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Neues Gesetz gegen illegale Migration
Kein Asylrecht mehr in England für Bootsflüchtlinge

Das neue Gesetz trat am Dienstag in Kraft. Im Bild: Die französische Polizei versucht die Abfahrt eines Schlauchboots mit Migrantinnen und Migranten zu verhindern, welche den Ärmelkanal überqueren wollen. 
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Wer in Grossbritannien Zuflucht sucht, ohne über eine Vorabgenehmigung zu verfügen, hat von dieser Woche an kein Recht mehr, im Land selbst Asyl zu beantragen. Das schliesst so gut wie alle Menschen, die jeden Monat zu Tausenden in kleinen Booten über den Ärmelkanal setzen, vom traditionellen Asylrecht auf der Insel aus.

Ein neues «Gesetz gegen illegale Zuwanderung», das am Dienstag in Kraft trat, verschafft der Regierung die Befugnis, die Annahme von Asylanträgen zu verweigern und die Angelandeten stattdessen so lange festzuhalten, bis sie deportiert werden können – zurück in ihre Heimat oder in andere «sichere» Teile der Welt. Auch für Kinder und für Opfer von Menschenhandel wird prinzipiell keine Ausnahme gemacht.

Das Innenministerium ist beauftragt, für einen möglichst schleunigen Abtransport der unbefugten Ankömmlinge zu sorgen. Eine spätere Rückkehr nach Grossbritannien wird den Deportierten von dem neuen Gesetz unmöglich gemacht.

«Schändlich und beschämend»

Als «schwarzen Tag» bezeichneten Kirchenleute, Wohlfahrtsverbände und Kritiker in allen Parteien das Inkrafttreten der neuen Bestimmungen. Justin Welby, als Erzbischof von Canterbury der ranghöchste Geistliche der englischen Staatskirche, verurteilte die Gesetzgebung als «unakzeptabel». Lady Jenny Jones, eine frühere Vorsitzende der Grünen, nannte das Gesetz «schändlich und beschämend für unser Land».

Welby, Jones und die meisten anderen Mitglieder des Oberhauses, der zweiten Kammer Westminsters, hatten sich in den letzten Wochen vehement gegen das Gesetz gestemmt und es zu revidieren versucht, was ihnen aber nur in sehr bescheidenem Masse gelang. Am Ende zwang das Unterhaus mit seiner Tory-Mehrheit das Oberhaus, seinen Widerstand aufzugeben. Schliesslich müsse die Adelskammer «den Willen der gewählten Kammer und des britischen Volkes respektieren», meinte dazu der konservative Lord Murray, ein Staatssekretär im Innenministerium.

Abschreckungs-Effekt erhöhen

Zuvor schon hatten Premierminister Rishi Sunak und Innenministerin Suella Braverman deutlich gemacht, dass für sie das «Gesetz gegen illegale Zuwanderung» unverzichtbar sei, mit all seinen Konsequenzen. Sunaks Regierung verspricht sich von der Gesetzesänderung einen umfassenden «Abschreckungseffekt».

Die Betreffenden könnten gefälligst drüben auf dem Kontinent bleiben, wo sie ja durchaus «sicher» seien, hat Innenministerin Braverman mehrfach erklärt.

Die Regierung geht davon aus, dass Flüchtlinge und Migranten künftig ihren Plan, über den Kanal zu setzen, aufgeben, sobald ihnen klar ist, dass ihre Anwesenheit nicht geduldet wird in Grossbritannien. Die Betreffenden könnten gefälligst drüben auf dem Kontinent bleiben, wo sie ja in Ländern wie Frankreich durchaus «sicher» seien, hat Braverman mehrfach erklärt.

Um den Abschreckungseffekt zu erhöhen, sollen «illegale» Ankömmlinge künftig auch nicht mehr in Hotels und Herbergen, sondern in ausgedienten Militärkasernen und sogar in schwimmenden Wohnblöcken – auf Barkassen und Lastkähnen in südenglischen Häfen – untergebracht werden.

160’000 warten auf Bearbeitung des Asylantrags

Just zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes ist so am Dienstag auch die erste Grossbarkasse, die Bibby Stockholm, im Hafen von Portland, an der Küste der südwestenglischen Grafschaft Devon, eingetroffen, wo sie nun festgemacht werden soll, um noch vor Ende des Monats die ersten Flüchtlinge aufzunehmen. Früher im Einsatz für Arbeiter auf hoher See, mit 250 kleinen Räumen für ebenso viele Beschäftigte, soll die Barkasse nun bereitstehen für doppelt so viele unerwünschte «Migranten». Die Anmietung weiterer «Wohnschiffe» dieser Art ist geplant.

Experten glauben freilich, dass die Unterbringung auf solchen Barkassen nicht einmal wesentlich billiger ist als in Hotelräumen. Ausgesprochen teuer wäre auch, ganz abgesehen von der Fragwürdigkeit dieser Massnahme, jegliche Deportation. Immerhin landen diesen Sommer noch immer so viele Flüchtlinge in England an wie im Sommer vorigen Jahres – an manchen Tagen mehr als 500. Von denen, die bisher gekommen sind und die nicht unters neue Gesetz fallen, warten über 160’000 noch immer auf Bearbeitung ihres Asylantrags.