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Flucht aus der Ukraine
Kantone rechnen mit bis zu 300’000 Menschen 

Viele Ukrainerinnen und Ukrainer reisen mit dem Zug in die Schweiz und kommen unter anderem am Hauptbahnhof in Zürich an.
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Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks rund zehn Millionen Menschen vertrieben worden. Davon seien etwa 3,4 Millionen über die Grenzen in die Nachbarstaaten geflüchtet, die anderen seien im eigenen Land vor den Angriffen aus ihren Häusern und Wohnungen geflohen. In der Schweiz wurden bisher bereits knapp 10’000 Geflüchtete registriert.

Die Kantone schlagen deshalb Alarm. Wenn das so weitergehe, könnten bis Ende Jahr 250’000 bis 300’000 Menschen kommen, sagt Marcel Suter, Präsident der Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden, in der «NZZ am Sonntag». Man müsse sich auf alle Fälle darauf vorbereiten. Der Kanton Bern etwa rechnet bis Ende Jahr in einer Minimalvariante mit 5000 Flüchtlingen, in einer Maximalvariante mit 30’000. 

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) geht zurzeit davon aus, dass bis Juli gegen 50’000 Kriegsvertriebene aus der Ukraine in der Schweiz eintreffen könnten. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte vor wenigen Tagen jedoch, dass das auch davon abhänge, wie sich der Konflikt in der Ukraine entwickle und inwieweit sich die Nachbarstaaten in der Lage sähen, die Hunderttausenden von Ukrainerinnen und Ukrainern, die bei ihnen Zuflucht suchten, aufnehmen zu können. SEM-Sprecher Reto Kormann sagt auf Anfrage: «Es können 30’000, 50’000 oder auch mehr sein.»

SEM rät Beteiligten, sich vorzubereiten

Das SEM stützte seine Berechnung bislang auf die Annahme, dass die Geflüchteten vor allem in jene Länder gehen, in denen bereits vor dem Krieg viele Ukrainer lebten. In der Schweiz waren das etwa 11’000 bis 15’000; das entspricht laut SEM etwa zwei bis drei Promille der weltweiten ukrainischen Diaspora. Der Bund schätzt demnach, dass von jeder Million Menschen, die die Ukraine verlassen, etwa 2000 bis 3000 in die Schweiz kommen. Trifft diese Annahme zu, sind die Prognosen der Kantone deutlich zu hoch.

Unabhängig von den Zahlen gehe es allen Beteiligten darum, sich auf das vorzubereiten, was noch kommen könnte, sagt Kormann. «Wir können die Suche nach Unterbringungsplätzen beispielsweise nicht erst starten, wenn die ukrainischen Geflüchteten in der Schweiz sind und ein Dach über dem Kopf, Betreuung, oder Pflege benötigen.» Die Schweiz müsse sich jetzt mit diesen Szenarien auseinandersetzen und Vorkehrungen dafür treffen, je nachdem, welches Szenario dann eintrete.

Das tun Bund und Kantone bereits und kümmern sich neben der Unterbringung der Geflüchteten auch um die Einschulung. Denn rund 40 Prozent der Registrierten sind laut SEM Kinder und Jugendliche. Es sei in den Schulen mit «vielleicht 15’000 zusätzlichen Kindern» zu rechnen, sagt der Präsident des Schweizer Schulleiter-Verbands, Thomas Minder, der «SonntagsZeitung». 

Schulen vor grossen Herausforderungen

Eine der grössten Herausforderungen der Schulen dürfte das Personal sein. Seit Jahren fehlen nicht nur Lehrerinnen, sondern auch Sozial- und Heilpädagogen und Logopädinnen. «Viele Klassen sind schon bis an den Rand gefüllt, gerade auch, weil Lehrpersonen so rar sind», sagt die Generalsekretärin des Schweizerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands, Franziska Peterhans. Zudem seien die Folgen von Corona immer noch zu spüren; es gebe viele Ausfälle. «Vom Normalbetrieb sind viele Schule noch ein ganzes Stück entfernt.» Peterhans macht sich zudem «grosse Sorgen» wegen der fehlenden psychologisch geschulten Fachpersonen. Es gebe heute schon sehr lange Wartelisten für Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen.

Schon vor Kriegsausbruch setzten Schulen zur Unterstützung auf pensionierte Lehrerinnen und Studenten. Diese dürften nun noch häufiger zum Einsatz kommen. Zurzeit wird auch die Möglichkeit diskutiert, geflüchtete Lehrerinnen für den Unterricht der ukrainischen Kinder einzusetzen. Peterhans hält dies für eine «schöne und naheliegende Idee», die in Einzelfällen funktionieren könnte. «Wir dürfen aber nicht vergessen, dass auch diese Frauen Schlimmes erlebt haben, sich von ihrem Mann, ihren Liebsten trennen mussten», sagt sie. Ihre Familiensysteme seien auseinandergerissen worden. Viele müssten sich in der Schweiz zuerst wieder in einer vollkommen veränderten Lebenssituation organisieren.

Der Kanton Wallis hat mit der Rekrutierung ukrainischer Lehrpersonen bereits begonnen. Ähnliche Bestrebungen gibt es auch in Bern. In Basel-Stadt ist man noch nicht so weit. Das Erziehungsdepartement prüfe aber, wie es die Ukrainerinnen und Ukrainer einbinden könne, die zum Beispiel schon in der Vergangenheit an den Basler Schulen in der Herkunftssprache unterrichtet hätten, sagt Sprecher Simon Thiriet.