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Kleinanleger verlieren «neues Geld»
Krypto-Crash ist ein Albtraum für Afroamerikaner

Im Gegensatz zu vielen anderen hatte er ein glückliches Händchen: Filmemacher Spike Lee in einem Werbespot für eine Kryptofirma.
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Spike Lee trägt einen schicken Panamahut, einen karierten roten Blazer und präsentiert einen Spazierstock mit goldenem Handgriff. Ein Mann von Welt. «Altes Geld ist out, neues Geld ist in», erklärt er in einem Werbespot, den er vor einem Jahr für die Kryptofirma Coin Cloud produziert hat. 

Der Regisseur erwischte ein perfektes Timing. Kryptowährungen stiegen im Sommer 2021 auf Höchstwerte. Jeden Tag drängten neue Anbieter auf den Markt und Hunderttausende Anleger, die meisten jung und unerfahren, stiegen ein. Denn: «Neues Geld ist positiv und inklusiv. Altes Geld ist bankrott und systemisch unterdrückend», so Spike Lee.  

Zwölf Monate und einen spektakulären Krypto-Crash später hat Lee nichts mehr zum Thema zu sagen. So, wie auch LeBron James, Snoop Dogg, Jay-Z, Floyd Mayweather und weitere schwarze Künstler und Sportgrössen sich nicht mehr zum «neuen Geld» äussern wollen. Sie hatten sich von Kryptofirmen einspannen lassen und digitale Währungen gezielt für die schwarze Bevölkerung angepriesen.

«Bitcoin for Hotties»

Sie sprachen von einer «flüssigen, starken und kulturell reichen» Alternative zu Aktien, zum Dollar und zu anderen traditionellen Anlagen. An einem Black Blockchain Summit in Washington pries die schwarze Rapperin Megan Thee Stallion «Bitcoin for Hotties» an: «Du wirst dein Imperium in kürzester Zeit beisammen haben.»

Die massierte Kampagne wirkte. Mehr als jede andere Bevölkerungsgruppe haben Afroamerikaner ihre Ersparnisse in digitale Währungen gesteckt. 25 Prozent sind gemäss einer Umfrage des Brokerhauses Charles Schwab in Kryptos investiert, verglichen mit 15 Prozent der Weissen. Sogar 40 Prozent der unter 40-jährigen Schwarzen, überwiegend Männer, sprangen auf den Kryptozug auf, verglichen mit 29 Prozent der jüngeren Weissen.

Viele haben völlig falsche Vorstellungen von digitalen Währungen: Werbung für Bitcoin.

Besonders tragisch mutet an, dass viele völlig falsche Vorstellungen von digitalen Währungen haben. Ganze 30 Prozent der Schwarzen glauben gemäss der Umfrage, dass Kryptowährungen von der Regierung reguliert sind, aber nur 14 Prozent der Weissen glauben das.

Tatsächlich sind Kryptos hoch riskante und weitgehend unregulierte Spekulationsvehikel, die den (weissen) Promotoren der ersten Stunde vor zehn Jahren immensen Reichtum gebracht haben, aber je länger, desto mehr Verlierer produzieren. Gemäss dem US-Handelsministerium verloren Kryptoanleger letztes Jahr 750 Millionen Dollar an Betrüger, fünfmal mehr als Kreditkartenbetrüger erschwindeln konnten.

Begründetes Misstrauen

Den Glauben an Kryptowährungen kann man historisch begründen. Die erste Bank für befreite Sklaven nach dem Bürgerkrieg wurde von einem weissen Management geführt. Entgegen den Versprechungen aber steckten die Banker das Ersparte in riskante Geschäfte und ritten die Freedman’s Savings & Trust Cie nach nur neun Jahren in den Bankrott. 60’000 Kunden verloren alles, umgerechnet zum heutigen Dollarkurs rund 68 Millionen Dollar.

«Der Kollaps ist gleichbedeutend mit zehn zusätzlichen Jahren Sklaverei», beschrieb der Abolitionist und Staatsmann Frederick Douglass den Ruin. Das Vertrauen in traditionelle Finanzinstitutionen war zerstört; und bleibt bis heute gestört. Schwarze investieren weniger in Aktien und bewahren mehr Bargeld zu Hause auf als andere Bevölkerungsgruppen. Auch die Immobilienkrise von 2008 traf sie – zusammen mit den Latinos – besonders stark. Die Vermögenskluft hat sich seither weiter geöffnet, verfügen doch weisse Familien im Schnitt über achtmal mehr Finanzreserven als schwarze.

«Kryptowährungen sind eine neue Form des Glücksspiels.»

Jeffrey Frankel, Harvard-Ökonom

Terri Bradford, die im Auftrag der Notenbank in Kansas dieses Problem untersucht hat, sagt, es sei beängstigend, wie viele Schwarze sich von den Versprechen der Kryptobranche hätten vereinnahmen lassen. «Traditionell sind Schwarze konservative Anleger.» Die Hemmschwelle sei wohl durch den Hype von schwarzen Künstlern und Sportlern gesenkt worden, vermutet Bradford. «Dabei sind Schwarze jene Anleger, die Verluste am wenigsten gut verkraften können.»

Viele Kryptoanleger sind Neulinge, und das wurde von Anbietern wie Coin Cloud ausgenutzt. Das Unternehmen hat Lotteriemaschinen in Einkaufsläden und Tankstellen mit über 5000 Krypto-ATM-Automaten ersetzt. Mit einem Einsatz von zwei Dollar ist man dabei. Diese Geschäftspraxis enthülle alles, sagt Harvard-Ökonom Jeffrey Frankel. «Kryptowährungen sind eine neue Form des Glücksspiels.»

Frankel war auch einer der Ersten, der El Salvador davor warnte, Bitcoin als offizielle Währung anzuerkennen. Das Experiment steht vor dem Scheitern. Die Regierung verlor 60 Prozent ihrer Bitcoin-Anlagen, und die Verwendung der Währung durch die Bevölkerung ist zusammengebrochen. 

Kleinanleger zusammengestaucht

In scharfem Kontrast dazu haben die Wallstreet-Banken den Krypto-Crash unbeschadet überstanden. Zu verdanken ist das den Aufsichtsorganen der Branche. Nach dem Finanzkollaps 2008 wurden die Banken gezwungen, ihre Reserven massiv anzuheben, weshalb führende Banken wie Goldman Sachs und JP Morgan ihren Kunden erlaubten, nur einen kleinen Bruchteil ihrer Einlagen in Kryptos zu investieren.

Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Basel bewertet digitale Währungen mit der höchsten Risikostufe und verlangt von den Banken, Kryptoanlagen mit Barreserven in mindestens gleicher Höhe abzusichern. Dies habe die Lust der Wallstreet und ihren Kunden auf Kryptos sehr gedämpft, sagte Reena Aggarwal, Finanzprofessorin an der Georgetown-Universität, in der «New York Times». Um vermögende Kunden müsse man sich deswegen keine Sorgen machen. «Aber ich mache mir grosse Sorgen um jene Anleger, die wenig Erspartes hatten und nun zusammengestaucht werden.»