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Krogerus & Tschäppeler über Kaufentscheide
Segal’s Law: Das Gesetz der zwei Uhren

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1930 erschien in der «San Diego Union-Tribune» folgender Witz:

«Juweliere im Einzelhandel behaupten, dass jeder Mann zwei Uhren haben sollte. Aber ein Mann mit einer Uhr weiss, wie spät es ist, und ein Mann mit zwei Uhren kann sich nie sicher sein.»

Kein Topwitz. Ein Viereinhalber.

Viele Jahre später wurde der Witz fälschlicherweise einem Radiomoderator namens Lee Segall zugeschrieben (und dessen Nachname dabei auch noch falsch buchstabiert). Seither kursiert die Sache nicht mehr als Witz, sondern als «Segal’s Law»:

Ein Mann mit einer Uhr weiss, wie spät es ist. Ein Mann mit zwei Uhren kann sich nie sicher sein.

Das «Gesetz» ist besser als der Witz, denn es beschreibt eine Situation, die uns bekannt vorkommt: Wir haben eigentlich alles, was wir brauchen, aber wir glauben, dass uns etwas fehlt. Dass ein Mehr (an Informationen, an Auswahl, an Aktivitäten, an Gütern, an Genauigkeit) uns glücklicher machen wird.

Was wir auch kennen: Oft führt dieses Mehr an Informationen, Auswahl, Aktivitäten, Gütern und Genauigkeit nicht zu mehr Zufriedenheit, sondern löst eine Verwirrung aus. Die Essenz des «Gesetzes» ist also, dass mehr paradoxerweise zu weniger führt. Weniger Zufriedenheit.

Segal’s Law kommt typischerweise dann ins Spiel, wenn wir etwas kaufen wollen, uns eigentlich schon entschieden haben, aber dann idiotischerweise anfangen, uns weiter zu informieren.

Sagen wir, wir wollen ein Hotelzimmer in Paris buchen. Wir finden eines, Preis und Lage stimmen einigermassen, aber, so fragen wir uns, ist es wirklich gut? Also beginnen wir die Bewertungen durchzulesen. In der Regel findet man einige, die sehr gut sind und einige, die das Gegenteil behaupten. Manche schreiben, das Bett sei himmlisch, andere schreiben, sie hätten noch nie in einem schlechteren geschlafen.

Wir lesen immer weiter und je mehr wir erfahren, desto unsicherer werden wir. Das Bild, das wir von dem Hotel bekommen, wird immer diffuser. Natürlich kann man sagen, dass es nicht ein diffuses, sondern ein genaueres Bild ist, denn die Wahrheit ist vermutlich die, dass die Betten für manche super sind und für andere zu weich. Aber interessanterweise ist diese Art von Differenziertheit beim Entscheiden nicht hilfreich, sondern eher hinderlich, weil uns mehr als eine Wahrheit verunsichert. Zugespitzt gesagt: Je weniger wir wissen, desto sicherer fühlen wir uns in unserer Entscheidung.

Aber zurück zu den Uhren: Segal’s Law besagt also, dass mehr Information – zwei verschiedene Uhrzeiten etwa – für Verwirrung sorgt, aber es besagt auch, dass wir eine Uhr nicht kaufen, um zu erfahren, wie spät es ist, sondern weil wir gern eine hätte (oder eben zwei).

Mikael Krogerus ist «Magazin»-Redaktor, Roman Tschäppeler ist Kreativproduzent.

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