Kommentar zur Fussball-WM 2030Der Grössenwahn wird immer skurriler
Die Fifa beschliesst, die Weltmeisterschaft 2030 auf drei Kontinenten und in sechs Ländern auszutragen. Auf diese Idee muss zuerst noch einer kommen.
Wer kennt die Frage nicht, wenn er in einem Laden an der Theke steht und Fleisch oder Käse einkauft: Darf es auch ein bisschen mehr sein? Nun ist die Fifa weder Metzgerei noch Käseladen, aber irgendwie erinnert sie daran, wenn es um ihre Weltmeisterschaft 2030 geht.
Drei Länder werden das Turnier in seinem Kern ausrichten, das ist seit diesem Mittwoch beschlossene Sache. Es sind Spanien, Portugal und Marokko, ausser ihnen hat sich auch niemand darum beworben. Keinen freut das mehr als das Königreich aus dem Norden Afrikas. Fünfmal war es schon mit seinen Kandidaturen gescheitert, zuletzt für die Ausgabe 2026.
Dass es nun so viele Länder sind, ist noch keine Neuheit. Das gibt es erstmals 2026 mit den USA, Kanada und Mexiko. Doch diesmal, also 2030, überbietet sich der Weltverband nochmals. Das muss man ihm lassen: In dieser Beziehung sind bei ihm findige Köpfe am Werk. Für sie kann jedenfalls nichts gross genug sein. Der Grössenwahn will schliesslich gepflegt sein.
Die Fifa gönnt sich ja sonst nichts
In sieben Jahren bekommt das Turnier darum seine Aussenstationen. Und weil sich die Fifa sonst nicht viel gönnt – ausser einem opulenten Hauptsitz in Zürich, Zweigstellen in Paris und neuerdings auch in Singapur sowie Miami, dazu kleine Niederlassungen auf Barbados, in Indien, Malaysia, Neuseeland, Panama, Paraguay, Senegal, Südafrika, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kongo-Brazzaville und Äthiopien –, weil sie sich also sonst nichts gönnt, verlegt sie diese Aussenstationen nicht gleich um die Ecke, sondern nach Südamerika, genauer: nach Uruguay, Argentinien und Paraguay.
Da liegt nahe, dass sich Gianni Infantino dazu beglückwünscht. Infantino ist, wer könnte es vergessen haben?, seit 2016 Präsident der Fifa, als er Sepp Blatter nachfolgte und vollmundig versprach, dem Verband nach den Jahren der Skandale ein neues Image zu geben. (Weit ist er damit nicht unbedingt gekommen.) «In einer geteilten Welt sind die Fifa und der Fussball vereint», sagt er nun. Es wäre zwar auch gar nicht gut, wenn die beiden miteinander nichts zu tun hätten. Aber für Infantino und seinen Rat, den insgesamt 37-köpfigen Council mit seinen vielen Kopfnickern, geht es um eines: Sie wollen, sagt Infantino, «einen einzigartigen weltweiten Fussabdruck» hinterlassen. Ein Turnier, drei Kontinente, sechs Länder – das muss doch einfach zum Superlativ taugen. Es geht auch so: skurril, skurriler, Fifa.
1930 war noch alles anders. Die erste Ausgabe einer WM fand damals in Uruguay statt. 13 Nationen hatten sich dafür angemeldet, um in den drei Stadien von Montevideo 18 Spiele auszutragen. Der Gastgeber setzte sich am Ende durch. Im Vergleich zu heute war das ein Hinterhofturnier.
Was ist schon ein fairer Wettbewerb?
2030 wird die WM 100 Jahre alt, dafür spendiert sich die Fifa «eine Hundertjahrfeier und Festspiele in Uruguay, Argentinien und Paraguay» (so ihr Communiqué). Die Kosten? Egal. Der ökologische Fussabdruck? Was ist das?, wird sich zumindest Infantino fragen, der nirgends lieber ist als in irgendeinem Flugzeug, um die Welt mit seiner Anwesenheit zu beehren.
Drei Spiele sind in Südamerika geplant, eines pro Land. Zwischen Madrid und Montevideo, der Stadt des geplanten Eröffnungsspiels, liegen 10’000 Kilometer und 12 Flugstunden. Die sechs Gastgeber sind fürs Turnier bereits qualifiziert. Für den Rest der Welt bleiben noch immer genug Plätze. Schliesslich hat es Infantino geschafft, das Turnier ab der nächsten Ausgabe von 32 auf 48 Teilnehmer aufzublasen.
Vielleicht spielt die Schweiz in sieben Jahren in Buenos Aires, Montevideo oder Asunción, bevor sie dann nach Europa zurückreist, während es sich die Gruppengegner hier gemütlich machen können. Natürlich ist sie dann nicht mehr mit dem Schiff unterwegs, wie das die Mannschaften aus Europa 1930 waren. Die Businessclass gehört längst zum Minimalstandard. Aber die Reiserei bleibt, der Jetlag vielleicht auch. Dass fairer Wettbewerb anders aussieht, scheint die Fifa nicht weiter zu kümmern. Hauptsache, sie kann die Welt zum Dorf machen.
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