Statistiken zeigen Folgen von CoronaLässt der Lockdown das Bargeld verschwinden?
Der Lockdown hat grossen Einfluss auf die Ausgabegewohnheiten der Bevölkerung. Das Bargeld leidet, aber Zahlen zeigen: Die Kreditkarten haben davon nur wenig profitiert.
2’861’300 Mal wurde am 16. März mit einer Debitkarte bezahlt. Dann kam der Lockdown. Die Läden wurden geschlossen, ebenso die Restaurants, und viele arbeiteten aus dem Homeoffice. Eine Woche später waren es noch 1’436’400 Zahlungen – also ziemlich genau halb so viele. Das öffentliche Leben stand still. «Dieser Rückgang an Zahlungen ist sehr ungewöhnlich und alleine auf die Covid-19-Krise zurückzuführen», sagt Jürg Schneider, Sprecher der Six Group mit Sitz in Zürich, die den Zahlungsverkehr in der Schweiz analysiert.
Denn allgemein hätten die Debitkarten-Zahlungen über die letzten Jahren stetig zugenommen, so Schneider. Das hängt auch mit der Möglichkeit der kontaktlosen Bezahlfunktion zusammen. Dadurch sei zwar der Durchschnittsbetrag gesunken, dafür wird die Karte häufiger auch für Kleinstbeträge gezückt. Man könnte also glauben, insbesondere nach der Empfehlung des Bundes, auf Bargeld zu verzichten, dass die Nutzung der Karte weiter gestiegen sei. Dem ist aber nicht so, wie die Zahlen zeigen.
Einen Einfluss dürfte hier sicher auch die Homeoffice-Empfehlung des Bundes haben. Zudem ist durch die Ladenschliessung fast der gesamte Präsenzhandel eingebrochen. Einzig die Detaillisten hatten noch mit einem eingeschränkten Angebot geöffnet.
Bargeld im Sinkflug?
Die Zahlen zeigen aber, dass sich die Bevölkerung ziemlich gut an die Empfehlungen des Bundes hält. So ist der Bargeldbezug fast komplett eingebrochen. Am 27. März wurde noch gut 134,4 Millionen Franken bezogen. Zum Vergleich: Am 28. Februar wurden über 212,7 Millionen Franken ausgezahlt. Die beiden Daten sind darum vergleichbar, weil in der Woche nach der Lohnauszahlung traditionell mehr Geld bezogen wird, das zeigen auch die Zahlen:
Dass sich Herr und Frau Schweizer vom Bargeld verabschieden werden, ist aber laut Jürg Schneider von der Six Group unwahrscheinlich. «Eine Prognose zu wagen, ist zwar schwierig. Aber wir haben gesehen, dass die Schweizerinnen und Schweizer nach wie vor eine sehr hohe Affinität zum Bargeld haben», sagt Experte Schneider. Er geht darum davon aus, dass sich das Bargeld spätestens, wenn eine Impfung da ist, erholen wird.
Kreditkarten profitieren nicht
Ein Teil des Handels dürfte sich ins Online verlegt haben, doch dort wird offenbar nicht mit Kreditkarten bezahlt. Denn die Bewegungen bei den Kreditkarten haben ebenfalls deutlich abgenommen. Die Karte wird deutlich weniger genutzt. Die Gründe dürften ähnlich sein wie bei der Debitkarte. Es gab schlicht und einfach weniger Möglichkeiten, Geld auszugeben. «Die Einkäufe im Lebensmittel-Detailhandel und im E-Commerce können diese Ausfälle in keiner Weise kompensieren», sagt der Geschäftsführer der Kreditkarten-Branchenorganisation Swiss Payment Association, Thomas Hodel.
Schweizer bevorzugen Kauf auf Rechnung
Dass der E-Commerce die Kreditkartenausfälle nicht kompensieren konnte, überrascht nicht. Eine Umfrage des Verbandes des Schweizerischen Versandhandels vom Januar 2020 zeigt: Über 80 % der Schweizerinnen und Schweizer bestellen online auf Rechnung. Die Kreditkarte hat als Zahlungsmittel im Vergleich zum Vorjahr zwar etwas gewonnen (von 8,5 % auf 9,4 %). Aktueller Zahlen liegen noch nicht vor. Zu einem ähnlichen Schluss kommt Thomas Hodel. «Gemäss dem Swiss Payment Monitor aus dem Jahr 2019 der Universität St. Gallen und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften bezahlen die Schweizerinnen und Schweizer im Onlinehandel überwiegend mit der Kreditkarte und auf Rechnung», sagt Thomas Hodel.
SIX-Sprecher Jürg Schneider sieht noch weitere Gründe. Er mutmasst, dass das vor allem mit dem schnellen Lockdown zu tun hatte. «Viele Läden bauten innert Kürze einen Onlineshop auf, dabei haben wohl die verschiedenen Zahlungsmethoden nicht höchste Priorität genossen», sagt Schneider. Vieles sei wohl via altmodische Rechnung oder dann Twint geflossen, so Schneider. Daraus lässt sich aber nicht schliessen, dass Schweizerinnen und Schweizer während der letzten Monate weniger ausgegeben haben.
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