Multitalent Maxime ChablozVor dem Start hat er Angst zu sterben
Er ist Weltmeister im Ski-Freeriden. Und mehrfacher Juniorenweltmeister im Kitesurfen. Maxime Chabloz betreibt zwei Sportarten auf höchstem Niveau. Dennoch plagen den 22-Jährigen bedrückende Gefühle.
Stellen Sie sich vor, Sie werden in Ihrem Beruf von Todesangst geplagt. Dann würde es Ihnen ergehen wie Maxime Chabloz. Der 22-jährige Nidwaldner gehört nicht nur im Kitesurfen zur absoluten Weltspitze, er ist auch einer der weltbesten Freeride-Skifahrer. Gleich in seiner Debütsaison auf der World-Tour krönte er sich 2022 zum Weltmeister in der Sportart, in der es vor allem darum geht, möglichst schnell und spektakulär die steilsten Hänge runterzufahren. Er triumphierte, obwohl er vor den Wettkämpfen von kaum auszuhaltenden Ängsten heimgesucht wird.
Aufgewachsen in Beckenried, unweit der Talstation des Skigebiets Klewenalp, schloss sich Chabloz als kleiner Bub dem lokalen Skiclub an und fuhr zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Yannick Skirennen. Doch anders als seinem Bruder – der es im Ski alpin bis zum Profi schaffte und heute im Weltcup fährt – fehlte Maxime dabei die Leidenschaft. Diese verspürte er nicht zwischen den Toren, sondern abseits der Piste. Er fuhr damals schon lieber im Pulverschnee und suchte sich geeignete Routen, um auch Backflips in seine Fahrten einzubauen.
Anstatt für eine Lehrstelle entschied er sich für Brasilien
Neben dem Freeriden schlägt Chabloz’ Herz seit seiner Kindheit besonders stark für das Kitesurfen, zu dem er durch seinen Vater und dessen Freunde fand. Mit neun Jahren stand der Beckenrieder erstmals auf dem Kiteboard, liess sich vom Wind pfeilschnell übers Wasser ziehen, und schnell wurde ihm klar: «Ich will einmal der beste Kitesurfer der Welt sein.» Fortan standen für ihn das Kiten und der Traum, seine Passion einst als Profi ausüben zu können, an erster Stelle. Auch von Stimmen aus seinem Umkreis, die ihm sagten, für eine erfolgreiche Karriere in diesem Sport sei er im falschen Land geboren, liess er sich nie beirren.
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Dennoch war sich auch Chabloz bewusst, dass er in anderen Ländern bessere Bedingungen vorfinden würde. Nachdem er die Oberstufe in Hergiswil abgeschlossen hatte, entschied er sich deshalb gegen den gewöhnlichen Weg. Anstatt einen Beruf zu erlernen oder eine weiterführende Schule zu besuchen, setzte Chabloz mit 15 Jahren gänzlich auf die Karte Profikarriere und ging für drei Monate nach Brasilien.
In Südamerika fand er perfekte Trainingsbedingungen vor und profitierte vom hohen Niveau seiner Konkurrenz. Und seine Eltern? Sie unterstützten ihn in seinem Traum. «Meine Eltern gaben mir zwei Jahre Zeit, um es zum Profi zu schaffen. Nach nur einem Jahr hatte ich bereits Sponsoren gefunden, die mir die ganze Saison finanzierten», sagt Chabloz, der auch heute noch bei seinen Eltern wohnt: «Es macht für mich nicht viel Sinn, irgendwo Miete zu zahlen, wenn ich sowieso nur zwei Monate im Jahr zu Hause bin.»
Der dreimonatige Aufenthalt in Brasilien war für den damaligen Teenager nicht nur ein finanzieller Erfolg. Auch sportlich hat er sich ausbezahlt: Bei den Juniorenweltmeisterschaften 2016 und 2017 gewann er den Titel, 2019 kürte er sich ein drittes Mal zum Kitesurf-Juniorenweltmeister. So war es auch keine Überraschung, dass sich Chabloz rasch auf der World-Tour etablieren konnte. 2020 gewann er auf der brasilianischen Insel Guajiru seinen ersten Contest.
Der Weltmeistertitel auf der World-Tour fehlt dem Nidwaldner allerdings noch. Zwar gewann Chabloz immer wieder einzelne Wettkämpfe, im Gesamtklassement reichte es ihm aber nie ganz an die Spitze. Auch in diesem Jahr verpasste er den Gesamtsieg. Er beendete die Saison auf dem dritten Rang.
Das Erfolgsrezept und der Titel in der Debütsaison
Der Titel auf der Kite-Tour bleibt somit weiterhin Chabloz’ grosses Karriereziel. Die passende Erfolgsstrategie scheint er aber bereits gefunden zu haben: Hatte er in der Vergangenheit nach dem Sommer noch Mühe, sich für das Training zu motivieren, änderte sich das, als er damit begann, im Winter mit dem Freeriden auf eine zweite Sportart zu setzen. «Ich hatte Motivationsprobleme, und das Skifahren hat mich da rausgeholt», so Chabloz.
Was er damit meint: Im Winter 2022 debütierte er auf der Freeride-World-Tour und gewann auf Anhieb den Weltmeistertitel. Drei von fünf Wettkämpfen konnte Chabloz für sich entscheiden. Darunter auch das Heimrennen «Verbier Xtreme» am Bec des Rosses, das in der Freeride-Szene als die ultimative Prüfung für die Athleten und Athletinnen gilt.
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Chabloz konnte beim Freeriden von seiner sauberen technischen Grundausbildung profitieren, die er sich im alpinen Rennsport angeeignet hatte. «Beim Freeriden kommt es sehr stark darauf an, was man zwischen den Jumps im Pulverschnee zeigt, also wie man Ski fährt», erklärt er. Bereits 2019 konnte er bei den Junioren einen Freeride-Weltmeistertitel einfahren.
Aufhören ist keine Option
«Ich fahre Ski, seit ich zwei Jahre alt bin, und das schon immer neben der Piste», sagt der 22-Jährige. Und trotzdem wird der Draufgänger vor den Freeride-Rennen von unangenehmen Angstzuständen geplagt. «Das mag blöd klingen, aber ich habe grosse Angst, mich zu verletzen oder dabei gar zu sterben», erklärt Chabloz seine Gefühlslage, die ihm vor dem Start Kummer bereitet. Mit dem Wissen, dass er sich in wenigen Sekunden in Lebensgefahr stürzen wird, gilt es für Chabloz, auf die Zähne zu beissen. Der einzige Gedanke, der ihm dabei hilft: «Sobald ich in den Run droppe, verfliegt die Angst, und es fühlt sich einfach nur geil an!»
Für Chabloz ist es trotz seiner Furcht keine Option, mit dem Freeriden aufzuhören. «Die letzten Jahre, in denen ich beide Sportarten auf diesem Level ausgeübt habe, waren sportlich gesehen meine erfolgreichsten», sagt er. Ende Januar steht mit dem Contest in den spanischen Pyrenäen der erste Wettkampf der Freeride-Tour 2024 an. Chabloz wird sich auch dann wieder überwinden müssen. Bis dahin versucht er, seine Gedanken an den Saisonauftakt beiseitezuschieben. Auch das Verdrängen seiner Ängste ist ein Rezept, das in der Karriere des selbstbestimmten Allrounders immer wieder zum Erfolg führte.
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