Asylsituation im Kanton ZürichMario Fehr setzt Ukrainerinnen unter Druck
Arbeiten und hier bleiben oder zurückkehren: Der Zürcher Sicherheitsdirektor möchte den Geflüchteten aus der Ukraine ein Angebot machen, wie er sagt.
Wenn der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr (parteilos) über die Entwicklungen im Asylbereich referiert, geht es meist nicht lange, bis er Kritik am Bund übt. Am Dienstag dauerte es anlässlich seiner halbjährlichen Bestandesaufnahme vor den Medien genau 43 Sekunden.
Fehr sprach von der «überhasteten und schlecht kommunizierten» Schliessung von neun Bundesasylzentren auf Anfang Januar 2025, davon zwei im Kanton Zürich. Das erhöht den Druck auf die Kantone. «Der Bund stiehlt sich aus der Verantwortung», folgerte Fehr. Gleichzeitig schiebe der Bund 12’000 pendente Asylverfahren vor sich her, kritisierte er. Dazu kämen 5000 unerledigte Status-S-Fälle.
Das Ziel, dass die Mehrheit der neuen Fälle innert 140 Tagen entschieden sei, werde verfehlt, wobei nicht nur der Bundesrat dafür verantwortlich sei. 5000 Streitfälle seien derzeit am Bundesgericht hängig, sagte Fehr.
Algerien sei sicher
Der Sicherheitsdirektor formulierte Vorschläge, wie die «angespannte Situation», wie er sagte, im Asylbereich verbessert werden könnte. So schlug er vor, die Liste der sogenannten «Safe Countries», also der verfolgungssicheren Länder, zu erweitern. Und zwar um die maghrebinischen Länder.
Die Anerkennungsquote bei Asylgesuchen von Menschen aus Algerien betrage 0,4 Prozent, sagte Fehr. Marokkanische Gesuchsteller sind zu 0,7 Prozent erfolgreich, jene aus Tunesien zu 1,3 Prozent. Wenn diese Länder als sicher bezeichnet würden, könnten die Verfahren wegen ihrer Aussichtslosigkeit beschleunigt werden, so die Schlussfolgerung.
Fehr stellt Aufenthaltsbewilligung in Aussicht
Fehr machte auch einen Vorschlag, der die weit über 12’000 Ukrainerinnen und Ukrainer im Kanton Zürich betreffen würde. Sie erhielten den Schutzstatus S, wurden also rasch und unbürokratisch aufgenommen und dürfen arbeiten.
Mario Fehr sprach von einem «Angebot» an die Menschen mit Status S: Wer seit mindestens zwei Jahren hier ist und arbeitet, erhält eine Aufenthaltsbewilligung, also Status B. Alle anderen müssten aus der Schweiz ausreisen. Natürlich dürfe diese Praxis nicht absolut umgesetzt werden, sagte er auf Nachfrage. So sollte es Ausnahmen geben «wie bei der Sozialhilfe». Personen mit Betreuungsaufgaben etwa wären ausgenommen. Die Bedingungen müsste man noch spezifizieren, sagte Fehr.
Per Ende März 2024 waren 27 Prozent der ukrainischen Geflüchteten im Kanton Zürich arbeitstätig. Gemäss Bundesrat Beat Jans (SP) sollen bis Ende Jahr 40 Prozent eine bezahlte Arbeit haben.
Ursprung von Fehrs Idee ist auch der Umstand, dass inzwischen mehr Männer aus der Ukraine in die Schweiz kommen, die womöglich den Kriegsdienst meiden wollten, so Fehr. Zu Beginn des Kriegs, im Frühling 2022, waren vor allem Frauen und Kinder gekommen. Viele würden nach fünf Jahren ein Härtefallgesuch stellen, mutmasste Fehr. «Und das könnten wir nicht stemmen.»
SP sagt Ja und Nein
Fehrs Idee trifft bei der SP auf gemischte Gefühle. Gemäss Sibylle Marti, Co-Fraktionspräsidentin im Kantonsrat, unterstützt die SP den Teil mit der Aufenthaltsbewilligung: «Jenen, die sich integriert und sich eine Existenz aufgebaut haben, sollten wir eine B-Bewilligung geben», fordert sie. Doch eine Ausweisung von Personen in ein Kriegsland komme für die SP nicht infrage.
Das sieht die SVP etwas anders. Sie setzt den Fokus auf Rückkehr statt auf Eingliederung, wie Tobias Weidmann, Fraktionspräsident im Kantonsrat, auf Anfrage sagt. Dass Sicherheitsdirektor Fehr Druck auf die Personen mit Status S aufsetzen möchte, unterstützt er. Weidmann würde zudem auf ein Modell mit degressiven Sozialleistungen setzen: Je länger eine Person im Land ist und nicht arbeitet, desto weniger Geld soll sie erhalten. Weidmanns Kurzformel: «Arbeiten oder zurückgehen.» Dabei müsste aber sichergestellt werden, dass Personen aus Kampfgebieten von dieser Regelung ausgenommen sind.
Aufnahmequote derzeit bei 1,4 Prozent
Mario Fehr sagte an der Pressekonferenz, dass die vielen Geflüchteten auch die Gemeinden stark forderten. Er hatte die Aufnahmequote im Juli von 1,3 Prozent der Bevölkerungszahl auf 1,6 erhöht, nachdem die Quote schon 2023 von 0,9 auf 1,3 Prozent erhöht worden war. Die Gemeinden müssen also in der Lage sein, pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner 16 Geflüchtete aufzunehmen – was viele überfordere.
Derzeit werde immerhin der Wert von 1,4 Prozent erreicht, sagte Fehr. Er stellte in Aussicht, die Aufnahmequote für die Gemeinden bis Ende 2025 nicht mehr zu erhöhen.
Doch auch der aktuelle Wert ist manchen viel zu hoch. Im Kantonsrat ist eine parlamentarische Initiative der SVP und der FDP hängig, welche eine Obergrenze bei 1 Prozent fordert.
Fehler gefunden?Jetzt melden.