Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

AboNetto null kommt in die Kantonsverfassung
Kein Klimanotstand, dafür ein Verfassungsartikel

Vertreterinnen der Klimajugend verlangten 2019 als Eisbären verkleidet im Kantonsrat die Ausrufung des Klimanotstandes.

Am 11. März 2019 demonstrierten 100 Jugendliche vor dem Zürcher Rathaus, unter ihnen zehn «Eisbären». An diesem Tag erklärte der Kantonsrat zwei SP- und GLP-Postulate zum Klimanotstand für dringlich. Am 13. Mai 2019 war wieder Demo auf dem Limmatquai, es waren erneut Klimaaktivisten in Eisbärkostümen anwesend, und der Kantonsrat rief den Regierungsrat mit 90:84 Stimmen auf, den Klimanotstand auszurufen.

Am 2. März 2020 heizten abermals Klimaaktivisten den Kantonsratsmitgliedern ein, unter ihnen – richtig – auch Personen mit künstlichem Eisbärfell. Und es wurde eine Erklärung des Klimastreiks Zürich verlesen, mit einem Ultimatum: «Zum letzten Mal freundlich» forderten die Aktivisten einen Massnahmenplan für netto null Treibhausgasemissionen bis 2030, und zwar bis Ende August 2020.

Der Regierungsrat rief nichts aus, erklärte aber in einem mehrseitigen Bericht, was er zum Klimaschutz tut oder zu tun gedenkt. Er erwähnte insbesondere den Gebäudebereich, wo der Treibhausgasausstoss mittels diverser Massnahmen wie Dämmung oder Wechsel von Ölheizungen zu Wärmepumpen verringert werden soll. Auch im Bereich Verkehr mit dem ÖV-Ausbau und der Veloförderung soll etwas gehen. Zudem werden im Bericht viele kleinere Massnahmen wie klimafreundliche Ernährung in kantonalen Personalrestaurants aufgeführt.

Kritik an Regierungsrat

Am 28. Juni 2021 tagt der Kantonsrat nicht mehr in der Zürcher Innenstadt, sondern in einer Messehalle in Oerlikon. Publikum ist pandemiebedingt nicht erlaubt, eine Demo bleibt aus, keine Eisbären. Der Kantonsrat entscheidet, ob er die beiden Notstands-Postulate mit oder ohne sogenannte abweichende Stellungnahme abschreibt. So technisch ist das. Und es geht noch technischer: Das Parlament hätte auch einen Ergänzungsbericht verlangen können, das ist sozusagen die Höchststrafe für die Regierung. Doch die EVP als Mitglied der Klimaallianz bot nicht Hand dazu, weshalb es nicht dazu kam.

In der milderen Form, also der abweichenden Stellungnahme, kritisieren SP, GLP, Grüne und EVP, dass im regierungsrätlichen Bericht mehrheitlich Massnahmen der Baudirektion beschrieben würden, die anderen Direktionen aber fast fehlten und das Thema Verkehr zu wenig aktiv beackert werde. Auch sei vieles zu schwammig, und die Verfasser kritisieren, dass die Klimaverträglichkeit der kantonalen Finanzanlagen sowie der ZKB und der Pensionskasse BVK ausgespart werde.

In der gut einstündigen Debatte warfen die Exponenten der Klimaallianz sowie der Gegenseite aus SVP, FDP und Mitte einander wahlweise fehlende Bereitschaft zu handeln respektive Symbolpolitik vor. Die abweichende Stellungnahme wurde dem Regierungsrat schliesslich mit 89:84 Stimmen ans Herz gelegt, die Postulate wurden aber abgeschrieben. Der Klimanotstand ist im Kanton Zürich also offiziell nicht ausgerufen.

Emotionsgeladene Debatte

Mehr Fleisch am Knochen gab es am Montagnachmittag, als eine parlamentarische Initiative von Beat Bloch (CSP, Zürich) verhandelt wurde. Bloch verlangte einen neuen Klimaschutzartikel in der Kantonsverfassung. Dieser sollte Kanton und Gemeinden auf eine Politik verpflichten, welche zum Ziel hat, den globalen Temperaturanstieg auf unter 2 Grad zu beschränken. Explizit wollte Bloch auch die Finanzströme erwähnen, die klimaverträglich sein sollten.

Der Kantonsrat sprach sich am Montagnachmittag mit 121 zu 46 für die Initiative aus – allerdings in abgeänderter und allgemeinerer Form. Kanton und Gemeinden sollen sich «für die Begrenzung des Klimawandels einsetzen». Zielgrösse sind dabei die Ziele des Bundes und der verbindlichen internationalen Verträge. Explizit erwähnt wird das Netto-null-Ziel beim Ausstoss von Treibhausgasen.

Obwohl der Verfassungsartikel nur eine indirekte Wirkung haben wird, gab es eine emotionsgeladene Debatte. Sie wurde von der SVP angeheizt, die als einzige Partei dagegen war. Zwar stellten die zahlreichen SVP-Sprecherinnen und -Sprecher – im Unterschied zu früher – den Klimawandel nicht mehr grundsätzlich infrage. Doch sie bezeichneten den Verfassungsartikel als «Klimasermon» und «Evangelium» der Sozialisten.

Erika Zahler (SVP, Boppelsen) befüchtete, dass Zürich in eine Negativspirale gerate. Abwanderung von Unternehmen wegen Klimaschutzauflagen, Bestrafung des Mittelstandes: «Das fördert die Zweiklassengesellschaft.» René Isler (SVP, Winterthur) warf der Linken vor, Klimaschutz vor allem von den anderen zu fordern, und untermauerte das durch eine Statistik, wonach in Winterthur nur gerade 2,3 Prozent der Bevölkerung Strom der nachhaltigsten Kategorie beziehen würden. Und Hans-Peter Amrein (Küsnacht) behauptete sogar, mit diesem Artikel werde der «Öko-Sozialismus in der Verfassung verankert».

Von Zürich aus die Welt retten?

Diese Stimmen blieben allerdings in der Minderheit, von allen anderen Fraktionen wurde der Artikel unterstützt. Sogar die Freisinnigen stimmten dafür: «Klimaschutz ist eine der grössten Aufgaben unserer Zeit», sagte Hans-Peter Brunner (FDP, Horgen). Die Grünliberalen erinnerten daran, dass Zürcherinnen und Zürcher überdurchschnittlich zum Ausstoss von CO₂-Immissionen beitragen würden. SP-Sprecherin Nicola Yuste (Zürich) sprach im Unterschied zu Erika Zahler von einer Positivspirale, in welche das Gewerbe in neuen Wirtschaftszweigen gerate.

Initiant Beat Bloch war erfreut, «dass in vielen Köpfen auch auf bürgerlicher Seite etwas passiert ist». Der grüne Regierungsrat Martin Neukom sprach sich im Namen des Regierungsrates ebenfalls für den Verfassungsartikel aus: «Wir können aus Zürich zwar die Welt nicht allein retten, aber wir können zur Rettung etwas beitragen.» Das letzte Wort zum Klimaschutzartikel wird das Volk haben.