Freiburger Kunstkrimi um Richard SerraAls an der Skulptur plötzlich ein Handlauf prangte
Der am Dienstag verstorbene US-Bildhauer Richard Serra hat auch in der Schweiz Spuren hinterlassen. 2007 wurde in Freiburg eines seiner Werke verunziert.
Waren da etwa Vandalen am Werk? Solche, die des Metallschweissens mächtig sind? Das fragte man sich 2007 in der Region Freiburg, als eines Tages an einer Skulptur des US-Bildhauers Richard Serra ein Handlauf prangte.
Seit 1988 steht beim Grandfey-Viadukt zwischen Freiburg und Düdingen Serras monumentales Werk «Maillart Bridge Extended»: zwei L-förmige Stahlträger, die auf beiden Seiten der Brücke jeweils an eine Treppe angelehnt sind. Es ist eine Art Klammer zwischen der deutschen und der französischen Schweiz, welche die Brücke verbindet.
Ist das Kunst oder ein Sicherheitsrisiko?
Serra war ein Bildhauer von Weltrang, seine Werke prägen den öffentlichen Raum in New York, São Paulo, Kassel, Bilbao oder Basel. Am Dienstag ist er im Alter von 85 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben.
Seine kolossalen Aussenskulpturen, oft aus rostigen Stahlplatten und -trägern gefertigt, sorgten immer wieder für Debatten. In New York wurde das Werk «Tilted Arc» 1989 entfernt, weil es auf so grossen Widerstand bei der Bevölkerung stiess.
Auch im Freiburgischen ist Serras Brückeninstallation bis heute umstritten. Vor allem, weil «Maillart Bridge Extended» die Treppe zur Fussgängerpassage in zwei Hälften teilt. Velos ohne Kratzer daran vorbeizutragen ist eine Kunst, auch für Kinderwagen ist der Platz knapp.
Zurück aber ins Jahr 2007: War der überraschend aufgetauchte Handlauf die Verzweiflungstat eines Sicherheitsfanatikers? Nein. Kurz nachdem die Schweizerische Depeschenagentur von der «Verunzierung» des Kunstwerks berichtet hatte, stellte sich heraus, dass es Arbeiter der SBB waren, welche die Geländer am Kunstwerk angebracht hatten: aus Sicherheitsgründen, wie es hiess.
Blankes Entsetzen beim kantonalen Amt für Kultur. Und die Direktorin des Museums für Kunst und Geschichte sprach gegenüber dem Schweizer Fernsehen von Zerstörung, von Wertminderung – und von der Gefahr, dass der Künstler seiner Installation das Urheberrecht entziehen könnte. Somit wäre diese auf einen Schlag nicht mehr vier Millionen Franken wert gewesen, sondern bloss noch Altmetall.
So weit kam es allerdings nicht, und die Handläufe wurden wieder entfernt. Dann und wann wird in Leserbriefen bis heute die Entfernung des Werks gefordert; unzählige Passanten haben sich in all den Jahren den Kopf an den Stahlbalken gestossen.
Kunst-Pissoir in Basel
Serras Werke ecken aber nicht nur im Freiburgischen an; auch in Basel wird regelmässig über die Skulptur «Intersection» gestritten, die seit 1992 mitten auf dem Theaterplatz steht.
Der 80-Tönner besteht aus vier gebogenen Stahlwänden, die schmale Gassen bilden, in denen man sich gut verstecken kann. Aus diesem Grund wird «Intersection» gern als Pissoir genutzt. Die Basler Stadtreinigung muss mehrmals pro Woche ausrücken, um die Emissionen im erträglichen Rahmen zu halten.
Ob Urin, ob Graffiti, ob Vandalismus: So etwas könne seiner Kunst nichts anhaben, liess sich Serra einst zitieren. Der Freiburger Handlauf hat ihn zwar «empört», wie er über seinen Agenten ausrichten liess. Aber es ist anzunehmen, dass Serra mit seiner sperrigen Kunst den Widerstand nicht nur in Kauf genommen hat. Vermutlich hat er ihn ganz bewusst gesucht.
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