Debatte um Spektakel-KulturKolosseum oder Klamaukbude?
Das römische Amphitheater soll einen Holzboden bekommen, eine Bühne also. Die Polemik ist laut.
Das Kolosseum ist weiss Gott kein heiliger Ort, mag er auch ikonisch in die Welt strahlen wie wenige. Für Rom, für die Antike, für die kaiserliche Devise «Panem et circenses», Brot und Spiele. Es waren oft brutale, tödliche Spiele.
Doch wehe dem, der sich an der Form des Amphitheaters aus der Zeit der flavischen Herrscherdynastie zu schaffen macht, wie der italienische Kulturminister Dario Franceschini es mit einiger Konsequenz tut. Nun soll es in der Mitte der Arena also wieder einen Holzboden geben wie früher, von ihrer Einweihung im Jahr 80 n. Chr. bis Ende des 19. Jahrhunderts.
Der Auftrag für 18,5 Millionen Euro ist vergeben, er ging an ein Ingenieurbüro aus Venedig, die Milan Ingegneria. Ihr ein- und ausfahrbarer Boden wird das unterirdische System aus Gängen und Kammern, die heute frei unter dem Himmel liegen, je nach Belieben ganz abdecken oder halb freilegen. So können die Besucher die «Majestät des Monuments» auch aus der Mitte erleben, wie Franceschini es bei der Präsentation beschrieb. Es sollen dann auch einmal «sehr hochstehende kulturelle Veranstaltung» im Kolosseum stattfinden. «Niemand hat vor, einen Ort des Spektakels daraus zu machen, Gott bewahre!», sagte der Minister.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Doch genau davon handelt die Polemik, befeuert wird sie von besorgten Bewahrern. Sie fürchten, dass das Kolosseum, wenn es dann mal wieder eine Bühne hat, 3000 Quadratmeter gross, zu einer kommerziellen Klamaukbude verkommen könnte. Der Kulturhistoriker Tomaso Montanari zum Beispiel nennt das Vorhaben mit dem Boden deshalb «demagogisch, populistisch, ahistorisch». Andere monieren, der Staat investiere Millionen in das bereits jetzt meistbesuchte Monument des Landes, während andere auseinanderfielen.
«Nachhaltig und rückbaubar»
2023 soll der Bau fertig sein, und man muss wohl das erste Veranstaltungsprogramm abwarten, um sich zu vergewissern, wie hochstehend das Hochstehende dann tatsächlich sein wird. Die Arbeiten beginnen spätestens Anfang 2022.
«Sehr leicht, nachhaltig und rückbaubar» soll der Boden werden, sagen seine Erfinder. Sollten also in Zukunft wider Erwarten wieder die Konservatoren das Sagen haben, lässt sich die Struktur einfach wegnehmen, und es wäre, als sei sie nie da gewesen. Der Boden wird aus Hunderten feiner Kunststofflamellen bestehen, die mit Accoya, einem modernen Holzprodukt, eingefasst sind, die der Witterung besser standhalten.
Das Regenwasser soll für Toiletten genutzt werden.
In dreissig Minuten soll sich der Boden öffnen und schliessen lassen, die Lamellen schieben sich dafür zusammen und auseinander wie bei einer Ziehharmonika. So lässt sich auch dosieren, wie viel Licht in die Kellerräume fällt, die bald zu einem geschützten Museum werden. Das Projekt sieht auch ein neues Ventilationssystem vor, damit das ganze Areal unter dem Boden nicht feucht wird, wenn die Sonne nicht mehr draufbrennt wie bisher. Das Regenwasser wiederum soll für die Toiletten genutzt werden.
«Das Kolosseum bleibt das Kolosseum», sagte Alfonsina Russo, die Direktorin des Parco Archeologico del Colosseo. Und vielleicht könnten alle mit dieser Formel leben. Früher warteten Gladiatoren und Raubtiere in den Räumen unter dem Holzboden auf ihren Einsatz, auf den makabren Zirkus für Volk und Obrigkeit. Die Käfige öffneten sich, Aufzüge brachten sie hoch ins Rund. Platz gab es für 50’000 Zuschauer. Dann wurde jeweils der Tod verhandelt, live.
Fehler gefunden?Jetzt melden.