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Ausschluss aus Serie A droht
Lässt Lazio Rom vorsätzlich Corona-positive Spieler aufs Feld?

Positiv, negativ oder «leicht positiv»? Ciro Immobiles Corona-Test-Resultate sind je nach Labor unterschiedlich. 
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Mit der Gesundheit, schreibt die «Gazzetta dello Sport», scherze man nicht, und natürlich ist das eine Plattitüde. Gerade in diesen Zeiten. Über dem italienischen Fussball hängt aber nun der Verdacht, dass sich ein Verein aus der höchsten Spielklasse einen traurigen und strafrechtlich relevanten Scherz erlaubt haben könnte, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu erschleichen.

Die Rede ist von Lazio Rom, dem Club im Besitz des römischen Reinigungsunternehmers Claudio Lotito, eines Mannes von ungefährer Kultur und mit unfreiwillig satirischem Auftritt. Seit einigen Tagen hört man Lotito oft über Medizin dozieren, was in anderen Zeiten komisch sein könnte: über Viren, Gene, Bakterien. Dabei ist es schon ein Verteidigungsplädoyer.

Claudio Lotito, Präsident von Lazio Rom, fragt: «Aber was heisst schon positiv? Positiv heisst ansteckend, oder?»

Seinem Verein droht viel Ungemach vor den Gerichten, den sportlichen wie den republikanischen, vielleicht sogar der Ausschluss aus der Serie A, dazu Haftstrafen für die Verantwortlichen. Sollten die Ermittler nämlich zu der Überzeugung gelangen, dass Lazio tatsächlich fahrlässig und womöglich willentlich Risiken in Kauf genommen hat in der Pandemie, und zwar mit dubiosen Testresultaten aus einem Labor weit weg von Rom, dann stehen Lazio und Lotito schwere Zeiten bevor. Aber dazu gleich.

«Leicht positiv» vor dem Spitzenspiel

Am Sonntag empfing Lazio im Olympiastadion Juventus Turin, ein Spitzenspiel der Serie A. In der vergangenen Saison hatten sich die zwei Vereine lange Zeit ein spannendes Duell geliefert, ungewöhnlich knapp, bis die Seuche den Lauf der Römer jäh unterbrach. Lotito hält das immer noch für ein Komplott kosmischen Ursprungs. Drei Stammspieler Lazios fehlten beim 1:1, weil sie Covid-19 haben: Torhüter Thomas Strakosha, Mittelfeldspieler Lucas Leiva und Ciro Immobile, Europas bester Torschütze der letzten Saison, Stolz und werdende Legende Lazios. Wobei: Für Lazio waren sie gesund, negativ auf Corona getestet – oder höchstens «leicht positiv». Diesen Unterschied machen sie nur bei Lazio.

Wäre es nach dem Vereinsarzt und dem Labor gegangen, das für die Römer die Tests durchführt, hätten die drei spielen dürfen. Immobile war am Samstag mit seinem Lamborghini im Trainingszentrum von Lazio vorgefahren, bereit für die letzten Übungseinheiten. Doch dann rief das Gesundheitsamt an und verfügte für alle drei Spieler sofortige Quarantäne. Das war am Nachmittag, das Chaos schien perfekt zu sein.

Am Abend liess sich dann die Polizei den Weg in die Vereinsbüros von Lazio weisen, sie beschlagnahmte Computer und Gesundheitsakten. Gleichzeitig durchsuchten Ermittler der Staatsanwaltschaft die Labors von Futura Diagnostica in Avellino, einer Kleinstadt bei Neapel, etwa 220 Kilometer von Rom entfernt. Dort lässt Lazio seine Wattebäusche analysieren.

Steuert Lazio sein eigenes Schicksal in der Pandemie?

Das ist speziell, nicht nur wegen der Distanz. Warum wählte Lazio ein Labor in Avellino, in der Region Kampanien? Lotito sagt, er habe kein passendes in Rom gefunden, und weil sein anderer Verein, die Salernitana aus Salerno, bei der Futura Diagnostica sei, habe er auch Lazio dort angemeldet. Nun, die Ermittler haben da ihre Zweifel. Sie vermuten, die Wahl habe einen ganz anderen Hintergrund.

Ein Labor in Rom hätte die Gesundheitsbehörden der Region Latium automatisch über jeden positiven Fall benachrichtigen müssen. Bei einem Labor in der Nachbarsregion Kampanien ist das anders, da fällt die Meldepflicht dem Verein zu. Steuerte Lazio so etwa nach Belieben sein eigenes Schicksal in der Pandemie? Nur ein einziger anderer Serie-A-Verein wählte ein Labor ausserhalb seiner Region: Aufsteiger La Spezia lässt seine Tests nicht im heimischen Ligurien machen, sondern im toscanischen Florenz – bei Synlab. Auf dasselbe Labor verlassen sich fast alle Vereine in Italien, auch die Uefa und die italienische Nationalmannschaft gehen zu Synlab.

«Auch in der Vagina der Frauen, aller Frauen der Welt, gibt es Bakterien. Aber es sind doch nicht alle Bakterien pathogen.»

Claudio Lotito, Lazio-Präsident

Der mutmassliche Skandal um Lazio begann vor zwei Wochen, als das Kader für die anstehende Begegnung gegen den belgischen Meister Brügge in der Champions League getestet wurde. Hier die Chronologie der Affäre, jedes Datum zählt.

Positiv für die Uefa – negativ für den Verein

Am 28. Oktober findet Synlab für die Uefa bei Lazio drei positive Fälle: Strakosha, Leiva, Immobile. Sie dürfen nicht nach Brügge fahren. Am 30. und 31. Oktober lässt Lazio wieder die ganze Mannschaft von der Futura Diagnostica in Avellino testen, und siehe da: alle negativ, auch Immobile & Co. Die drei reisen mit nach Turin zum Spiel gegen Torino. Immobile wird zum Schluss eingewechselt und trifft. Lazio gewinnt nach einer verrückten Aufholjagd und in letzter Minute 4:3.

Tags darauf, 2. November, meldet Synlab der Uefa drei positive Fälle bei Lazio: Strakosha, Leiva, Immobile. Gegen Zenit St. Petersburg fallen sie aus. Am 3. November sind aber wieder alle negativ, wenigstens für die Futura Diagnostica. Positiv für die Uefa, negativ für Lazio?

Goalie Thomas Strakosha: Auch er gehört zu den drei Spielern Lazios, die nur «leicht positiv» waren. 

Die «Farce», wie die «Gazzetta» es nennt, geht beinahe auf, das Spitzenspiel gegen Juve ist nur ein paar Tage weg. Als Lotito gefragt wird, ob er denn sicher sei, dass die drei nicht infiziert seien, sagt er der Zeitung «La Repubblica»: «Aber was heisst schon positiv? Positiv heisst ansteckend, oder?» Für Lotito waren sie das nicht. Und dann fügt er noch diesen denkwürdigen Satz an: «Auch in der Vagina der Frauen, von allen Frauen der Welt, gibt es Bakterien. Aber es sind doch nicht alle Bakterien pathogen.» Viren, Bakterien – alles einerlei für Lotito. Am 7. November wird Lazio aufgefordert, Schnelltests in einem Drittlabor in Rom durchzuführen, drei fallen positiv aus: Strakosha, Leiva, Immobile. Das Gesundheitsamt schreitet ein.

Eine Farce? Oder viel, viel mehr? Torino pocht auf Wiedergutmachung: auf einen 3:0-Sieg am grünen Tisch. Der Fussballverband prüft, ob Lazio das Sicherheitsprotokoll verletzt habe und, wenn ja, wie gross die Gesundheitsrisiken waren, die der Verein mit den Regelverstössen ausgelöst hat. Davon würde dann auch die Härte der Strafe abhängen: Das Spektrum reicht von einer Geldstrafe über Punktabzüge bis hin zum Ausschluss aus der Meisterschaft. Auch die ordentliche Justiz untersucht den Fall auf Fälschung und Betrug. Relevant ist auch Artikel 452 des italienischen Strafgesetzes, er handelt von «fahrlässiger Verursachung einer Epidemie». Im Höchstfall stehen darauf zwölf Jahre Haft.

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