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Kolumne Krogerus & Tschäppeler
Würde ich das auch morgen tun?

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Angenommen, Sie werden eingeladen, im Oktober dieses Jahres einen Vortrag zu halten über Ihr Fachgebiet. Sie sind erstaunt, auch geschmeichelt – was für eine Ehre! – zudem gibt es ein stattliches Honorar. Sie freuen sich.

Auch wenn Sie insgeheim ein wenig unsicher sind, denn vor Publikum auftreten behagt Ihnen nicht wirklich, Vorträge halten schon gar nicht. Zudem müssen Sie den Vortrag auf Englisch halten. Und im Oktober ist doch immer so viel los. Ausserdem kennen Sie den Event, ist das Publikum da nicht immer auffallend kritisch und zugleich verwöhnt mit guten Speakern? Sie werden unsicher.

Aber zum Glück ist es ja noch lange hin. Und thematisch werden Sie sicher einen passenden Dreh finden. Auch für ein verwöhntes Publikum. Mit so viel Vorlauf wird das schon klappen.

Sie sagen zu.

Sie haben gerade einen Fehler begangen.

Denn es wird Folgendes passieren: Auch wenn die Rede heute noch unendlich weit entfernt zu sein scheint, wird sie irgendwann unweigerlich näherkommen. Plötzlich sind es nur noch wenige Tage, und Sie sind noch nirgends. Zudem drückt und drängt der Alltag mit seinen Tücken und Überraschungen. Das Unbehagen, das sich schon vor einem halben Jahr in Ihrem Unterbewussten bemerkbar machte, ist nun vollends zum Leben erwacht. Die Chance, die Ihnen vor einem halben Jahr so interessant erschien, ist nun nur noch ein einziges Ärgernis.

Ungefähr so beschrieb vor vielen Jahren der amerikanische Journalist David Plotz einen Moment, den wohl so oder so ähnlich wir alle schon erlebt haben: Etwas zusagen, von dem wir eigentlich schon wissen, dass wir dafür keine Zeit, Lust, Kapazität haben. Aber weil der Anlass in der Zukunft liegt, denken wir, dass wir dann Zeit, Lust und Kapazität haben werden.

Werden wir nicht.

Eine der wichtigsten Fragen, die man sich stellen kann, bevor man eine Aufgabe annimmt oder einer Einladung zusagt, etwas in der Zukunft zu tun, so Plotz, ist diese:

Würde ich das auch morgen tun?

Also nicht: Würde ich es an irgendeinem theoretischen Tag in der Zukunft tun? Sondern: Würde ich das, was ich morgen tue, verschieben, um stattdessen das zu tun?

Sagen Sie nicht Ja zu Dingen in der Annahme, dass Sie in Zukunft mehr Zeit dafür haben werden. Sie werden in der Zukunft kaum mehr Zeit haben. Wenn Sie die Sache morgen nicht machen wollen, sagen Sie auch nicht zu, sie in einem halben Jahr zu machen.