Streit um Fernsehturm in GenfKantonsregierung verklagt die SRG
Der Genfer Staatsrat zieht gegen die SRG vor Gericht. Damit lässt er einen Konflikt mit dem Westschweizer Radio und Fernsehen eskalieren.
Der Fernsehturm mitten in Genf ist das, was das Fernsehstudio Leutschenbach für Zürich ist: eine untrennbar mit der Stadt verbundene Institution. Doch nun droht diese historisch enge Beziehung auseinanderzubrechen.
Das Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) wird aus Genf in Richtung Lausanne ziehen. Schon seit längerem lässt die RTS auf dem Campus der ETH Lausanne in Ecublens ein neues Studio bauen. Welche Sendungen künftig in der Waadt produziert werden, ist offiziell zwar noch offen. Pläne bestehen aber, sämtliche Newssendungen in Ecublens zu produzieren.
Vertrag mit dem Service public
Klar ist, dass der riesige Fernsehturm in der Genfer Innenstadt nicht mehr die gleiche Bedeutung wie heute haben wird. Für den Kanton Genf ist dies ein medialer Bedeutungsverlust. Auch für die RTS ist die Situation nicht einfach. Sie muss sich überlegen, wie sie die Immobilie und das Gelände und damit über 10’000 Quadratmeter Fläche künftig nutzen wird.
Seit Ende Februar hat die RTS zwei Etagen an einen internationalen Telekommunikationskonzern vermietet und damit den Zorn der Genfer Regierung auf sich gezogen. Der Staatsrat sieht das Vorgehen der RTS als Vertragsbruch und hat gegen die SRG, das RTS-Mutterhaus, eine Gerichtsklage eingereicht.
«Der Staat hat der RTS das Grundstück kostenlos für die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe abgegeben.»
Die Regierung stellt sich auf den Standpunkt, dass die RTS den Turm nur für sich selbst und damit für den Service public nutzen, nicht aber an Dritte vermieten darf. Im Nutzungsvertrag, der 2013 unterschrieben wurde und bis 2070 gültig ist und den die Genfer Regierung dieser Zeitung auf der Grundlage des kantonalen Öffentlichkeitsgesetzes ausgehändigt hat, steht, dass der Kanton der SRG ein kostenloses Bodennutzungsrecht zur Erfüllung ihrer Zweckbestimmung gewährt. Im Fall, dass die SRG jedoch die Lokalitäten oder Teile davon an Dritte vermieten wolle, müsse sie die Pläne dem Kanton als Grundstückbesitzer vorlegen. Unter anderem, damit der Kanton prüfen kann, dass keine überrissenen Mieten verlangt werden.
In der Mitte Juni eingereichten Klage, über die die Zeitung «Tribune de Genève» als Erste berichtete, fordert die Genfer Regierung das Gericht auf, gegen den von der RTS und dem Kommunikationskonzern abgeschlossenen Mietvertrag vorzugehen und angesichts des fehlenden Genehmigungsantrags ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Zudem wird das Gericht angehalten, «den Willen des Staatsrats zu bekräftigen, dass die Grundstücke, die RTS kostenlos zur Verfügung gestellt werden, zur Stärkung von Qualitätsmedien und nicht zur Durchführung von kommerziellen Operationen genutzt werden».
Gemäss Recherchen dieser Redaktion gab es zwischen der RTS-Spitze und den Genfer Staatsräten Mauro Poggia, Serge Dal Busco und Antonio Hodgers mehrere Treffen. Die Genfer Staatsräte sollen dabei deutlich gemacht haben, dass sie mit der Untervermietung an ein Nichtmedienunternehmen nicht einverstanden waren. Dennoch wurde ein Mietvertrag unterzeichnet. Die Staatsräte wurden von der RTS gemäss ihrer Auffassung vor vollendete Tatsachen gestellt.
Antonio Hodgers ist nach den Rücktritten von Poggia und Dal Busco der einzige im Amt verbliebene Staatsrat, der direkt mit der RTS verhandelte. Er sagt: «Der Baurechtsvertrag aus dem Jahr 2013 ist eindeutig. Der Staat hat der RTS das Grundstück kostenlos für die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe abgegeben.» Wenn nun die Direktion insgeheim Stockwerke an private Unternehmen untervermiete, um ihr Gebäude rentabel zu machen, «verstösst dies gegen die im öffentlichen Interesse liegende Nutzung des Grundstücks», so Hodgers.
«Die RTS hält die Anschuldigungen des Genfer Staatsrats bezüglich der Vermietung von zwei Stockwerken für unbegründet.»
Die RTS sieht das ganz anders, wie das Medienunternehmen in einem Communiqué festhält. «Die RTS hält die Anschuldigungen des Genfer Staatsrats bezüglich der Vermietung von zwei Stockwerken seines Hochhauses in Genf für unbegründet», heisst es da.
Kein Finanzierungsvehikel
Auf Anfrage dieser Redaktion sagt RTS-Sprecher Christoph Minder: «Gemäss unserer internen und externen juristischen Analysen entspricht die Vermietung dem Baurechtsvertrag.» Man habe die kantonalen Stellen darüber informiert. Die Höhe der Miete sei «vom zuständigen kantonalen Amt, das dem Departement von Staatsrat Hodgers angehört, validiert», so der RTS-Sprecher. Dieses Mietverhältnis stehe im Übrigen in keinem Zusammenhang mit der Finanzierung des Neubaus in Ecublens. Finanziert werde der Neubau aus Eigenmitteln und dem Verkauf alter Gebäude. Auch arbeite die RTS mit dem Telekommunikationskonzern, der seit Februar den 13. und 14. Stock gemietet hat, im Rahmen der digitalen Transformation zusammen. «Es wäre unverantwortlich, diese Räumlichkeiten ungenutzt zu lassen», so Minder.
Im Übrigen sei «der Turm ein symbolträchtiges Gebäude, das die RTS nicht zu verlassen gedenke». Der RTS-Sprecher verspricht, dass die Hälfte des Personals, also 450 Personen, nach Abschluss des Baus in Ecublens weiter in Genf tätig sein werde. Die Sportredaktion und die Produktion der Magazinformate würden nach wie vor von Genf aus gemacht, darüber hinaus diene der Turm auch zukünftig für redaktionelle und administrative Tätigkeiten.
Antonio Hodgers, der aktuelle Genfer Regierungspräsident, wertet das Verhalten der RTS dennoch als «unlauter». Die RTS sei «nie ehrlich gewesen» und deren Direktion verhalte sich «wie ein Immobilienspekulant», so Hodgers.
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