei Wochen Zeit, um neue Antworten zu finden, und wir hoffen, dass in dieser Zeit die Vorbehalte, die einige hatten, ausgeräumt werden.» Sassoli hatte vor dem Gipfel ebenfalls für Corona-Bonds eingesetzt.
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