Kommentar zur Klimakrise An einer einfachen Rechnung gescheitert
Das verbleibende CO₂-Budget ist kleiner als bislang gedacht. Dass wir das 1,5-Grad-Ziel noch erreichen, wird unwahrscheinlicher – dabei hätte man es wissen können.
Diese Rechenaufgabe dürfte die meisten Viertklässlerinnen und Viertklässler nicht überfordern: Wenn man 250 Franken hat und davon jedes Jahr 40 ausgibt, nach wie vielen Jahren ist man pleite?
Eine ähnliche Aufgabe stellt sich den Regierungen beim Klimaschutz – mit dem Unterschied, dass sie reihenweise bei der Lösung durchfallen. Seit langem ist bekannt, dass nur noch eine bestimmte Menge an Kohlendioxid (CO₂) in die Atmosphäre gelangen darf, damit sich die Erde möglichst nicht um mehr als 1,5 Grad Celsius erwärmt – so wie im Pariser Klimaabkommen vereinbart. Der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC hatte das verbliebene CO₂-Budget für das 1,5-Grad-Ziel auf 500 Gigatonnen ab Anfang 2020 beziffert.
Nach einer neuen Schätzung von Forschern des Imperial College London ist dieses CO₂-Budget aber nur noch halb so gross: Es bleiben 250 Milliarden Tonnen, beginnend ab dem Jahr 2023, will man zumindest eine 50-prozentige Chance zur Einhaltung des Klimaziels wahren. Bei einem jährlichen Ausstoss von 40 Milliarden Tonnen CO₂ kann man sich ausrechnen, wie schnell das Budget aufgezehrt sein könnte.
Viele betrachten die Erderwärmung als Problem, das man lösen kann, wenn sonst nichts los ist.
Ein Teil des geschrumpften Budgets erklärt sich schlicht aus der Tatsache, dass seit der vorherigen Schätzung einige Jahre vergangen sind. Zugleich verharren die globalen Emissionen seit Jahren auf hohem Niveau, haben das Budget also wie erwartet aufgezehrt. Dazu kommt ein bizarrer Effekt: Es gelangen mittlerweile weniger Schadstoffe in die Luft, wodurch die kühlende Wirkung von Aerosolen zurückgeht. Auch das ist im Prinzip ein bekannter Effekt, der sich nun bemerkbar macht.
Dass solche Zusammenhänge dennoch oft mit Verwunderung aufgenommen werden, verweist auf ein Grundproblem der Klimapolitik. Noch immer betrachten viele die Erderwärmung als ein Problem unter vielen, das man lösen kann, wenn sonst gerade nichts los ist. Vergessen wird dabei, dass der Spielraum zur Lösung der Krise immer kleiner wird, je länger nicht gehandelt wird. Die Uhr tickt.
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