Gashilfe im NotfallKaum ist das WEF gestartet, schliesst Sommaruga mit Habeck einen Deal
Die Bundesräte Sommaruga und Parmelin haben am Sonntagabend mit Vizekanzler Habeck vereinbart, dass die beiden Länder sich unterstützen wollen, wenn das Gas knapp wird.
Der erste Bundesratstermin am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos brachte konkrete Ergebnisse: Noch bevor das WEF offiziell eröffnet wurde, vereinbarten Bundesrätin Simonetta Sommaruga und Bundesrat Guy Parmelin am Sonntagabend mit dem deutschen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck, dass die Schweiz und Deutschland ein Solidaritätsabkommen aushandeln. Das Ziel: Im Fall einer Gasmangellage wollen sich beide Länder gegenseitig unterstützen. «Die Versorgungssicherheit muss gewährleistet sein, wenn es zu Lieferausfällen kommen sollte», sagte Habeck vor den Medien.
Eine kurzfristige Mangellage könnte entstehen, wenn die EU ein Embargo gegen Russland verhängen würde. Deutschland hat bereits ein Abkommen mit Dänemark abgeschlossen und strebt ein weiteres mit Italien an. Auch hier spielt die Schweiz eine Rolle: Durch die Schweiz führt eine Transitgasleitung, welche die beiden Märkte verbindet. Vergangene Woche hat Deutschland nun die rechtliche Grundlage geschaffen, auch mit Nachbarstaaten, die nicht EU-Mitglied sind, Solidaritätsabkommen abschliessen zu können. Sommarugas Departement hatte sich dafür starkgemacht.
Die Details müssen noch ausgehandelt werden. Dazu gehören auch Massnahmen, die jeder Staat im Krisenfall ergreifen muss: ein Plan, wie im Notfall der Verbrauch gedrosselt würde und welche Branchen den Verbrauch einstellen müssten. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung ist zurzeit dabei, ein Konzept zu erstellen. Bereits beschlossen wurden sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz Massnahmen, um Gasreserven zu schaffen. Zur Sprache kam auch die Stromversorgung. Sommaruga betonte, dass die Schweiz mit ihren Pumpspeicherwerken für die Netzstabilität in Europa eine wichtige Rolle spielen könne.
Munitionslieferung: Schweiz soll Haltung überdenken
Über den Austausch zu Gas und Strom sowie die erzielte Einigung zeigten sich beide Seiten erfreut. Differenzen gab es dagegen bei den anderen Themen, die erörtert wurden: Die Beziehungen der Schweiz zur EU sowie Munitionslieferungen an die Ukraine.
Deutschland möchte in der Schweiz hergestellte Panzermunition an die Ukraine liefern – und hat die Schweiz gebeten, ihre ablehnende Haltung zu überdenken. Demnächst dürfte ein offizielles Gesuch eintreffen. Der Bundesrat werde sich damit befassen, sagte Bundesrat Guy Parmelin. Doch er habe Habeck auf das Neutralitätsrecht und die gesetzlichen Regeln zum Waffenexport hingewiesen.
Habeck zeigte sich davon wenig beeindruckt. Auch in Deutschland habe es vor dem Ukraine-Krieg die Haltung gegeben, keine Kriegswaffen in Kriegsgebiete zu liefern, stellte er fest. Diese Haltung habe sich aber geändert. Ein Gesetz, das nicht zwischen Angreifern und Angegriffenen unterscheide, sei ein Gesetz, «das die Wirklichkeit nicht einfängt», sagte Habeck. «Wir alle lernen in dieser Phase, dass wir unsere eigene Haltung noch einmal an der Wirklichkeit messen müssen.»
Habeck versprach, sich dafür einzusetzen, dass die Gespräche zwischen Bern und Brüssel wieder in Gang kommen.
Auch zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU wählte der deutsche Vizekanzler deutliche Worte. Er zeigte sich besorgt darüber, dass die bilateralen Verträge erodieren. Bereits gerate der Handel mit manchen Gütern ins Stocken, etwa mit Medizinalgütern. Habeck sprach sich für einen «automatisierten Rahmen» aus: für automatische «Updates» der bilateralen Verträge.
Sonst werde es mit den bilateralen Verträgen auf einmal sein wie mit einer alten Software auf dem Handy – eine Software, die zwar da sei, mit der man aber nichts mehr anfangen könne. Dass das nicht geschehe, sollte im Interesse beider Seiten sein – gerade in dieser Zeit, in der es eine klare Tendenz zur Renationalisierung gebe. Das nämlich sei das Gegenteil von Solidarität.
Er sei sich bewusst, dass dies kein einfaches Thema sei, versicherte Habeck. Deshalb nicht nach Lösungen zu suchen, sei aber nicht akzeptabel. Der deutsche Vizekanzler versprach, sich dafür einzusetzen, dass die Gespräche zwischen der Schweiz und der EU wieder in Gang kommen. Er werde demnächst dem zuständigen EU-Vizekommissionschef Maros Sefcovic «eine Handvoll konkreter Vorschläge» unterbreiten. Nähere Angaben dazu machte Habeck nicht. Laut Parmelin hatte er sich aber die Position der Schweiz aufmerksam angehört.
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