Konzept-Unkraut für nachhaltiges Gemüse
Ohne Dünger und fast ohne Maschinen: Diese Art nennt sich Kreislauflandwirtschaft und wird im Gemeinschaftsgarten Minga in Obermeilen betrieben. Das verlangt kräftiges Anpacken der Genossenschafter bei Aufzucht, Pflege und Ernte.
Braune Erde sieht man selten im abgesteckten Gemüsegarten auf der Aebleten in Obermeilen. Zwischen Zucchetti, Zwiebeln und Knoblauch schiesst massig Grün in die Höhe, sodass man das Gemüse beinahe suchen muss. Und diese Wildnis, die einem vernachlässigten Schrebergarten gleicht, soll ein seriöses Landwirtschaftsprojekt sein?Lukas van Puijenbroek, Mitgründer des Gemeinschaftsgartens Minga, ist es gewohnt, dass Spaziergänger, die am Gemeinschaftsgarten vorbeikommen, kritische Fragen wegen des vielen Unkrauts stellen. «Unser Garten sieht eben nicht so aus, wie man sich das gewohnt ist», sagt der gelernte Biobauer. Sprich, hier wachsen keine eintönigen Mono-, sondern umweltfreundlichere Mischkulturen.
Enten statt Schneckenkörner
Bei einer Führung durch den Garten entpuppt sich das vermeintliche Unkraut als Gründüngung. Es schützt die Beete vor dem Austrocknen, senkt den Wasserverbrauch, fördert die Humusbildung und lockt Bienen an.
Vor einem Beet, das besonders stark nach Wildwuchs aussieht, zieht van Puijenbroek einen Stängel Buchweizen aus der Erde und zeigt auf kleine, natürliche Kügelchen an den Wurzeln. Diese fixieren Stickstoff im Boden und helfen dem benachbarten Mais ohne zusätzlichen Dünger zu wachsen. Eine ähnliche Funktion haben die Laufenten, die aufden eingezäunten Gemüsebeeten umherwatscheln: Sie ersetzen die Schneckenkörner.
Erntepass und Arbeitseinsätze
Ausser einer Mähmaschine kommen auf dem 3000 Quadratmeter grossen Stück Land, auf dem sich der Gemüsegarten befindet, keine elektrischen Maschinen zum Einsatz. Die ressourcenschonende Bewirtschaftung wird dadurch möglich, dass die Konsumentinnen selbst auf dem Feld anpacken. Sie haben als Genossenschafter einen Erntepass gekauft, der sie zu jährlich vier Halbtagen Arbeit im Garten verpflichtet und zu einer wöchentlich per E-Mail mitgeteilten Menge Gemüse berechtigt.
Mit den Erntepässen wird eine 50-Prozent-Stelle bezahlt, die sich der Biobauer und seine Frau Jeannine van Puijenbroek teilen. Damit sie sich wirklich der Pflege des Gartens und der Aufzucht des eigenen Saatguts widmen können, wird das Gemüse nicht wie bei ähnlichen Projekten für die Abonnentinnen und Abonnenten geerntet, gewaschen, abgepackt und an Depotstandorte gebracht, sondern von den 27 Erntepassbesitzern jede Woche selbst geerntet. So entspricht der Preis für das Biogemüse auch in etwa Marktpreisen.
Pädagogischer Garten
Sollte die Ernte aufgrund des Wetters mager ausfallen, gibt es eben weniger Salat, Fenchel, Broccoli oder Tomaten fürs Geld – das nennt sich solidarische Landwirtschaft. «Wir wollten den Leuten über eine Landwirtschaft mit mehr Händen und weniger Maschinen eine nachhaltige Lebensmittelproduktion näherbringen», erklärt van Puijenbroek, der 2015 mit seiner Frau und einigen Interessierten ein Experiment für den Gemeinschaftsgarten auf dem vom Bruder gepachteten Land startete. Das lose organisierte Projekt wurde 2016 zur Genossenschaft mit fixeren Verpflichtungen umstrukturiert. Anders hätte es nicht funktioniert.
Dass der pädagogische Hintergrund Wirkung zeigt, bestätigt ein Genossenschafter, dessen Mitwirken im nachhaltigen Garten wenig erstaunt: Markus Freitag. Er entwickelte mit seinem Bruder die bekannten Freitag-Taschen aus rezyklierten Lastwagenblachen und produziert seit einigen Jahren kompostierbare Kleider. «Durch die Einsätze bekommt man ein ganz anderes Verhältnis zum Gemüse», sagt Freitag. Er träume nach vier Stunden Hervorklauben von unerwünschtem Unkraut zwischen der Gründüngung sogar von diesen Pflänzchen.
Wollschweine versagten
Neben Markus und seiner Frau Barbara Freitag und einer Praktikantin, die den Einsatz für ihr Studium braucht, ist an diesem frühen Dienstagmorgen eine pensionierte Erntepasshelferin im Einsatz. Sie zieht das gemeinsame Gärtnern unter professioneller Anleitung einem Schrebergarten vor, nicht zuletzt wegen der kleineren Verpflichtung.
Bis vor kurzem waren auch fünf Wollschweine und ein Hängebauchschwein Teil des Gemeinschaftsgartens. Sie hätten das Pflügen der Felder übernehmen sollen, stellten sich aber als wenig grabfreudig heraus. Zudem musste das Futter extern eingekauft werden, was der Kreislaufbewirtschaftung widersprach.
So wurden die Schweine dieses Jahr geschlachtet. Heute liegen Teile von ihnen in Kühltruhen von Minga-Mitgliedern. Auch das ist solidarische Landwirtschaft.
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