Unternehmen berichtenKrise wirft Firmen um zwei bis drei Jahre zurück
Die Hoffnung auf einen raschen Aufschwung nach der Krise hat sich für viele Industrieunternehmen zerschlagen. Weil neue Aufträge ausbleiben, scheuen die Firmenlenker nun auch vor drastischen Schritten nicht mehr zurück.
Die Aussichten sind düster: Der Umsatz des Werkzeugspezialisten Urma dürfte in diesem Jahr um 20 bis 30 Prozent einbrechen, schätzt Inhaber Urs Berner. Doch er gibt sich kämpferisch: «Ich mache mir keine Sorgen, wir werden wieder zurückkommen», sagt der 63-jährige Unternehmer aus Rupperswil AG.
Seine Firma fertigt in zweiter Generation Präzisionswerkzeuge für den Bau von Motoren, Getrieben und Maschinen. Die liefert er dann in die ganze Welt. Doch durch die Corona-Krise ist das Geschäft eingebrochen. Und an eine schnelle Erholung glaubt der Unternehmer nicht. Er schätzt, dass sein Unternehmen zwei bis drei Jahre brauchen wird, nur um beim Umsatz wieder das Niveau von 2019 zu erreichen.
Doch immerhin musste Berner keine seiner 100 Beschäftigten in der Schweiz entlassen. Zwar will auch er den Personalstand leicht reduzieren. Doch das schaffe er, indem er frei werdende Stellen nicht nachbesetze. «Bei uns gibt es keine Corona-Entlassungen, wir haben das auch nicht geplant», sagt Berner.
Damit geht es der Urma AG besser als vielen anderen. Metallverarbeitende Betriebe oder Maschinenbauer wie den Familienbetrieb in Rupperswil gibt es viele in der Schweiz: Oft sind die Firmen auf eine Nische spezialisiert und dort seit Jahrzehnten erfolgreich – trotz hoher Lohnkosten. Ihre Produkte verkaufen sie typischerweise in die ganze Welt. Die Corona-Krise erwischt sie nun mit voller Wucht: Denn keine Region und kaum eine Abnehmerbranche ist immun gegen die Pandemie.
Auftragsflaute – «Wir leben von der Hand in den Mund»
Das bekommt auch der Maschinenbauer Baltec mit Sitz in Pfäffikon ZH zu spüren. Das Unternehmen stellt Nietmaschinen für die Autobranche her und ist auf mehreren Kontinenten vertreten. «Unsere Diversifikation nutzt uns momentan nicht viel, weil die Krise alle Regionen der Erde erfasst hat», sagt Finanzchef Michael Hepper. Der Umsatz ist durch Corona um die Hälfte eingebrochen. Viele der 40 Mitarbeiter in der Schweiz sind auf Kurzarbeit. «Die Arbeit ist uns gegen Mitte Mai ausgegangen, nachdem der Arbeitsvorrat von rund zwei Monaten abgearbeitet war. Wir leben jetzt von der Hand in den Mund», sagt Hepper.
Zwar gebe es weiterhin viele Anfragen von Kunden, doch viele zögern wegen der schwierigen Lage, tatsächlich zu investieren. Eine rasche Besserung ist nicht in Sicht. «Wir stellen uns darauf ein, dass es in den kommenden Monaten auf dem tiefen Niveau weitergeht.»
Dass die beiden Beispiele keine Einzelfälle sind, zeigen die jüngsten Zahlen des Bundesamts für Statistik für das zweite Quartal: Produktion und Umsätze sind im gesamten sekundären Sektor so stark eingebrochen wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr.
Viele Firmen entlassen Mitarbeiter, manche geben auf
Wie dramatisch die Lage vieler Betriebe ist, zeigt die jüngste Umfrage des Branchenverbands Swissmechanic, der auf kleine und mittelständische Firmen in der Maschinenbau-, Elektro- und Metallindustrie spezialisiert ist: 27 Prozent der von Swissmechanic befragten Firmen haben bereits Mitarbeiter entlassen. Einige wenige Firmen mussten sogar schliessen. Drei Viertel der Unternehmen haben einen Einstellungsstopp verhängt und Kurzarbeit angemeldet.
«Das Hauptproblem ist der Auftragsmangel», erläutert Swissmechanic-Direktor Jürg Marti. Wichtige Abnehmerbranchen für Schweizer Industriefirmen zaudern mit neuen Bestellungen. «Es gab einen weltweiten Nachfrageeinbruch – beispielsweise bei Autos, in der Luftfahrt und der Maschinenindustrie.»
Eine rasche Besserung ist nicht in Sicht: Auch für das laufende dritte Quartal gehen die Unternehmen mit einer deutlichen Mehrheit von weiter sinkenden Aufträgen und Umsätzen aus. Für die Studie haben Swissmechanic und BAK Economics im Juli rund 250 KMU befragt. Der Branchenverband Swissmem, der eher grössere Industriefirmen repräsentiert, will am kommenden Mittwoch über die aktuelle Lage informieren.
Auch Grossfirmen streichen Stellen
Dort dürfte das Bild ähnlich sein – denn auch vor Grossfirmen machen die Krise und der damit verbundene Kahlschlag nicht halt: Der Lifthersteller Schindler hat zum Beispiel bereits angekündigt, weltweit rund 2000 Stellen abzubauen, davon bis zu 10 Prozent in der Schweiz. Der Zahnimplantatehersteller Straumann hat wegen der Pandemie weltweit rund 660 Stellen gestrichen, davon etwa 60 am Hauptsitz in Basel. Und bei Oerlikon sollen bis Jahresende 700 von 800 geplante Stellen abgebaut sein, davon rund 50 in der Schweiz und Liechtenstein. Auch die Industriefirmen Dätwyler und Komax haben ihren Personalstand im laufenden Jahr um 350 respektive 150 Stellen reduziert.
Mit seiner Zuversicht ist der Rupperswiler Unternehmer Urs Berner da fast schon eine Ausnahme in der Schweizer Industrie.
Fehler gefunden?Jetzt melden.