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Schnelle Philosophin im Interview
Sind Hunde die grössten Feinde von Läuferinnen und Läufern?

Gesammelte Gedanken: Sabrina Little mit ihrem ersten Buch (und GPS-Uhr).
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Sabrina Little ist das, was man einen Tausendsassa nennt: Die Amerikanerin (38) zählte über Jahre zu den weltbesten Ultramarathonläuferinnen, hielt den 24-Stunden-US-Rekord (244,6 km), bekam zwei Töchter – und will sportlich nochmals durchstarten. Parallel zum Spitzensport studierte sie (Religions-)Philosophie an der Elite-Uni Yale. Mittlerweile ist sie Professorin.

Hier beantwortet sie grosse und kleine Fragen zum Laufsport sowie Weisheiten, die Läuferinnen und Läufer – oder allgemein Sportlerinnen und Sportler – immer wieder zu hören bekommen. Passend dazu: Sie hat gerade ihr erstes Buch publiziert, es heisst: «The Examined Run», es geht natürlich um Philosophie und den Laufsport.

Sabrina Little, starten wir damit: Viele Trainings sind einfach nur langweilig.

Was ist Langeweile? Das Training ist ein Prozess des Aufbaus, und vieles davon ist nicht spektakulär. In unserer Kultur neigen wir aber oft dazu, nach etwas zu suchen, was uns unterhält oder anregt. Aber nicht an jedem Tag wird einem applaudiert oder wird sofort sichtbar, was man leistet. Es ist gerade diese unspektakuläre, stetige Arbeit, die uns letztlich voranbringt.

Warum allein joggen, wenn man gemeinsam joggen gehen kann?

Wenn man mit Freunden laufen kann, ist das der beste Motivator und eine Möglichkeit, sich auf die Stärken eines anderen zu verlassen, wenn man selber schwach ist. Fehlt der Laufbuddy, was ja oft vorkommt, muss man sich selber Ziele setzen, um mit Schwächephasen klarzukommen.

Gute Menschen sind bessere Läufer und Läuferinnen.

Sie denken jetzt wohl an all die schrecklichen Menschen, die Sie kennen, die schnell laufen oder in anderen Sportarten wirklich gut sind. Aber viele Tugenden fördern die Leistung. Wenn Sie Ihre Kräfte beim Laufen gleichmässig einteilen, kommen Sie schneller ans Ziel – oder wenn Sie auch in schwierigen Situationen durchhalten. Diese Eigenschaften sind Teil eines guten Lebens und helfen, auch im Sport zu brillieren. Darum: Sie machen einen zu einem guten Menschen und besseren Läufer.

Humor kann uns helfen, schneller zu rennen.

Humor fördert die Lebensdemut. Es ist eine Art von Leichtigkeit, mit der man seine Widersprüche anerkennt – und das fördert die Leistung, weil man widerstandsfähiger wird.

Wie kann ich zu einem souveränen Verlierer werden?

Indem Sie Ihre Konkurrenten loben, wenn ihnen diese Ehre gebührt, weil diese Sie übertroffen haben. Und dann arbeiten Sie härter daran, ein besserer Konkurrent zu werden. Vielleicht neigt man zu Beginn dazu, neidisch zu sein, aber man kann wirklich üben, ein besserer Verlierer zu werden.

Es gibt produktive und unproduktive Formen des Leidens.

Wir loben jede Form des Leidens im Laufsport, weil wir stolz sind, wenn wir den Körper unserem Willen unterwerfen. Natürlich gibt es Formen des Leidens, an denen der Körper wachsen und die er verkraften kann. Aber es gibt auch Formen, die schlicht unklug sind und dem Körper langfristig schaden. Ich glaube darum nicht, dass man diese Formen des Leidens meistern sollte. Den weitverbreiteten Spruch «No pain, no gain» finde ich darum nicht besonders klug.

Kleine Schritte führen zum Meister oder zur Meisterin.

Niemand wird innert eines Tages hervorragend werden. Exzellenz ist darum etwas, das man langsam aufbauen und mit der Zeit verfeinern muss. Wer also eine Meisterin werden will, denkt langfristig.

Geduld ist die Tugend, Schwierigkeiten auszuhalten.

Wenn wir heute jemanden sehen, der geduldig ist, halten wir ihn oft für passiv. Aber das stimmt nicht. Geduld ist eine Tugend, die oft mit Ausdauer einhergeht. Denn wenn man auf ein Ziel hinarbeitet, bedeutet das, dass man abwarten muss und nichts überstürzen darf. Diese Art von abwägender Reaktion auf etwas erfordert viel Kraft.

Laufen wird nie einfacher.

Als ich mit dem Laufen anfing, dachte ich, dass irgendwann der glorreiche Tag kommen werde, an dem mir das Laufen leichtfalle. Aber das ist nie passiert, weil man sich mit Training ja verbessert. Was vorher gut war, wird plötzlich normal. Oder ich pausiere, muss wieder aufbauen – und was mir vorher leichtfiel, ist plötzlich schwierig. Darum die schlechte Nachricht: Laufen wird nie einfacher.

«Wir würden eine Menge Möglichkeiten für Wachstum und Freundschaft verpassen, wenn wir das Vergleichen sein liessen»: Sabrina Little.

Gewinnen wird überbewertet.

Es kommt darauf an, was man unter gewinnen versteht. Was ich nicht zwingend darunter verstehe: als Erster die Ziellinie zu überqueren. Gewinnen kann nämlich auch bedeuten, dass man sich zeitlich verbessert hat, länger am Stück rennen konnte – oder schlicht Spass an einem Wettkampf hatte. Es gibt viele Möglichkeiten, erfolgreich zu sein.

Der Zweite ist der erste Verlierer.

Ich mag den Unterton dieser Aussage nicht. Ein Wettkampf besteht nicht in einem sinnbildlichen Streit mit den Konkurrenten. Es geht also nicht darum, dass eine Person als Siegerin hervorgeht und die anderen als Verlierer. Der Kern eines Wettbewerbs besteht darin, dass alle ihr Bestes geben, sich pushen und beflügeln – und so voneinander profitieren. Es geht also darum, in diesem kollektiven Akt des gemeinsamen Strebens das Beste aus sich herauszuholen. Entsprechend gibt es im Prinzip nie Verlierer. Zugleich geht diese Denkweise, dass nur der Sieger zählt, bis auf die Griechen zurück. Es ist schlicht ein menschliches Bedürfnis, den anderen überlegen zu sein.

Mütter sind weisere Läuferinnen.

Bevor ich Mutter wurde, habe ich mich als Profisportlerin in 1000 Dingen an die erste Stelle gesetzt. Wenn man Mutter wird, ist man in gewisser Weise weniger egoistisch. Und so denke ich, dass man wahrscheinlich eine bessere und geordnetere Beziehung zum Sport hat, wenn jemand anderes in deinem Leben an erster Stelle steht. Zugleich wird man als Mutter zum Vorbild und muss sich darum mit vielen Fragen beschäftigen, beispielsweise: Welche Werte will ich meinen Kindern vermitteln?

Sind Hunde die grössten Feinde von Läuferinnen und Läufern?

Ich wurde vor ein paar Jahren von einem Hunderudel angegriffen. Es ist ziemlich erschreckend, wenn das passiert. Ja, ich glaube darum, es gibt nichts Beängstigenderes für Läuferinnen und Läufer als Hunde, die auf einen zustürmen.

Soll ich eine GPS-Uhr tragen, mich generell vermessen?

Eine solche Uhr ist ein sehr wertvolles Trainingsinstrument. Manchmal aber nutzen wir solche Geräte als scheinbar allwissende Wegweiser für unser Leben. Wenn man ihnen zu viel Aufmerksamkeit schenkt, erhalten wir zwar interessante Informationen, aber sie sagen nur etwas über einen sehr kleinen Ausschnitt unseres Lebens aus. Ob wir ein glückliches Leben führen, erfährt man damit nicht.

Wie kann ich ein durchschnittlicher Läufer in einem durchschnittlichen Körper sein – und doch glücklich und zufrieden mit mir als Sportler?

Aristoteles beschreibt das tugendhafte Leben als ein Leben, in dem man stetig versucht, die eigene Exzellenz zu erreichen. Das heisst: Wo auch immer Ihre Limiten sind, ob geistig, körperlich, künstlerisch, üben Sie sich darin, besser zu werden.

Was kann uns die Philosophie lehren, wenn wir verletzt sind?

Dass man ehrlich mit sich sein muss, wo die eigenen Grenzen sind. Pausen spielen dabei eine zentrale Rolle. Wir sollten also nicht zu gierig sein als Sportler. Wer seine Grenzen zu sehr überschreitet, wird schnell zum Ikarus und gerät in Schwierigkeiten.

Schlecht aussehen gehört zum Laufen.

Wir Menschen sind sehr imagebewusst. Wir präsentieren gern diese Art von fiktiven Versionen von uns selbst, die immer perfekt in Szene gesetzt sind. Aber ein Grossteil der harten Arbeit besteht darin, unordentlich auszusehen. Die Realität und das, was wir von uns mitunter in den sozialen Medien zeigen, könnte nicht abweichender sein.

Der Vergleich ist der Dieb der Freude.

Vergleiche sind erst einmal nur ein Blick auf eine andere Person, also ein Mittel – und das kann man produktiv nutzen, statt neidisch auf andere zu sein. Ich kann jemanden nachahmen oder ihn bewundern und daran wachsen. Deshalb finde ich es tragisch, dass wir den Vergleich als etwas ansehen, was uns schadet. Denn wir würden eine Menge Möglichkeiten für Wachstum und Freundschaft verpassen, wenn wir das Vergleichen sein liessen.

Sollte ein Trainer eine Vaterfigur sein?

Eine zu enge und familiäre Beziehung führt dazu, dass Athleten und Athletinnen gerade in heiklen Situationen zu wenig skeptisch sind und die entscheidenden Fragen unterdrücken.

Warum schnell rennen, wenn man langsam rennen kann?

Wir sind körperliche Wesen und verändern uns als Reaktion auf Unbehagen und Belastung. Trotzdem sollte man circa 80 Prozent seines Trainings locker absolvieren. Aber ein bisschen Unbehagen wird dazu führen, dass man seine Fitness steigert und reift.