Machtpoker mit PressevisaKorrespondenten werden zu Opfern der chinesischen Aussenpolitik
China weist vermehrt Korrespondenten aus oder lässt sie gar verschwinden. Nun trifft es Australier – die Regierung ihres Landes hat Peking verärgert.
Zwei australische Journalisten haben China überstürzt verlassen müssen. Bill Birtles vom Sender ABC und Michael Smith von der Wirtschaftszeitung «Australian Financial Review» landeten am Dienstag in Sydney. Sie verliessen China auf «dringendes Anraten» der australischen Regierung, nachdem die chinesischen Behörden erklärt hatten, die beiden Journalisten seien in einen «nationalen Sicherheitsfall» verwickelt.
Beide Korrespondenten hatten zuletzt in australischen diplomatischen Einrichtungen Zuflucht gefunden, nachdem chinesische Polizisten nachts bei Birtles’ Haus aufgetaucht waren, um ihn zu einer Vernehmung vorzuladen. Zudem teilten sie ihm mit, dass er China nicht verlassen dürfe. Seither hatten australische Regierungsvertreter über eine Aufhebung des Ausreiseverbots für ihn verhandelt. Die Bedingung dafür war von chinesischer Seite ein Gespräch mit der Polizei, das Birtles schliesslich im Beisein des australischen Botschafters führte.
Vergangene Woche wurde die Festnahme der Nachrichtensprecherin Cheng Lei bekannt, einer australischen Staatsbürgerin, die beim englischsprachigen Staatssender CGTN in Peking eine tägliche Wirtschaftssendung moderierte. Mitte August war sie ohne Erklärung verschwunden. Laut chinesischem Recht dürfen Festgenommene bis zu sechs Monate ohne Anklageerhebung an einem unbekannten Ort festgehalten werden.
«Aussergewöhnliche Erosion der Pressefreiheit»
Am Dienstag erklärte Pekings Aussenministerium dann, es werde gegen sie wegen Verdachts auf Gefährdung der nationalen Sicherheit ermittelt. Die Behörden haben noch einen weiteren Australier mit chinesischen Wurzeln, Yang Hengjun, aufgrund von Spionagevorwürfen seit 2019 in ihrer Gewalt. In der Befragung der australischen Korrespondenten ging es laut den Journalisten um die verschwundene Cheng. Beide hatten ausführlich über ihren Fall berichtet.
Der Club der Auslandskorrespondenten (FCCC), ein Interessenverband der in China arbeitenden Korrespondenten, kritisierte den Vorgang am Dienstag heftig. «Der Versuch, ausländische Journalisten in China gegen ihren Willen festzuhalten, ist eine bedeutende Eskalation in einem fortschreitenden, andauernden Angriff der chinesischen Regierung auf die Pressefreiheit.» Man sei höchst alarmiert. (Lesen Sie hier eine Analyse zu Xi Jinpings aggressiver Aussenpolitik.)
China hat allein in der ersten Jahreshälfte siebzehn ausländische Journalisten ausgewiesen. Mindestens zwölf andere erhielten als Strafmassnahme nur verkürzte Visa – manchmal sogar nur für einen Monat. Üblich sind zwölf Monate. Im Jahresbericht dokumentiert der Verband seit Jahren verstärkte Belästigungen, Behinderungen und die Beobachtung von Korrespondenten. Die Angst ausländischer Korrespondenten, nun Opfer der chinesischen «Geisel-Diplomatie» zu werden, nannte der Club eine «aussergewöhnliche Erosion der Pressefreiheit».
Konflikt mit Australien wegen Corona und Huawei
Die Beziehungen zwischen Australien und China sind auf einem historischen Tiefstand gelandet. Nach Jahren zunehmender Spannungen eskalierte der Konflikt, seit Australien Chinas Umgang mit dem Ausbruch der Corona-Seuche kritisiert und eine unabhängige Untersuchung gefordert hatte. Auch die Entscheidung, den Telekommunikationsanbieter Huawei nicht am Ausbau des 5G-Netzes zu beteiligen, ärgerte Peking. Australiens Regierung gab im Juli eine Reisewarnung heraus, in der sie auf das Risiko willkürlicher Festnahmen australischer Staatsbürger in China hinwies.
Journalisten zwischen den Fronten im Konflikt USA - China
Auch im Streit der USA mit China geraten Journalisten zwischen die Fronten. Als Reaktion auf die Behandlung chinesischer Journalisten in den USA, die nur noch verkürzte Visa erhalten, droht China, weitere Korrespondenten amerikanischer Medien auszuweisen, nachdem Anfang des Jahres mehr als ein Dutzend das Land verlassen mussten. «Alle Optionen liegen auf dem Tisch», sagte ein Sprecher des Aussenministeriums am Montag in Peking. Er bestätigte, dass sein Ministerium einigen Korrespondenten von US-Medien die Pressekarten, die als Arbeitserlaubnis fungieren, zunächst nicht verlängert habe. Betroffen sind auch der Nachrichtensender CNN, das «Wall Street Journal» und die Fotoagentur Getty.
Statt eines Presseausweises erhielten mindestens fünf Journalisten nur Schreiben, mit denen sie ihre Visa nur bis Anfang November verlängern können. Danach droht Ausweisung. Es sei eine «wechselseitige Massnahme» als Reaktion auf den Umgang mit chinesischen Journalisten in den USA, wurde einem betroffenen Reporter mitgeteilt. Der FCCC berichtet, den jetzt betroffenen Journalisten von US-Medien sei mitgeteilt worden, dass ihre vorübergehenden Visa jederzeit widerrufen werden könnten, «womit sie unter die ständige Bedrohung mit einer Ausweisung gestellt werden». Diese Zwangsmassnahmen machten akkreditierte Auslandskorrespondenten zu Spielfiguren in einem grösseren diplomatischen Konflikt, hiess es. Chinas Regierung solle diesen Kreislauf von Vergeltungsmassnahmen beenden. 2020 werde «schnell zum bisher dunkelsten Jahr der Pressefreiheit».
Freizügigkeit chinesischer Journalisten in den USA eingeschränkt
Die USA haben die Freizügigkeit für dort ansässige chinesische Journalisten seit einigen Monaten deutlich eingeschränkt. Anlass sind die verschlechterten Arbeitsbedingungen für Auslandskorrespondenten in China sowie die Tatsache, dass chinesische Journalisten in den USA meist für Staatsmedien und Organe der Kommunistischen Partei arbeiten. Viele müssen sich jetzt auch als ausländische Agenten amtlich registrieren. Auch hatten die US-Behörden im Mai die Aufenthaltsdauer jeweils auf 90 Tage beschränkt.
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