«Nur Ja heisst Ja»-Lösung fällt durchKommission gegen Zustimmungsprinzip im Sexualstrafrecht
«Nein heisst Nein»-Grundsatz, Rücksicht auf männliche Opfer, Mindeststrafe für sexuelle Handlungen mit Kindern: Entlang dieser Linien soll das Sexualstrafrecht reformiert werden. Das schlägt die Rechtskommission des Ständerats vor.
Nach monatelangen Diskussionen hat die Kommission ihre Arbeit zur Revision des Sexualstrafrechts abgeschlossen, wie die Parlamentsdienste am Freitag mitteilten. Im Sommer soll sich der Ständerat erstmals damit befassen. Zuerst wird noch der Bundesrat Stellung dazu nehmen.
Klar ist, dass die Vorlage heiss diskutiert werden wird. Der Vorentwurf der Rechtskommission des Ständerats (RK-S) hatte in der Vernehmlassung nur bedingt Unterstützung gefunden. Gefordert wurde grundsätzlich eine Ausweitung des Begriffs «Vergewaltigung» und eine «Nur Ja heisst Ja»-Lösung. Die «Nein heisst Nein»-Lösung wurde verbreitet als zu schwach angesehen.
Verbales oder nonverbales Nein
Trotzdem setzt die RK-S nun auf diesen Grundsatz, wie sie mit 9 zu 4 Stimmen beschloss. Sie will die Kernbestimmungen des Sexualstrafrechts, namentlich die Tatbestände der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung, basierend auf der sogenannten «Nein heisst Nein»-Lösung neu ausgestalten, wie es in einer Mitteilung heisst.
Erfasst werden sollen künftig sexuelle Handlungen, welche der Täter oder die Täterin am Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt und sich dabei über den entgegenstehenden Willen des Opfers hinwegsetzt – vorsätzlich oder eventualvorsätzlich. Dieser Wille kann vom Opfer verbal oder nonverbal geäussert werden.
Mit der beantragten Änderung beabsichtigt die Kommission nach eigenen Angaben, den Schutz zur Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung um den Schutz der sexuellen Unversehrtheit an sich zu erweitern. Sie trage damit den gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte Rechnung.
Der Ständerat hatte sich bereits im Dezember gegen das Zustimmungsprinzip ausgesprochen, wie es eine Standesinitiative des Kantons Genf fordert. Gemäss diesem Prinzip sollen alle nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen strafrechtlich erfasst werden, wie dies etwa in Schweden der Fall ist. Dies entspräche auch der Istanbul-Konvention, welche die Schweiz 2018 angenommen hat.
Zwang keine Voraussetzung mehr
Weiter soll gemäss dem Entwurf der Ständeratskommission auf einen separaten Tatbestand des «sexuellen Übergriffs» verzichtet werden. Dagegen werden künftig auch Opfer männlichen Geschlechts von Tatbestand der Vergewaltigung erfasst. Neu begeht eine Vergewaltigung, wer gegen den Willen einer Person den Beischlaf oder eine beischlafsähnliche Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, vornimmt oder vornehmen lässt.
Dass der Täter Zwang anwendet, soll keine Voraussetzung für eine Verurteilung mehr sein – auch dann nicht, wenn sich das Opfer theoretisch hätte wehren können. Gewalt und Drohungen sollen sich aber sehr wohl strafverschärfend auswirken.
Die Mehrheit der RK-S sieht in solchen Vergewaltigungsfällen auch in Zukunft eine einjährige Mindeststrafe vor. Eine Minderheit beantragt, die Mindeststrafe auf mehr als zwei Jahre festzulegen, um auszuschliessen, dass die Strafe bedingt ausgesprochen werden kann.
Racheakte nach Beziehungs-Aus verhindern
Die Vorlage für eine Revision des Sexualstrafrechts sieht weitere Änderungen gegenüber heute vor. So soll Tätern und Täterinnen bei sexuellen Handlungen mit Kindern unter zwölf Jahren neu eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr drohen.
Mit Freiheitstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe soll bestraft werden, wer bei der Ausübung einer Tätigkeit im Gesundheitsbereich sexuelle Handlungen vornimmt oder vornehmen lässt und das Opfer dabei über den sexuellen Charakter der Handlung täuscht, indem eine medizinische Indikation vorgegeben wird.
Weitere Änderungen betreffen den Tatbestand der Pornografie. Demnach soll es sich nicht mehr um verbotene harte Pornografie handeln, wenn die pornografischen Gegenstände oder Vorführungen sexuelle Handlungen mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen zum Inhalt haben. Wegen «Rachepornografie» bestraft werden sollen künftig Personen, die Fotos oder Videos, die ursprünglich in einer Paarbeziehung einvernehmlich aufgenommen wurden, später ohne Einverständnis der abgebildeten Person zugänglich machen.
Verzichtet werden soll dagegen auf einen neuen Tatbestand des «Grooming». Dieses bezeichnet das gezielte Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Minderjährigen, also die Planung eines sexuellen Missbrauchs. Die Kommission weist darauf hin, dass bereits heute der Versuch von sexuellen Tathandlungen strafbar sei.
SDA/cpm
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