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Preis der grünen Luftfahrt
Klima­neutrales Fliegen wird teurer, aber vielleicht nicht viel

Was kostet ein Ticket in die Feriendestination, wenn man dereinst klimaneutral fliegen kann? Nicht unbedingt viel mehr als heute, zeigt eine Studie.
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In Kürze:
  • Eine ETH-Studie schätzt, dass klimaneutrales Fliegen 50 Prozent mehr kostet.
  • Der Trend zu günstigeren Flugtickets könnte diese Zusatzkosten ausgleichen.
  • Kritiker verweisen auf notwendige Infrastruktur und Unsicherheiten bei Kostenprognosen.

Klimaneutrales Fliegen wird teurer, aber im optimalen Fall kaum merklich. Das zeigt eine neue Studie der ETH Zürich und des Paul-Scherrer-Instituts (PSI) in Villigen, die im Fachmagazin «Nature Communications» erschienen ist.

«Wir gehen davon aus, dass die Kosten für die vollständige Klimaneutralität bis 2050 den Preis für ein Flugticket um rund 50 Prozent erhöhen werden», sagt Anthony Patt, Professor für Klimapolitik an der ETH Zürich und Co-Autor der Studie.

Dieser Aufpreis könnte teils durch Sparmassnahmen der Branche kompensiert werden. So ist der Preis für Flugtickets in den letzten 25 Jahren um mehr als 40 Prozent gesunken. «Sollte sich dieser Trend fortsetzen, würden sich die beiden Effekte gegenseitig fast ausgleichen», sagt Patt. «Dann würde klimaneutrales Fliegen um 2050 in etwa so viel kosten wie klimaschädliches Fliegen heute.»

Ohne Sparmassnahmen Ticketpreise wie vor 30 Jahren

Sollten Kostensenkungen durch weitere Sparmassnahmen der Branche ausbleiben, würden die Flugpreise auf dem Weg zum klimaneutralen Fliegen allmählich auf das höhere Niveau der 1990er-Jahre zurückkehren. «Keine der beiden Optionen scheint wirklich tragisch zu sein», sagt Patt.

In der Studie vergleichen die Forschenden von ETH und PSI die beiden wichtigsten Ansätze für klimaneutrales Fliegen, die auch für Langstreckenflüge funktionieren. Der erste Ansatz mag zunächst erstaunen: Hier verfeuern die Flugzeuge weiterhin fossiles Kerosin. Die damit einhergehende Emission des Treibhausgases CO₂ wird kompensiert, indem CO₂ zum Beispiel direkt der Atmosphäre in einer entsprechenden Menge entzogen und das Gas im Untergrund eingelagert wird.

Beim zweiten Ansatz werden die Flugzeuge nicht mit fossilem Kerosin, sondern mit nachhaltig erzeugtem, synthetischem Treibstoff betankt. Dazu wird ebenfalls CO₂ eingefangen und zusammen mit regenerativ erzeugtem Wasserstoff zu synthetischem Kerosin verarbeitet.

Synthetischer Treibstoff gemäss neuer Studie der bessere Weg

Gemäss der Studie ist die Verwendung synthetischer Kraftstoffe der bessere Weg, vor allem wenn der Flugverkehr bis 2050 wie erwartet weiter deutlich wächst. Das hat damit zu tun, dass die Emission von CO₂ nicht der einzige Klimaeffekt des Fliegens ist. «Die Klimaauswirkungen des Luftverkehrs können bis zu dreimal grösser sein als die des CO₂ allein», sagt Nicoletta Brazzola, leitende Autorin der Studie. Diese zusätzliche Klimawirkung wird vor allem durch Kondensstreifen hervorgerufen, die Wärmestrahlung von der Erde daran hindern, in den Weltraum zu entweichen. Aber auch andere Nicht-CO₂-Effekte wie die Emission von Stickoxiden und Russ sind für eine zusätzliche Klimawirkung verantwortlich.

Synthetische Treibstoffe bieten hier einen Vorteil, denn sie verbrennen sauberer als fossiles Kerosin, verursachen daher weniger Kondensstreifen und weniger andere wärmende Nicht-CO₂-Effekte.

Infografik zur Produktion von künstlichem Kerosin. Luftfilter oder Biomasse entzieht der Luft CO₂. Daraus wird mit regenerativem Strom oder Sonnenlicht ein Synthesegas hergestellt. Dieses wird zu synthetischem Kerosin verarbeitet.

Da die Nicht-CO₂-Effekte bei der Verwendung von fossilem Kerosin grösser sind, muss mehr Geld in den teuren Einfang von CO₂ und dessen Lagerung im Untergrund gesteckt werden. Daher würde der Weg über fossiles Kerosin die Flugtickets gemäss der Studie im Jahr 2050 um rund 55 bis 75 Prozent teurer machen als heute, der Weg über synthetisches Kerosin nur um 45 bis 60 Prozent. Von diesen Zusatzkosten können allfällige Spareffekte abgezogen werden, etwa durch effizientere Triebwerke und eine bessere Aerodynamik künftiger Flugzeuge.

Laut früherer Studie war fossiles Kerosin günstiger

Zu einem etwas anderen Resultat kam eine 2023 publizierte Studie von Forschenden um Romain Sacchi vom PSI und Marco Mazzotti von der ETH Zürich. Die aus Sicht der Autoren günstigste Lösung ist demnach die Nutzung von fossilem Kerosin, verknüpft mit dem Einfang und der Lagerung von CO₂.

Direkt vergleichbar sind die beiden Studien allerdings nicht, da sie auf unterschiedliche Aspekte fokussieren. So werden in der Sacchi-Studie die Kosten des klimaneutralen Fliegens für die Jahre von circa 2020 bis 2050 aufsummiert. Die neue Studie zeigt die Kosten allein für das Jahr 2050.

Und es gibt noch weitere Unterschiede. Laut Patt geht die Sacchi-Studie davon aus, dass der synthetische Kraftstoff ausschliesslich in Europa hergestellt wird. «Wir gehen von globalen Produktionsketten für die synthetischen Kraftstoffe aus, was die erneuerbaren Energien, die zur Herstellung dieser Kraftstoffe benötigt werden, sehr viel billiger macht», sagt Patt. Beispielsweise könnten grosse Solarenergie­anlagen in sonnenreichen Gegenden der Arabischen Halbinsel errichtet werden. «Das entspricht auch der Richtung, in die sich dieser Markt entwickelt.»

Einen Kostenvorteil hätte der Ansatz mit fossilem Kerosin indes, wenn weitere Massnahmen zum Tragen kämen, schreiben die Forschenden um Brazzola und Patt. Dazu gehört die Wahl spezieller Flugrouten zur Vermeidung von Kondensstreifen und die sogenannte Hydrierung von fossilem Kerosin, was zur Verringerung von Kondensstreifen und anderer Nicht-CO₂-Effekte führt. Vor allem aber würde der Ansatz mit fossilem Kerosin plus CO₂-Einfang und -Speicherung günstiger abschneiden als synthetischer Treibstoff, wenn der Flugverkehr entgegen dem aktuellen Trend künftig zurückginge.

Markt für synthetisches Kerosin ist noch sehr klein

Die Bedeutung eines sinkenden Flugverkehrs wird in der Sacchi-Studie von 2023 sogar noch stärker betont: «Wir zeigen, dass ein klimaneutraler europäischer Luftverkehr möglich ist, aber nur, wenn der Luftverkehr reduziert wird, um das Ausmass der Klimaauswirkungen zu begrenzen und abzumildern», sagt Mazzotti. In diesem Sinne seien die Ergebnisse der beiden Studien letztlich gar nicht so unterschiedlich. «Ich halte es aber für illusorisch, das Emissionsproblem der Luftfahrt ohne eine Reduktion des Sektors zu lösen. Das gelingt weder mit fossilem Kerosin und dem Einfang von CO₂ aus der Atmosphäre noch mit synthetischem Treibstoff.» Aus Sicht des Bundesamts für Zivilluftfahrt ist das Netto-null-Ziel beim Flugverkehr in der Schweiz trotz des erwarteten Wachstums zu erreichen.

Kritisch sieht Mazzotti den starken Fokus der aktuellen Studie von Brazzola und Patt auf die Kosten. «Während wir uns mit den erforderlichen Ressourcen für klimaneutrales Fliegen befassen – neben den Kosten sind das der Strombedarf, der Bedarf an CO₂-Speichervolumen sowie die Flächennutzung für erneuerbare Energien und den CO₂-Einfang –, fokussiert die aktuelle Studie nur auf die Kosten», sagt Mazzotti. «Das impliziert, dass alle Auswirkungen des Fliegens in Form von Kosten ausgedrückt werden können und dass der Markt schon regeln wird, welches die beste Option ist. Ich glaube nicht, dass dies richtig ist, insbesondere wenn es um den Klimawandel geht.» Aus Sicht von Mazzotti sind die Kosten des klimaneutralen Fliegens im Jahr 2050 daher mit recht grosser Unsicherheit behaftet.

Heute ist der Markt für synthetisches Kerosin noch sehr klein. Aber das soll sich ändern. Anfang Jahr trat in der EU ein Gesetz in Kraft, wonach dem fossilen Kerosin zunächst 2 Prozent nachhaltiger Treibstoff beigemischt werden muss. Bis 2050 soll der Anteil auf 70 Prozent ansteigen. In der Schweiz ist mit der 2025 in Kraft getretenen CO₂-Verordnung die rechtliche Grundlage für eine solche Beimischpflicht gelegt. Rechtskräftig werden soll sie hierzulande voraussichtlich 2026.

ETH-Forscher Anthony Patt sieht zwar «keine technologischen Hindernisse», um synthetisches Kerosin in steigendem Umfang herzustellen. Einfach wird der Weg zum klimaneutralen Fliegen laut Studienautorin Nicoletta Brazzola allerdings nicht – egal, ob bevorzugt der Pfad über synthetisches Kerosin oder eher über fossiles Kerosin und die Speicherung von CO₂ eingeschlagen wird. «Um eine klimaneutrale Luftfahrt mit diesen Technologien zu erreichen, müssen wir erneuerbare Energien massiv ausbauen, grosse Mengen an grünem Wasserstoff produzieren und eine Infrastruktur für den Transport und die Speicherung von CO₂ aufbauen», sagt Brazzola. «Dies wird eine beispiellose Herausforderung sein.»