Kurswechsel beim Stromgesetz «Da machen wir nicht mehr mit», sagt der künftige SVP-Chef
Im Parlament hat die SVP die Vorlage zum Ausbau der erneuerbaren Energien noch unterstützt. Nun bröckelt die Unterstützung. Was bedeutet das für die Volksabstimmung im Juni?
Zuerst waren es drei Rentner, die das Referendum gegen das Stromgesetz ergriffen. Dann schlossen sich mit der Fondation Franz Weber und dem Verband Freie Landschaft Schweiz zwei Landschaftsschutzorganisationen dem Widerstand an. Und nun mehren sich die Anzeichen, dass auch die SVP die Vorlage, die am 9. Juni vors Volk kommt, bekämpfen könnte.
Innerhalb der Fraktion gebe es einen Meinungsumschwung, sagte der künftige SVP-Präsident Marcel Dettling am Wochenende in der «NZZ am Sonntag». Das Parlament hatte die – als klassischen helvetischen Kompromiss – gefeierte Vorlage im letzten Herbst deutlich gutgeheissen: der Ständerat mit 44 Ja ohne Gegenstimmen, der Nationalrat mit 177 zu 19 Stimmen. Auch die SVP-Fraktion stimmte mehrheitlich zu, im Nationalrat waren zwei Drittel dafür, 18 Mitglieder dagegen. Eines davon war Dettling.
«Da machen wir nicht mehr mit»
Der künftige SVP-Chef begründet den «Meinungsumschwung» so: Die Mehrheit der Fraktion hatte das Gesetz deshalb mitgetragen, weil es nicht nur Solar- und andere erneuerbare Energien fördert, sondern auch die Wasserkraft. 16 Wasserkraftprojekte sind Teil der Vorlage, darunter der geplante Trift-Stausee im Kanton Bern.
Doch dagegen haben im Dezember die Gewässerschutzorganisation Aqua Viva und der Grimselverein Einsprache erhoben. Umweltverbände, so Dettling, würden sich nicht mehr an die Abmachung halten. «Darum finden viele von uns: Da machen wir nicht mehr mit.»
Dass in der SVP die Unterstützung bröckelt, legen Gespräche dieser Redaktion mit SVP-Energiepolitikern nahe, die im Herbst die Vorlage in der Schlussabstimmung noch gutgeheissen haben. «Es braucht ein Commitment zu diesen Wasserkraftprojekten», sagt etwa Nationalrat Christian Imark. «Wenn Umweltverbände das nun nochmals torpedieren und blockieren, sehen unsere Leute nicht, warum sie die Vorlage weiterhin befürworten sollen.» Nationalrat Michael Graber sagt, es sei fraglich, ob er angesichts der Blockadepolitik von Umweltverbänden das Gesetz weiter befürworte.
Dettlings Ansage dürfte so manchem in der Partei die Lust rauben, sich für die Vorlage einzusetzen. Er werde versuchen, standhaft zu bleiben, sagt ein SVP-Parlamentarier, der im Herbst das Gesetz noch unterstützt hat. Merke er, dass die Partei umschwenke, werde er sich aber «still verhalten». Für einen Kurswechsel spricht, dass Parteigrössen schon im Herbst auf den Nein-Knopf gedrückt haben, etwa Thomas Aeschi oder Thomas Matter.
Was macht das grüne Lager?
Das gegnerische Lager könnte also mit Blick auf die Abstimmung vom 9. Juni deutlich gestärkt werden. Umso wichtiger wird die Frage, wie engagiert die Befürworter für die Vorlage eintreten werden. Gerade im ökologischen Lager gibt es durchaus Bedenken, dass der Umweltschutz unter Druck kommen kann, wenn zum Beispiel der Ausbau von Wind-, Solar- und Wasserkraftanlagen von nationaler Bedeutung grundsätzlich Vorrang gegenüber Schutzinteressen erhält. Der WWF Schweiz unterstützt die Vorlage gleichwohl. Jede Form der Energieproduktion sei mit unerwünschten Auswirkungen verbunden, sagt ein Sprecher. «Die Vorteile des Stromgesetzes überwiegen aber deutlich.» Bei Pro Natura und der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz steht die Abstimmungsempfehlung noch aus.
Die Grüne Partei wird die Vorlage «sicher mit Herzblut» unterstützen, wie Nationalrat Bastien Girod sagt. Und auch GLP-Chef Jürg Grossen kündigt an: «Wir werden eine intensive Kampagne machen.» Grossen glaubt nicht, dass die SVP umschwenken wird. Viele SVP-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier würden bei ihrer Haltung bleiben und das Gesetz unterstützen – zusammen mit ihrem Bundesrat Albert Rösti.
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