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Apotheken für Liberalisierung
Kann man bald Schmerzmittel im Onlineshop bestellen?

Ist das wirklich nötig? Um ein Schmerzgel und rezeptfreie Schmerzmittel zu kaufen, müssen Kunden heute eine Apotheke oder Drogerie aufsuchen.
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Wer seine Hausapotheke mit rezeptfreien Arzneien wie Voltaren oder Ibuprofen aufstocken will, muss in eine Apotheke oder Drogerie gehen. Der Onlinekauf dieser Mittel ist in der Schweiz verboten.

Dieses Versandverbot rezeptfreier Arzneien droht in der Corona-Krise aber Nebenwirkungen zu haben. Denn es zwingt ältere Menschen und Patienten mit Vorerkrankungen, zum Kauf einer Schmerzsalbe das Haus zu verlassen.

Der Onlineapotheke Zur Rose ist das Versandverbot rezeptfreier Mittel seit langem ein Dorn im Auge. Das Unternehmen hatte beim Bundesrat und dem Bundesamt für Gesundheit wegen der Corona-Krise um eine Ausnahmegenehmigung gebeten – sich aber eine Abfuhr geholt. «Auch dank Hilfe durch Angehörige» sei die Versorgung sichergestellt, schreibt das Bundesamt zur Begründung.

Apotheken geben Opposition auf

Doch nun kommt Bewegung in die Sache. So arbeiten die stationären Apotheken an einem Konzept, wie rezeptfreie Mittel in der Corona-Krise auch online vertrieben werden können, ohne Abstriche beim Patientenschutz zu machen. Die Details sind noch in Arbeit, heisst es vom Apothekenverband Pharmasuisse.

Darüber hinaus zeichnet sich eine grundsätzliche Gesetzesliberalisierung beim Versand rezeptfreier Medikamente ab. Dazu prüft das Bundesamt für Gesundheit derzeit im Auftrag des Bundesrats, ob das Versandverbot rezeptfreier Arzneien noch zeitgemäss ist.

«Medikamente sowohl in einer lokalen Apotheke als auch online bestellen zu können und nach Hause geliefert zu erhalten, ist heute ein berechtigtes Anliegen.»

Sprecherin des Apothekenverbandes Pharmasuisse

Den Bericht dazu will das Bundesamt der Regierung im kommenden Jahr vorlegen. Alle Beteiligten – von den Herstellern über Patientenschutzorganisationen bis hin zu Politikern – befürworten im Grundsatz eine Liberalisierung. Sogar der Apothekenverband Pharmasuisse hat seine Fundamentalopposition aufgegeben.

«Medikamente sowohl in einer lokalen Apotheke als auch online bestellen zu können und nach Hause geliefert zu erhalten, ist heute ein berechtigtes Anliegen», erklärt eine Pharmasuisse-Sprecherin. «Pharmasuisse sucht aktiv mit allen Marktteilnehmenden nach legalen Lösungen, die sich mit den Bestimmungen zum Schutz der Patientensicherheit des Heilmittelgesetzes vereinbaren lassen.»

Knackpunkt ist die Beratung

Diese Haltung ist bei den Beteiligten Konsens: «Wenn Online-Apotheken den Nachweis einer Beratung sicherstellen, spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, ihnen den Versand von nicht verschreibungspflichtigen Arzneien zu erlauben», sagt zum Beispiel die Aargauer CVP-Nationalrätin Ruth Humbel, Präsidentin der nationalrätlichen Gesundheitskommission. Laut ihrer Einschätzung gäbe es im Parlament auch eine Mehrheit für eine Liberalisierung, «wenn der Gesundheitsschutz gewahrt wird».

Dagegen verzichtete der Gesetzgeber bei der letzten Revision des Heilmittelgesetzes, die erst Anfang 2019 in Kraft trat, auf eine Liberalisierung. Das Gesetz verbietet grundsätzlich den Versand von Arzneimitteln, ausser, es liegt eine ärztliche Verschreibung vor und eine sachgerechte Beratung ist sichergestellt. Niemand geht aber zum Arzt, um sich ein Rezept für eigentlich verschreibungsfreie Kopfschmerztabletten geben zu lassen, die der Kunde vielleicht nur auf Vorrat kaufen will.

Besonders bizarr ist, dass es legal ist, solche rezeptfreien Arzneien bei einer ausländischen Online-Apotheke zu ordern und sich in die Schweiz liefern zu lassen.

Pharmasuisse besteht indes darauf, dass zur Abgabe eines Medikaments eine Fachberatung nötig ist. Wie dies beim Online-Versand von rezeptfreien Mitteln sichergestellt werden kann, das dürfte die grosse Konfliktlinie bei einer allfälligen Liberalisierung sein.

«Es muss nicht immer ein persönliches Gespräch sein. Die Benachteiligung des Online-Vertriebs ist daher nicht mehr gerechtfertigt.»

Daniel Tapernoux, Schweizerische Patientenorganisation

Patientenvertreter sehen diesen Punkt überraschend entspannt. «Die Beratungsqualität in den stationären Apotheken ist von sehr unterschiedlicher Qualität», sagt Daniel Tapernoux, Mitglied der Geschäftsleitung der Schweizerischen Patientenorganisation. «Es muss auch nicht immer ein persönliches Gespräch sein. Die Benachteiligung des Online-Vertriebs ist daher nicht mehr gerechtfertigt.» Er kann sich vorstellen, dass die Fachberatung über abgesicherte Chats, Online-Fragebögen oder per Telefon geleistet werden kann.

Vor jeder Bestellung einen Fragebogen ausfüllen

Zur Rose schlägt vor, den Bestellprozess wie bei rezeptpflichtigen Mitteln abzuwickeln. «Vor jeder Bestellung muss ein Kunde einen Fragebogen zu Angaben des Gesundheitszustands und der Einnahme anderer Medikamente ausfüllen», sagt Walter Hess, Schweiz-Chef von Zur Rose.

Das System prüft automatisch, ob es gefährliche Wechselwirkungen bei den bestellten Produkten und zu früher bestellten Arzneien gibt. «Gibt es Auffälligkeiten beim Fragebogen oder der Wechselwirkungskontrolle, so fragen unsere Pharmaassistentinnen oder Apotheker beim Kunden nach», so Hess.

Voltaren online kaufen zu können, ist für Patienten bequem. Für die Apotheken geht es um viel Geld: Der Markt rezeptfreier Arzneien ist eine Milliarde Franken schwer. Und der Streit darum ist noch lange nicht vorbei.